Politischer Paukenschlag: Werner Faymann legte am Montag seine Funktionen als Parteivorsitzender der SPÖ sowie als Bundeskanzler zurück. Der starke Rückhalt innerhalb der Partei für seinen Kurs sei verloren gegangen, begründete Faymann seinen Schritt. Ein Nachfolger als Parteichef soll bereits nach Pfingsten feststehen, bis dahin übernimmt Wiens Bürgermeister Michael Häupl den Bundesparteivorsitz. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner wird vorübergehend die Kanzlerfunktion ausüben, ehe die SPÖ bei ihrem Parteitag am 25. Juni einen Faymann-Nachfolger präsentieren wird.
Faymann erklärte in einer Rede, es gehe nicht darum, wer die Mehrheit in der Partei hat, sondern wer "in dieser schwierigen Zeit der großen Herausforderungen" - u.a. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, hohe Wettbewerbsbedingungen, Fragen des sozialen Zusammenhalts und Flüchtlingskrise - zurande komme.
Im Video oben sehen Sie die komplette Abschiedsrede des Bundeskanzlers!
Die Frage laute: "Hat man die volle Rückendeckung, einen starken Rückhalt in der Partei? Das muss ich Ihnen mit Nein beantworten. Dieser starke Rückhalt ist verloren gegangen. Die Mehrheit ist zu wenig, trotzdem bedanke ich mich bei allen Mitstreitern, die in diesen Tagen zu mir gestanden sind", sagte Faymann.
"Es geht um viel, es geht um Österreich"
Faymann zeigte sich "felsenfest" überzeugt, "dass dieses Land mit diesen Herausforderungen fertig wird und auch in Zukunft ein starkes Land sein wird". Der scheidende Bundeskanzler wünschte der Regierung und seinem noch zu bestimmenden Nachfolger "schon jetzt alles erdenklich Gute". "Es geht um viel, es geht um Österreich." Er sei sehr dankbar, dass er Österreich in der Vergangenheit habe dienen dürfen.
SPÖ-Granden überrascht von Rücktritt
Die SPÖ-Spitze zeigte sich angesichts Faymanns Rücktritt überrascht. Völlig unvorbereitet dürfte sein Abgang auch die sozialdemokratischen Gewerkschafter getroffen haben. Die FSG hatte sich seit Montagfrüh in ihren Gremien zur Zukunft der Partei beraten. Während die Beratungen liefen, kündigte Faymann seinen Abschied an. Sowohl FSG-Chef Wolfgang Katzian als auch ÖGB-Präsident Erich Foglar betonten aber, dass diese Entscheidung zu respektieren sei.
Video: SPÖ-Spitze rechnete nicht mit Faymann-Rücktritt
Mitterlehner und Fischer kurzfristig informiert
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Bundespräsident Heinz Fischer wurden von Faymann erst am Montagvormittag über die bevorstehende Erklärung unterrichtet. Mitterlehner erklärte, er nehme die Entscheidung Faymanns "mit Respekt zur Kenntnis". Und: "Ich übernehme diese Funktion." Wichtig sei nun im Sinne der Koalition, dass "wir stabil bleiben, was die Arbeit anbelangt". Mitterlehner sieht trotz Faymanns Rücktritt keinen Grund für Neuwahlen. Der neue SPÖ-Chef sei reine Angelegenheit des Koalitionspartners. Beim neuen Bundeskanzler wolle die ÖVP aber mitreden.
Fischer hat noch am Montagabend Faymann von seinem Amt enthoben und Mitterlehner interimistisch mit den Aufgaben des Regierungschefs betraut. Dem zurückgetretenen Faymann dankte Fischer "sehr herzlich" für dessen mehr als siebenjährige Tätigkeit als Bundeskanzler und auch persönlich für die gute Zusammenarbeit.
ÖVP-Parteivorstand tagt am Dienstag
Für Dienstag wurde ein ÖVP-Parteivorstand einberufen. Dort soll über das weitere Vorgehen beraten werden. Angesprochen auf mögliche SPÖ-Nachfolgekandidaten, etwa ÖBB-Chef Christian Kern oder Medien-Manager Gerhard Zeiler, sagte Mitterlehner, es mache keinen Sinn, darüber zu spekulieren. Die Rolle des Bundeskanzlers sei jedenfalls nicht irgendeine Rolle. Man wolle sich seitens der ÖVP daher "genau anschauen, wer das in Zukunft machen soll". Möglicherweise sei es ja eine Person, die den Koalitionspakt gar nicht mitverhandelt habe.
"Rebellen" in Gewerkschaft und Landesparteien
Am Wochenende hatte es trotz des immer größer werdenden Widerstands innerhalb der Partei noch so ausgesehen, als könne sich Faymann über die nächsten Monate retten. Als einer der schärfsten Kritiker des Bundeskanzlers und der derzeitigen inhaltlichen Linie der Partei erwies sich der Vorsitzende der Bau-Holz-Gewerkschaft Josef Muchitsch. Auch der Salzburger SPÖ-Chef Walter Steidl schoss aggressiv gegen Faymann. Zudem gehörten die Wiener Stadträtinnen Sonja Wehsely, Renate Brauner und Sandra Frauenberger zu den "Rebellen" der Partei.
Wird nun Annäherung an die FPÖ beschleunigt?
Mit dem Wechsel an der Spitze wird die Debatte über die Ausrichtung der SPÖ nicht verstummen. Eine mögliche Annäherung an die FPÖ auf Bundesebene ist das am heftigsten umstrittene Thema. Die burgenländische Landespartei empfahl am Montag zum wiederholten Mal, die "Ausgrenzung" zu beenden: "Die Zeit ist jetzt reif, um diese pragmatischen Positionen zu formulieren".
krone.tv-Umfrage zum Rücktritt von Werner Faymann
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