Pilot im Interview

Blick hinter Kulissen der AUA: “Wir sind im Krieg”

Österreich
21.05.2012 17:16
Brutaler Machtkampf bei der AUA: Ein junger Pilot (5.000 Flugstunden, 4.000 Euro) bricht jetzt sein Schweigen. Im Interview mit Conny Bischofberger erzählt er, was hinter den Kulissen wirklich abläuft.

Ein Häuschen mit Garten im Süden von Wien. "Es ist besser, wenn wir uns nicht am Flughafen treffen", meint Rainer Moosbrugger, der für das "Krone"-Interview die Piloten-Uniform angezogen hat. Weißes Hemd mit Schulterapplikationen, Krawatte im vertrauten AUA-Rot. Das Häuschen gehört einem steirischen Freund, der den Tisch mit Topfengolatschen und Apfelstrudel gedeckt hat - und einem Modell des AUA-Philharmoniker-Fliegers aus der Spielzeugkiste seines kleinen Sohnes. "Wäre ich nicht im Betriebsrat, ich hätte mich nicht getraut, dieses Interview zu geben", erklärt der AUA-Pilot (sämtliche Interview-Anfragen der "Krone" an Kollegen von ihm sind im Vorfeld abgelehnt worden). 

Im Gespräch berichtet er von Demütigungen und Drohungen, aber auch von seiner Hoffnung, dass es doch noch zu einer Lösung im Machtkampf zwischen Führung und Bordpersonal kommen könnte. Bis Ende dieser Woche muss er – wie alle 580 Piloten – entscheiden, ob er "seiner" AUA treu bleibt und somit dem von der Spitze verordneten Übergang auf die viel billigeren Tyrolean-Verträge zustimmt.

"Krone": Herr Moosbrugger, sind Sie auch ein Privilegienritter? 200.000 Euro Jahresgehalt, unvorstellbare 39 Gehälter Abfertigung?
Rainer Moosbrugger: Nein, bin ich nicht. Ich verdiene netto 4.000 Euro. Von den 580 AUA-Piloten haben nur rund 300 solche Alt-Verträge. Diese hohe Abfertigung wird ja auch nur dann wirksam, wenn ein Pilot aus medizinischen Gründen seinem Beruf nicht mehr nachgehen kann. Bei Pensionsantritt wird die ganz normale gesetzliche Abfertigung schlagend.

"Krone": Verstehen Sie angesichts solcher Summen, dass die Piloten in der Öffentlichkeit nicht gerade gut dastehen?
Moosbrugger: Ehrlich gesagt nein. Erstens sind auch diese Höchstgehälter im internationalen Vergleich im Mittelfeld angesiedelt. Zweitens ist sich das gesamte fliegende Personal der ernsten Situation sehr wohl bewusst und auch bereit, seinen Beitrag zu leisten. Minus 40 Prozent! Welche andere Branche in Österreich würde minus 40 Prozent von Gehalt und Ansprüchen einfach schlucken? Dieses Paket hat 96,4 Prozent Zustimmung erreicht.

"Krone": Die Geduld der Lufthansa sei am Ende, hört man, der Betriebsübergang auf die Tyrolean beschlossene Sache.
Moosbrugger: Der Vorstand war nie an einer beidseitigen Lösung interessiert. Der erfüllt einfach auf Biegen und Brechen eine Vorgabe des Eigentümers. Die probieren aus, was in Österreich geht, und machen dasselbe dann in zwei, drei Jahren in Deutschland.

"Krone": Woraus leiten Sie das ab?
Moosbrugger: Sie können sich die Brutalität nicht vorstellen, mit der da reingefahren wird. Unsere Verhandlungsführer haben berichtet, dass ihre Gegenüber in der Endphase nur noch grinsend dagesessen sind und nebenbei Spielchen am iPad gespielt haben. Dann sind sie rausgegangen und haben erklärt: "Das war's, danke! Der Betriebsrat ist nicht verhandlungsbereit." Wir waren empört, da hat man uns gesagt: "Wir sind im Krieg, da ist jedes Mittel recht! Und wenn ihr uns zitiert, dann haben wir es nicht gesagt. It's a gamble!" Aber das ist kein Spiel, dahinter stehen Menschen.

"Krone": Denen es wie geht?
Moosbrugger: Ich kenne Piloten, die nicht mehr schlafen können. Da gibt es Nervenzusammenbrüche, da weinen Stewardessen, nachdem sie Zeitungen mit Negativ-Schlagzeilen an die Passagiere ausgeteilt haben. "Sie schaffen es noch, dass die AUA bankrott geht" – so was hören die täglich. Und dennoch bleiben sie freundlich und höflich und machen ihren Job. We fly for your smile! Dahinter spielen sich menschliche Dramen ab, seit Monaten. Es wird ein Vernichtungsfeldzug gegen uns geführt.

"Krone": Wie meinen Sie das?
Moosbrugger: Wir fühlen uns wirklich gedemütigt. Da wird mit blankem Zynismus gearbeitet. Und parallel dazu ein Crashkurs gefahren, der das Unternehmen und den Standort Österreich massiv schädigt.

"Krone": Sprechen Sie hier als Betriebsrat?
Moosbrugger: Nein. Ich mache zurzeit eine Umschulung und bin nicht aktiv. Ich spreche als einer, der stolz darauf ist, AUA-Pilot zu sein. Der 13 Jahre lang für dieses Unternehmen gearbeitet hat. Der Totengräber des Unternehmes soll ich jetzt sein? Das hat der Pressesprecher des Unternehmens allen Ernstes von den AUA-Piloten behauptet.

"Krone": "Unfit to fly" haben sich viele Ihrer Kollegen gemeldet, als die Verhandlungen schiefgegangen sind. Ist das in Ihren Augen eine gute Idee - einen stillen Streik anzuzetteln?
Moosbrugger: Das war eine gezielte PR, um uns zu schaden. Es haben sich nur unwesentlich mehr Piloten "unfit to fly" gemeldet, als es dem Jahresdurchschnitt entspricht.

"Krone": Es sind immerhin 24 Linienflüge ausgefallen.
Moosbrugger: Wenn die eigene Arbeit plötzlich nichts mehr wert ist, wenn man nur noch schlecht geredet wird in der Öffentlichkeit, dann kann das schon sehr belastend sein.

"Krone": Für Sie auch?
Moosbrugger: Ich persönlich schaffe es noch, die Diskussionen nicht mit ins Cockpit zu nehmen. Mein Sohn fragt mich: "Papa, müssen wir nach China gehen?" Meine Frau sagt: "Was mach' ich in Dubai?" Für mich mag es ja nett sei, aber sie würde 30 Tage im Monat in der Wüste sitzen. Ich bin teilweise sehr traurig.

"Krone": Spielen Sie mit dem Gedanken, zu den "Emirates" zu wechseln?
Moosbrugger: Ich habe diese Entscheidung noch nicht getroffen. Aber ich muss bis kommenden Freitag eine Entscheidung treffen. Sicher, ich hätte in Dubai ein steuerfreies fürstliches Gehalt, eine Villa mit Chauffeur und so weiter. Aber das sind nicht die Dinge, die für mich als Familienvater zählen… Ich mag die Jahreszeiten, die Seen. Wir wollen uns als Familie zu Hause fühlen.

"Krone": Lieber 40 Prozent weniger verdienen?
Moosbrugger: Ich weiß es nicht… Ich weiß nur eins: Ich möchte nicht, dass das Unternehmen mir meine Wurzeln entreißt. Ich fühle mich auch der AUA-Familie zugehörig, ich möchte sie nicht verlassen. Ich bin stolz, AUA-Pilot zu sein.

"Krone": Wie stolz?
Moosbrugger: Wie stolz kann man sein? Bei meiner Selektion – von 1.300 Bewerbern wurden zwölf Schüler ausgewählt - wurde ich gefragt: "Herr Moosbrugger, Sie sind aus Vorarlberg. Warum bewerben Sie sich nicht bei der Swiss oder bei Lufthansa? Das ist geographisch näher für Sie." Ich habe gesagt: "Ich bin Österreicher und ich will nicht aus meinem Land weg." So geht es vielen bei der AUA.

"Krone": Bröckelt die Solidarität inzwischen nicht schon?
Moosbrugger: Es ist eine Tatsache, dass versucht wird, die Kollegen der Tyrolean und uns von der AUA gegeneinander auszuspielen. Trotzdem begegnen wir uns mit Wertschätzung und Respekt. Wir sind eine Wertegemeinschaft, obwohl diese Werte im Moment zertrümmert werden. Alles, woran wir geglaubt haben, wird kaputt gemacht.

"Krone": Welche Werte sind das?
Moosbrugger: Solidarität. Wertschätzung. Professionalität. Und Konsens. Unser Angebot ist im Endeffekt neun Millionen Euro billiger.

"Krone": Glauben Sie im Ernst, dass es noch zu Gesprächen kommen wird, nachdem der Betriebsrat eine Klage beim OGH eingebracht hat?
Moosbrugger: Die Arbeitnehmer müssen sich auf juristischem Weg ihre Rechte sichern. Die Gerichte werden klären müssen, ob das wirklich sein kann, was das Unternehmen hier – einzigartig in Österreich – versucht durchzuziehen.

"Krone": Wenn Ihr Chef, Herr Albrecht, jetzt zur Tür hereinkäme: Was würden Sie ihm sagen?
Moosbrugger: Ich würde aufstehen und gehen. Ich möchte ihm nicht begegnen. Ich werde ihm nichts an den Kopf werfen, aber meinen Respekt hat er" aufpeppen möchte.

"Krone": "Selbstmord auf Raten" hat die "Zeit" einen Kommentar zum Konflikt bei der AUA betitelt. Ist die AUA noch zu retten?
Moosbrugger: Ja, ich denke schon. Aber nicht über einen Betriebsübergang zur Tyrolean und indem die Motivation der Mitarbeiter total zerstört wird. Das ist auch ein immens hohes Risiko für die AUA. Wenn sie den Betriebsübergang fahren, werden sie den Sommerflugplan mit Sicherheit nicht mehr einhalten können.

Seine Geschichte
Geboren am 20.4.1980 als Sohn eines Volksschullehrers in Au im Bregenzerwald, Vorarlberg. Gleich nach dem Präsenzdienst macht Rainer Moosbrugger – gegen den Rat seiner Eltern – die Ausbildung zum AUA-Flugpiloten. Der 32-Jährige ist seit 2000 im Unternehmen und fliegt vor allem Kurzstrecken in Europa. Momentan ist sein Betriebsrats-Mandat ruhig gestellt. Privat lebt er mit Ehefrau Kerstin und den beiden Kindern Emil (4) und Lene (1) in der Steiermark.

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