Gesetzesnovelle

Austro-Landwirte fürchten in Ungarn Enteignung

Österreich
08.03.2013 16:16
Österreichische Landwirte bangen um ihren Grund und Boden jenseits der Staatsgrenze. Gesetzesänderungen der ungarischen Regierung könnten einige Bauern dazu zwingen, Äcker zurückzugeben. Wie im Fall eines Burgenländers droht die Enteignung. Es sei "einiges aufzuarbeiten, es ist für Rechtssicherheit zu sorgen", erklärte Außenminister Michael Spindelegger. Während die EU-Kommission rechtliche Schritte gegen die Regierung in Budapest prüft, beschwichtigt diese und versichert, dass niemand unrechtmäßig enteignet würde.

Das Budapester Ministerium für Ländliche Entwicklung verwies am Freitag auf die aktuelle Rechtslage: Es sei ein "bekanntes Faktum, dass in den vergangenen zwei Jahrzehnten zahlreiche Techniken in der Rechtspraxis entstanden sind, die dem Ausspielen und der Umgehung von rechtlichen Hürden dienen". Zur Bekämpfung solcher Verträge möchte nun die Regierung von Premier Viktor Orban den Kauf von landwirtschaftlichen Nutzflächen per Gesetz neu regeln.

"Rechtmäßige Besitzer haben nichts zu befürchten"
Zugleich betonte das Ministerium, dass EU-Bürger, die Ackerboden rechtmäßig erwerben bzw. erworben haben, nicht zu befürchten hätten, dass ihnen ihr Boden genommen wird, der ihnen ihre Existenz sichere und durch sie bewirtschaftet werde. "Jene jedoch, die in gegen die Rechtsregel verstoßende Verträge involviert sind, müssen damit rechnen, dass der Staat dagegen auftritt, sowohl zivil- als auch strafrechtlich", erklärte der zuständige Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, Attila Simon.

Ein Verstoß liegt laut dem Gesetz dann vor, wenn Agrarflächen zu Spekulationszwecken erworben werden. Damit möchte Ungarn jene Bauern schützen, die ihren Lebensunterhalt aus der Landwirtschaft bestreiten und durch die Spekulationsgeschäfte bedroht würden.

Bisher keine Reaktion auf konkrete Sorgen in Österreich
Auf österreichischer Seite schenkt man diesen Beteuerungen derzeit jedoch nicht allzu viel Glauben und befürchtet eher, dass die demnächst im ungarischen Parlament zur Abstimmung vorgebrachte Novelle sämtlichen EU-Bürgern, die nicht die ungarische Staatsbürgerschaft besitzen, der Erwerb von neuem Ackerland in Ungarn verbietet. Auch bereits abgeschlossene Kaufverträge könnten davon betroffen sein. Die Eigentümer, zum Großteil Österreicher, könnten trotz rechtmäßigen Erwerbs aus dem Grundbuch gestrichen werden. Auf die konkreten Sorgen über die Schwierigkeiten österreichischer Bauern in Ungarn gab es vorerst keine Reaktion aus Budapest.

Rechtmäßig erworben und dennoch bald verloren?
In der österreichischen Botschaft in Budapest hat der Agrargesandte Ernst Zimmerl derzeit jedenfalls viel zu tun. 16 Fälle von betroffenen Landwirten sind dem Experten bekannt. Grund und Boden haben die Bauern rechtmäßig erworben. Abgesegnet wurden die Geschäfte jedoch von der ungarischen Bezirksbehörde, der aber kurz zuvor die Zuständigkeit dafür entzogen worden war. Dass die Beamten davon nichts wussten, sollen nun die österreichischen Landwirte büßen - sprich, der Kauf muss rückgängig gemacht werden. "Der Fehler liegt jedoch eindeutig bei den ungarischen Behörden", ist Zimmerl sicher.

Burgenländischer Landwirt kämpft gegen Enteignung
Einer von ihnen ist der Landwirt Martin Wolf aus Güssing. Er kämpft bereits seit dem Vorjahr gegen eine Enteignung. Seit 13 Jahren bewirtschaftet er einem ORF-Bericht zufolge als Eigentümer seine 100 Hektar Ackerfläche. Der Grund liegt demnach seit jeher im Naturpark Örseg. Die Gesetzesänderung besage auch, dass der Staat Ungarn diese Naturpark-Flächen zurückhaben will, heißt es in dem Bericht. 

Er habe schon vor etwa einem Jahr ein Schreiben vom Naturpark Örseg erhalten, in dem mitgeteilt wurde, dass die betroffenen Felder binnen 30 Tagen enteignet werden sollen, erklärte Wolf gegenüber dem ORF. Daraufhin habe man Einspruch erhoben, derzeit sei ein Rechtsstreit im Gange.

Spindelegger: "Schauen uns jeden Fall für sich an"
Außenminister Michael Spindelegger drängt mittlerweile ebenfalls auf eine Lösung. Konkret schaue man sich "jeden Fall für sich an, sie sind sehr unterschiedlich", erklärte er am Donnerstag. Man führe auf fachlicher Ebene "lösungsorientierte Gespräche", zudem dürfe man auch nicht in ein "Ungarn-Bashing" verfallen. Bereits im Vorjahr habe er darüber Gespräche mit Orban geführt, ein ungarischer Staatssekretär sei zum Thema auch in Wien gewesen, so Spindelegger.

Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich betonte, "Bauern brauchen Rechtssicherheit". Man stehe in Kontakt mit dem Gesandten Zimmerl, und auch die EU-Kommission "als Hüterin der Verträge" sei eingeschaltet. Aus dem Büro von Binnenmarktkommissar Michel Barnier wurde verlautbart, dass man den Sachverhalt nun prüfe. Man nehme die Sache sehr ernst, müsse aber zunächst ausreichende Informationen einholen und diese bewerten, erklärte ein Sprecher des Binnenmarktkommissars gegenüber dem Ö1-"Morgenjournal" am Freitag.

Streitigkeiten um "Taschenverträge"
In der Vergangenheit hatte es wiederholt Streitigkeiten um sogenannte Taschenverträge in Ungarn gegeben, bei denen sich Ausländer - vor allem Österreicher - in den vergangenen zwei Jahrzehnten über ungarische Strohmänner landwirtschaftliche Nutzflächen gesichert haben.

Die ungarische Regierung hatte sich im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen im Jahr 2004 Ausnahmeregelungen beim Verkauf von Grundstücken an EU-Ausländer gesichert. Die Ungarn befürchteten einen Ausverkauf ihrer landwirtschaftlichen Flächen. Diese Übergangsregelung läuft allerdings am 30. April 2014 aus.

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