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“Reform-Pionier” Berlusconi gegen “deutsches Europa”

Ausland
16.07.2012 10:13
"Ich war der erste führende westliche Politiker, der die Gefahr der Finanzkrise erkannt und Reformen eingeleitet hat." Bescheidenheit war noch nie die Stärke von Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi - dies stellte er jetzt auch im Interview mit der deutschen "Bild"-Zeitung unter Beweis. Dabei wetterte der 75-Jährige, der bei den Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr zum sechsten Mal als Ministerpräsident kandidieren will, auch gegen ein "deutsches Europa".

Bereits in der Vorwoche hatte Berlusconi kundgetan, dass er nach seinem Rücktritt im November des Vorjahres ein Polit-Comeback anstrebt. "Ich werde oft und sehr hartnäckig darum gebeten. Ich kann nur so viel sagen, dass ich meine Partei nie im Stich lassen würde", sagte der Medienzar gegenüber der "Bild".

"Italien ist kaum regierbar"
Berlusconi klagte, dass ein Premier in Italien über zu wenig Macht verfüge. "Er kann gemäß Verfassung nicht einmal einen Minister austauschen. Macht hatte ich vor 1994, als ich nur Fernsehen gemacht habe. Leider ist Italien bis heute kaum regierbar: Der Regierungschef kann kein Dekret erlassen, das sofort wirksam wird. Vom Gesetzentwurf zur Abstimmung vergehen bei uns im Schnitt 500 bis 600 Tage. Wir haben überholte institutionelle Regeln."

Auf die Frage, ob sein Nachfolger Mario Monti bessere Arbeit als er leiste, antwortete die Galionsfigur der Mitte-rechts-Partei "Volk der Freiheit": "Seine Stärke besteht darin, dass er die breiteste Unterstützung hat, die ein Premier je hatte. Das ist der Hauptgrund, der mich zum Rückzug bewogen hat: Ich wollte Reformen ermöglichen, auch verfassungsmäßiger Art."

"Land vor dem Kommunismus gerettet"
Eine Verantwortung für die Krise will Berlusconi nicht übernehmen - vielmehr sieht er sich als Reform-Pionier. "Ich war der erste führende westliche Politiker, der die Gefahr der Finanzkrise erkannt und Reformen eingeleitet hat", meinte er. Wenn man eines Tages den Staatshaushalt wieder im Griff habe, "ist das zum Großteil meiner Regierung zu verdanken".

Der 75-Jährige erklärte, er verspüre keine Bitterkeit in seiner politischen Bilanz: "Ich habe Italien mit meinem Einstieg in die Politik vor 18 Jahren vor dem Kommunismus gerettet. Das ist die historische Wahrheit, und darauf bin ich stolz. Und: Ich war der einzige europäische Leader, der sowohl zu Russland als auch zu den Vereinigten Staaten von Amerika ausgezeichnete Beziehungen hatte, und ich habe diese Freundschaft immer in den Dienst des Friedens und der Sicherheit auf der Welt gestellt."

Berlusconi wettert gegen deutsche Vormachtstellung in EU
Eine tiefe Freundschaft verband Berlusconi lange mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel - dies gehört der Vergangenheit an. Merkel werde in Italien zwar nicht nur als Reizfigur wahrgenommen, aber "wir kritisieren die übertrieben strenge Sparpolitik, weil wir denken, dass sie den Fortschritt hemmt. Wir wünschen uns ein europäischeres Deutschland, und kein deutscheres Europa". Man spüre derzeit eine gewisse deutsche Vormachtstellung in Europa, so Berlusconi.

Kritik übte der TV-Tycoon auch in Sachen Geldpolitik. "Mit dem Euro wurde die Wirtschaftsbilanz Deutschlands verbessert, die Italiens verschlechtert." Eine Rückkehr zu den Landeswährungen erscheint ihm trotzdem unwahrscheinlich. "Sie würde - was ja wohl niemand will - den Fehlschlag des historischen Projekts eines geeinten Europas bedeuten."

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