Einen Schuld- sowie einen Freispruch hat es am Dienstagabend in einem weiteren Dschihadisten-Prozess in Graz gegeben: Der 23-jährige Sevkret G. - er soll 2012 und 2013 für den IS in Syrien gekämpft haben - wurde wegen der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sowie wegen versuchten Mordes und schwerer Nötigung zu zehn Jahren Haft verurteilt. Sein 17-jähriger Bruder Ömer G. wurde dagegen freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Der vorerst vierte Dschihadisten-Prozess in Graz hatte vergangene Woche begonnen und ging einen Tag früher als geplant zu Ende. Angeklagt waren der 23-jährige Sevkret, ein Taxifahrer, und sein Bruder, der noch zur Schule geht. Die beiden Österreicher mit türkischem Migrationshintergrund sind in Graz aufgewachsen. Der ältere reiste im Sommer 2012 nach Ägypten und dann weiter nach Syrien, wo er für den IS gekämpft hatte. Laut Staatsanwaltschaft soll er dabei gewesen sein, als ein Dorf überfallen wurde und Schüsse fielen. Dabei wurde er an den Oberschenkeln schwer verletzt. Im März 2013 reiste er dann zurück nach Österreich.
Jüngeren Bruder radikalisiert
Dort sei er laut dem Staatsanwalt als Held bei diversen islamischen Glaubensvereinen herumgereicht worden. Zwei Patronen trägt er nach wie vor in seinem Körper mit sich herum. Zudem soll er begonnen haben, seinen jüngeren Bruder zu radikalisieren. Für November 2014 hatten beide die gemeinsame Ausreise in die Türkei geplant, von wo sie dem Ankläger zufolge weiter nach Syrien in den Dschihad wollten.
Am letzten Verhandlungstag erklärte der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer, dass der Tatbestand der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sowohl bei Sevkret als auch bei seinem Bruder erfüllt wurde, nämlich mit dem Abflugtermin und dem Kauf der Tickets. Der ältere Beschuldigte wolle nur vortäuschen, dass er davor schon als Helfer für die gemäßigte Freie Syrische Armee - kurz FSA - gearbeitet hat: "Mit einer Kalaschnikow?" meinte der Ankläger zynisch.
"Als Österreicher nichts im syrischen Bürgerkrieg verloren"
Die Staatsanwaltschaft könne Sevkret G. nicht nachweisen, dass er in Syrien getötet hat, daher sei er "nur" wegen versuchten Mordes angeklagt, aber das waren sicher keine "Spaßkanonen", mit denen die Bevölkerung umzingelt wurde. Der "Mythos" der Kämpfer werde durch Menschen wie dem Angeklagten weitergetragen. Der Staatsanwalt war überzeugt, dass die vom IS eingenommenen Territorien wieder an die Syrer zurückfallen werden: "Wenn die jetzt in den besetzten Häusern wohnenden Dschihadisten vertrieben werden, wohin gehen sie wohl? Wohin gehen die Österreicher, die unten für den IS kämpfen?" Es sei ein "enormes Sicherheitsrisiko", wenn diese Terroristen dann nach Europa flüchten oder radikalisiert nach Österreich zurückkehren.
"Man hört immer, sie sollen halt hinuntergehen (nach Syrien, Anm.) und dort umkommen", erklärte der Ankläger weiter, aber "es hat keiner hinunterzugehen". Als Österreicher hätten beide "nichts im syrischen Bürgerkrieg verloren".
Die beiden Verteidiger dagegen wollten keinen Beweis für die Schuld ihrer Mandanten erkennen, es handle sich nur um Indizien. Die Anklage stütze sich auf eine von acht Vernehmungen des 23-jährigen Taxifahrers - und bei der sei der Beschuldigte unter Druck gesetzt worden. Der jüngere Bruder - er war einmal mit einem Dschihad-T-Shirt in die Schule gekommen - war für den zweiten Verteidiger sowieso ein "ganz normaler 17-Jähriger", der einen Sprachkurs in der Türkei machen wollte. Das habe nichts mit Terrorismus zu tun: "Es ist zu wenig, um zu bestrafen."
Geschworene berieten fünf Stunden lang
Nach knapp fünfstündiger Beratungszeit folgten die Geschworenen den Argumenten des Staatsanwalts nur teilweise. Sie hielten den 23-Jährigen einstimmig für schuldig, für den IS gekämpft und dabei versuchten Mord und schwere Nötigung begangen zu haben. Seinen jüngeren Bruder soll er aber nicht angeworben haben. Dieser wurde einstimmig für nicht schuldig befunden.
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