"Haben geschrien"

Thalys-Personal soll Passagiere ausgesperrt haben

Ausland
23.08.2015 09:17
Während Frankreich und die USA die "Helden des Thalys-Zuges" feiern, die möglicherweise ein Blutbad verhindert haben, sieht sich das Personal des Schnellzugs mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Als an Bord Panik ausgebrochen sei, hätten sich mehrere Mitarbeiter in einem speziellen Abteil verschanzt und die übrigen Passagiere ausgesperrt, kritisierte der französische Schauspieler Jean-Hugues Anglade, der ebenfalls im Zug saß, am Samstag im Magazin "Paris Match".

"Der Schütze war wenige Meter von uns entfernt im Waggon Nummer zwölf", berichtete der 60-Jährige. Er habe zusammen mit seinen beiden Kindern und seiner Lebensgefährtin im benachbarten Abteil gesessen, dem hintersten Personenwaggon des Zuges. "Der bewaffnete Mann bewegte sich in unsere Richtung, er war entschlossen. Ich habe gedacht, das ist das Ende, wir müssen alle sterben."

"Das war schrecklich und unerträglich"
Mit den anderen Passagieren habe er mit dem Rücken an der Wand zu dem abgeriegelten Abteil gekauert. "Wir haben geschrien, dass uns das Personal hineinlassen solle", sagte Anglade. Doch niemand habe reagiert. "Dieses Verlassensein, diese Hilflosigkeit, diese Einsamkeit - es war schrecklich und unerträglich. Für uns war das unmenschlich."

Seit dem vereitelten Anschlag am Freitag werden alle Schnellzüge von der Polizei bewacht. (Bild: APA/EPA/STEPHANIE LECOCQ)
Seit dem vereitelten Anschlag am Freitag werden alle Schnellzüge von der Polizei bewacht.
Am Bahnhof von Arras kurz nach der französischen Grenze wurde der Attentäter verhaftet. (Bild: APA/EPA/PASCAL BONNIERE)
Am Bahnhof von Arras kurz nach der französischen Grenze wurde der Attentäter verhaftet.
Der Mann wurde von Passagieren überwältigt und dann im Bahnhof von Arras (Bild) festgenommen. (Bild: APA/EPA/PASCAL BONNIERE)
Der Mann wurde von Passagieren überwältigt und dann im Bahnhof von Arras (Bild) festgenommen.
Spurensicherung am Bahnhof von Arras (Bild: AP)
Spurensicherung am Bahnhof von Arras
Spurensicherung am Bahnhof von Arras (Bild: AP)
Spurensicherung am Bahnhof von Arras
Spurensicherung am Bahnhof von Arras (Bild: AP)
Spurensicherung am Bahnhof von Arras

Thalys weist Vorwürfe zurück
Die Geschäftsführerin der Thalys-Gesellschaft, Agnes Ogier, wies die Anschuldigungen zurück. "Einer der Mitarbeiter hat gemerkt, wie er von einem Schuss gestreift wurde." Er sei weggelaufen und mit fünf oder sechs Reisenden in den Gepäckraum am Ende des Zuges geflohen. Dort habe er den Alarm ausgelöst und anschließend die Kollegen aus dem anderen Zugteil und den Fahrer informiert. Ein anderer Mitarbeiter habe den Zugführer außerdem per Telefon alarmiert. In den beiden Zugteilen des Thalys befinden sich jeweils zwei Mitarbeiter der französischen Bahngesellschaft SNCF oder der belgischen SNCB.

Täter bereitete sich auf Zugtoilette vor
Der u.a. mit einer Kalaschnikow, einer Pistole und einem Teppichmesser bewaffnete Täter war am Freitag in Brüssel in den Thalys eingestiegen. Als der Täter mit dem Schnellfeuergewehr über der Schulter die Zugtoilette verließ, habe zunächst ein französischer Passagier ihn aufzuhalten versucht, erklärte der französische Innenminister Bernard Cazeneuve. Der Angreifer habe dabei mehrere Schüsse abgegeben, wobei ein Passagier getroffen wurde. Zwei US-Soldaten und ein befreundeter College-Student sowie ein Brite überwältigten den Angreifer danach, einer der Soldaten wurde schwer verletzt.

Die Freunde Alek Skarlatos, Spencer Stone und Anthony Sadler, bevor der Angreifer losschoss (Bild: Facebook.com)
Die Freunde Alek Skarlatos, Spencer Stone und Anthony Sadler, bevor der Angreifer losschoss
Der Bürgermeister von Arras verlieh drei der Helden noch am selben Abend eine Ehrenmedaille. (Bild: AFP)
Der Bürgermeister von Arras verlieh drei der Helden noch am selben Abend eine Ehrenmedaille.
Der größte der Helden: Spencer Stone verlässt nach seiner Behandlung das Krankenhaus. (Bild: AFP)
Der größte der Helden: Spencer Stone verlässt nach seiner Behandlung das Krankenhaus.
Spencer Stone kümmert sich trotz seiner Verletzung um einen ebenfalls schwer verletzten Passagier. (Bild: AP)
Spencer Stone kümmert sich trotz seiner Verletzung um einen ebenfalls schwer verletzten Passagier.

Identität des Angreifers offiziell bestätigt
Die Identität des Täters ist mittlerweile offiziell bestätigt. Es handelt sich um den 25-jährigen Marokkaner Ayoub El Khazzani, der von den spanischen Geheimdiensten als radikaler Islamist eingestuft wird. Nach Angaben der spanischen Ermittler lebte El Khazzani sieben Jahre lang in Spanien - zunächst in Madrid, dann bis 2014 in Algeciras, dann sei er über Frankreich ins Bürgerkriegsland Syrien gereist. Am 10. Mai hielt er sich nach Erkenntnissen der französischen Behörden in Berlin auf. Von hier aus sei er in die Türkei geflogen, nach seiner Rückkehr habe er dann in Belgien gewohnt.

Khazzani sei aufgrund verschiedener Elemente identifiziert worden, darunter seinen digitalen Fingerabdrücken, erklärte die Pariser Polzei am Samstagabend. Der Polizeigewahrsam wurde verlängert. Khazzani selbst bestreitet terroristische Absichten.

Der Verdächtige, Ayoub El Khazzani, am Bahnsteig in Arras vor seiner Festnahme (Bild: APA/EPA/CHRISTINA CATHLEEN COONS)
Der Verdächtige, Ayoub El Khazzani, am Bahnsteig in Arras vor seiner Festnahme

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele