Karl H. heiratete im Jahr 1968. Zwei Söhne kamen zur Welt. 1974 ging die Beziehung in die Brüche, was im Juni 1975 auch amtlich mit der Scheidung besiegelt worden ist. "Ich hab die Schuld ohne große Diskussion auf mich genommen", erzählt der Pensionist.
Damals musste auch noch bei Gericht ein "Schuldiger" an einer Trennung gefunden werden. Einvernehmliche Scheidungen gab es nicht. Die wurden erst 1978 in einer großen Reform des Eherechts eingeführt. Doch genau an dieses "Verschulden" werden jetzt die Forderungen geknüpft.
Mit der geschiedenen Frau gab es bald keinen Kontakt mehr. Er selbst heiratete 1976 neuerlich und wurde wieder Vater eines Sohnes. Beschäftigt war er in technischen Firmen und ging dieses Jahr im April in Pension. Am 10. Mai flatterte ihm ein Schreiben eines Wiener Anwaltes ins Haus. Der stellte sich als Sachwalter seiner ersten Frau vor. Er ist ihr erst kürzlich zugeteilt worden und durchforstete pflichtgemäß ihre Finanzen.
8.000 Euro Nachzahlung werden verlangt
Weil deren Einkommen mit knapp 700 Euro "unterhalb der Ausgleichszulagengrenze" liegen würde, benötige sie Unterhalt, schrieb der Sachwalter. Und er, Karl H., sei zur Zahlung von monatlich 176 Euro verpflichtet. Überdies soll der Pensionist auch noch insgesamt knapp 8.000 Euro für die vergangenen drei Jahre nachzahlen. Berechnet wird das alles mit einer höchst komplizierten Formel, die aber rechtlich völlig korrekt ist.
Karl H. versteht seither die Welt nicht mehr: "Ich habe doch auch nur knapp 1.500 Euro Pension und die Scheidung ist 35 Jahre her." Doch wie ihm sein Anwalt Mario Schaffer erklärte, tut das nichts zur Sache. Unterhaltsansprüche unterliegen unter bestimmten Umständen keiner Verjährung, bestehen auf immer und ewig.
Doch der Pensionist erinnert sich noch an die Scheidung 1975: "Meine Frau hat mir damals versichert, dass sie nur für die Kinder, niemals aber für sich Unterhalt fordern will." Sollte ein derartiger Verzicht jetzt noch zu beweisen sein, würde ihn das von den Zahlungen befreien, hofft Rechtsanwalt Mario Schaffer.
Scheidung verjährt nicht
Die Forderungen gegen den Wiener Pensionisten beruhen auf Paragraf 66 des Ehegesetzes. Darin heißt es: "Der allein oder überwiegend schuldige Ehegatte hat dem anderen [...] den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren." Weiter heißt es: Der an einer Scheidung Schuldlose ist zwar grundsätzlich selbsterhaltungspflichtig, wenn seine Einkünfte aber nicht ausreichen, besteht gegen den Schuldigen ein Unterhaltsanspruch." Solche Forderungen können also nur bei einer Scheidung wegen Verschulden gestellt werden. Heute werden etwa 90 Prozent aller Ehen "einvernehmlich" geschieden, doch im Jahr 1975 gab es diese rechtliche Möglichkeit noch nicht.
Der Pensionist ärgert sich auch über die Politik: "Dieser Paragraf dient doch nur dazu, um dem Staat Geld zu ersparen. Denn sonst müsste der Staat die Ausgleichszulage zahlen." Eine Änderung des Gesetzes wäre durchaus sinnvoll. Davon ist nicht nur er überzeugt. Auch namhafte Juristen haben an der Regelung so ihre Zweifel. Und während in vielen anderen Fällen zivilrechtliche Forderungen nach 30 Jahren endgültig verjähren, ist das hier nicht der Fall.
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