Alles wirkt so friedlich in Paldau-Unterstorcha: im Ortszentrum eine alte Kirche, hübsche Geschäfte, ein gemütliches Gasthaus, rundum Wiesen, Bäume, Felder. Die 700 Menschen, die in der kleinen Gemeinde in der Südoststeiermark leben, betreiben Landwirtschaften, haben Handwerksbetriebe oder arbeiten im 50 Kilometer entfernten Graz. Und sind glücklich in ihrer Idylle, fern der Stadt.
Und dann das: Josef R. (52), der im Dorf immer bloß als ein "unauffälliger Eigenbrötler" gegolten hatte, attackierte am 3. Juni mit einer mit Nägeln präparierten Eisenstange Renate H. (44) und schlug damit auch auf ihre Töchter Sarah (5) und Helena (7) ein. Ein Anrainer kam den Opfern zu Hilfe, der Amokläufer flüchtete.
"Ich stehe dazu, was ich getan habe"
Die Frau und ihre Kinder erlitten bei dem Angriff schwere Verletzungen, das jüngere Mädchen musste wegen eines Schädelbruchs vorübergehend sogar in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden. Der Täter wurde am vergangenen Montag gefasst, in einem Wald, wo er sich aus Ästen einen "Iglu" errichtet hatte. "Ich stehe zu dem, was ich getan habe", sagte er gleich im Verhör. Und: "Ja, ich gebe es zu: Ich wollte Renate H. umbringen." Warum? "Ich hasse sie."
Die Vorgeschichte des Dramas? 2011 hatten die Frau und ihr Partner, Paul G. (51), am Nachbargrundstück von Josef R. ein Haus zu bauen begonnen, schnell war es zwischen ihnen und dem Mann zu einer losen Freundschaft gekommen. "Er schien nett", erzählt Paul G., "deshalb fanden wir nichts dabei, wenn er manchmal unsere Kinder beaufsichtigte, während wir Beton mischten."
Josef R. stalkte Mädchen
Aber mit der Zeit sei Josef R. "komisch" geworden: "Er machte unseren Mädchen dauernd Geschenke, zuerst Süßigkeiten, später kaufte er ihnen Fahrräder und er beschaffte sich einen Fernseher, damit sie bei ihm Zeichentrickfilme anschauen konnten. Renate und mir wurde das irgendwann zu viel. Und wir hielten fortan unsere Töchter von ihm fern."
Seine Reaktion? Er begann, die Schwestern zu stalken. Einen zwölfjährigen Freund der beiden Kinder passte er wiederholt ab und verbat ihm den Umgang mit seinen "Schätzchen". Mitte Mai erklärte die Mutter dem 52-Jährigen, nachdem er in ihren Garten vorgedrungen war, um Sarah und Helena beim Trampolinspringen zu beobachten, dass sie die Polizei rufen werde, sollte er sich noch einmal ihrer Familie nähern.
"Ich fasste den Plan, sie zu bestrafen"
In den Wochen darauf, berichten Bewohner von Unterstorcha, hätten sie Josef R. oft mit starrem Blick durch die Ortschaft gehen gesehen: "Er schien in einer anderen Welt gefangen zu sein." In einem Mikrokosmos des Wahnsinns. "Nach dem Streit mit Frau H.", gab der 52-Jährige der Kripo zu Protokoll, "fasste ich den Plan, sie zu bestrafen." Er begann, ein Mordwerkzeug zu basteln. Und auf den "richtigen Moment" zu warten, für sein Verbrechen, das er bis jetzt nicht bereut: "Es tut mir nur leid, dass ich Sarah und Helena wehgetan habe."
Wer ist Josef R.? Er wuchs in jenem Haus, in dem er bis zuletzt wohnte, auf. Vor 40 Jahren starb sein um elf Jahre älterer Bruder an einem Gehirntumor. Die Eltern machten sich für den Tod ihres Erstgeborenen verantwortlich. Von Kindheit an hatte er in ihrer Landwirtschaft mitarbeiten müssen, sie glaubten, das habe ihn krank gemacht. Deshalb schlugen sie bei ihrem zweiten Sohn bewusst eine andere Erziehungslinie ein: Sie lasen ihm jeden Wunsch von den Augen ab, fanden es gut, dass er nach der Schule bloß Teilzeitjobs annahm.
Frau nahm Josef R. nach Trennung seine Kinder weg
Was erzählen die Menschen in Unterstorcha sonst über R.? Still sei er immer gewesen, sehr still. Nie habe er Freundschaften geschlossen, nie sei er ausgegangen. Mit 30 verliebte er sich in eine Frau aus einem Nachbardorf. Sie zog zu ihm auf den Hof, die beiden bekamen bald einen Sohn, der alles für ihn war. 2002 hatte er eine kurze Affäre. Seine Partnerin erfuhr davon, verließ ihn und unterband ihm den Kontakt zu seinem Kind. In der Folge wurde Josef R. zum "totalen Einzelgänger". Noch mehr, nachdem 2004 sein Vater und 2011 seine Mutter gestorben waren.
Sein Leben in den vergangenen Jahren? Mit Akribie baute er auf seinem Grundstück Gemüse und Obst an, tischlerte Gartenmöbel, verkaufte sie "schwarz". Er führte ein bescheidenes Dasein, grüßte seine Nachbarn freundlich, redete mit ihnen mitunter ein bisschen, über das Wetter oder seine Arbeit. Wenn Kinder vor seinem Anwesen spielten, ging er zu ihnen, schenkte ihnen Cola, Chips und Zuckerl. Ja, die Eltern der Kleinen sahen das nicht gern und verbaten ihnen Besuche bei dem "Einsiedler". Aber nein, niemand in Unterstorcha hielt Josef R. für gefährlich. Bis zum 3. Juni.
"Wollte mich aufhängen oder ertränken"
Der 52-Jährige ist mittlerweile im Landesgericht Graz in Untersuchungshaft. Er gilt als selbstmordgefährdet. "Nach meiner Tat wollte ich mich aufhängen oder ertränken", sagte er bei seiner Einvernahme. "Aber immer, wenn ich kurz davor war, verließ mich der Mut." Renate H. und ihre Töchter sind noch im Spital. Ihre körperlichen Wunden heilen gut, die seelischen nur langsam.
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