Rätselhafte Seuche
Afghanischen Bauern sterben die Opium-Felder ab
In den afghanischen Provinzen Kandahar und Helmand werden heute 90 Prozent des weltweiten Roh-Opiums produziert, damit ist das Land die unangefochtene Nummer eins am Weltmarkt. Roh-Opium ist der unter anderem durch Trocknung weiterverarbeitete Milchsaft unreifer Schlafmohnsamen, der in den Wochen und Tagen vor der Reifung durch tägliches Anritzen der Samenkapseln der Pflanze gewonnen wird (siehe Bild links). Mit aus Roh-Opium gewonnenem Morphin wird die halbsynthetische Droge Heroin hergestellt.
Hälfte der Pflanzen abgestorben
Nach dem Sturz der Taliban im Jahre 2001 bzw. mit dem Ausbruch anarchistischer Zustände schnellte der Schlafmohnanbau in Afghanistan wieder schlagartig nach oben. Dem UNO-Büro für Drogen und Kriminalität (kurz: UNODC) zufolge ist heuer aber beinahe die Hälfte der Pflanzen noch vor der Erntezeit für das Roh-Opium abgestorben. Ganze Felder seien wie ausgetrocknet, die toten Pflanzen weisen schwarze Flecken auf (siehe Bild rechts).
Etwa ein Viertel des Ausfalls konnten die Bauern durch intensivere Ausbeutung der gesundgebliebenen Pflanzen abdecken, insgesamt werde aber heuer um 25 Prozent weniger Roh-Opium produziert, heißt es. Während Bauern Trockenheit oder zu viele Niederschläge als Ursache vermuten, glaubt UNODC eher an eine Pilzkrankheit, wie sie schon in den Jahren 2002 und 2006 vorgekommen war - allerdings mit geringerer Auswirkung. Alle bisherigen Untersuchungen seien jedoch zu keinem eindeutigem Ergebnis gekommen. Theorien über eine von Menschenhand erzeugte Seuche - zum Beispiel als Teil einer Anti-Drogen-Strategie - gibt es bislang keine.
Drogenmarkt wird trotzdem nicht kleiner werden
Dass es durch die mysteriöse Seuche heuer weniger Heroin auf den Drogenmärkten geben wird, ist allerdings unwahrscheinlich, heißt es vonseiten des UNO-Büros. Laut UNODC haben die afghanischen Drogenkartelle trotz sinkender Anbauvolumina in den letzten Jahren massive Überschüsse erzielt, weil die Bauern bei der Produktion von Roh-Opium effizienter geworden sind.
Auch haben die afghanische Regierung und die US-geführten Alliierten bei der Bekämpfung des Schlafmohnanbaus die Taktik gewechselt. Statt in den Bergen versteckte Opium-Felder zu suchen und die Pflanzen zu vernichten, werden die Bauern mit Subventionen und günstigen Saatgutangeboten zum Lebensmittelanbau gelockt. Allerdings wirft ein Schlafmohnfeld in Afghanistan heute noch immer das Zehnfache eines Weizenfeldes ab.
In den versteckten Lagerstätten der Drogenkartelle lagern laut der UN-Orgnisation jedenfalls 10.000 Tonnen Roh-Opium - das Doppelte des weltweiten Jahresverbrauchs für die Heroinproduktion. Die Einlagerung sollte den profitgierigen Drogenkartellen ursprünglich nur dazu dienen, den im Laufe der letzten Jahre stark gefallenen Heroin-Preis auf den Drogenmärkten künstlich hoch zu halten. Heuer wird mit den Vorräten wohl der Ernteausfall ausgeglichen werden.
Roh-Opium als Wirtschafts- und Sicherheitsfaktor
Die Drogenindustrie Afghanistans ist mit rund drei Milliarden Dollar Exportumsatz ein nicht unbedeutender Wirtschaftszweig in dem von Kriegen gebeutelten Land. 2006 machte der illegale Schlafmohnanbau und Opium-Handel in Afghanistan fast die Hälfte des BIP aus. In Österreich ist der Anbau übrigens erlaubt - wobei Sorten mit geringem Morphin-Gehalt gezüchtet wurden - und im Fall des Waldviertler Graumohns sogar EU-rechtlich geschützt.
Die Export-Hauptregionen der afghanischen Drogenbarone sind Russland und europäische Länder. Afghanistan ist neben dem Roh-Opium-Geschäft übrigens auch weltgrößter Haschisch-Produzent. Wer die Drogenkartelle sind, kann aber auch Jean-Luc Lemahieu, Leiter des UNODC-Büros in Kabul, nicht konkret beantworten.
Dass die afghanischen Bauern Schlafmohn zur Opium-Erzeugung anbauen, obwohl sie wissen, dass Heroin in anderen Regionen der Welt jährlich Zehntausende Menschen tötet, erklärt Lemahieu aber nicht nur mit dem ökonomischen Faktor. Die Abnehmer stellen meistens bewaffnete Milizen zur Bewachung der Felder ab, wodurch sich auch für die Bauern ein Sicherheitsfaktor ergebe. Zudem stehen auch Rebellen in den Diensten der Druglords, die mit dem Verdienst aus der Bewachung von Feldern ihre Kämpfe finanzieren.
Korrupte Beamte eher Drogenbosse als Taliban?
Über den Einfluss der Taliban auf den Drogenanbau wird gestritten. Bis 2001 hatten die fundamentalistischen Glaubenskrieger den Anbau sogar verboten. Das unabhängige Institut "Afghanistan Research and Evaluation Unit" berichtet kürzlich in einer Studie, dass die Taliban in der Weltöffentlichkeit trotzdem als Drogenschmuggler wahrgenommen werden. Allerdings heißt es in dem Bericht: "In den Opium-Regionen im Süden geht die Mehrheit der Bevölkerung davon aus, dass eher korrupte Regierungsbeamte in Drogengeschäfte involviert seien als Taliban-Kämpfer."
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