Drama um Ena Kadic

Der geheimnisvolle Tod einer Schönheitskönigin

Österreich
24.10.2015 11:12
Als "Miss Austria" führte sie ein Leben auf der Überholspur. Danach fühlte sich Ena Kadic ausgebrannt - und sehnte sich bloß noch nach Ruhe. Am 16. Oktober ging sie alleine auf den Bergisel. Und stürzte in die Tiefe. Warum?

Nichts, wirklich nichts deutete am 16. Oktober bei Ena Kadic auf eine bevorstehende Tragödie hin. Am Morgen telefonierte sie, wie jeden Tag, mit ihrer Mutter. Erzählte ihr von einem netten Treffen mit einer Freundin am Vorabend. Und dass sie die kommenden Stunden in der Natur verbringen wolle.

Vermutlich gegen 11.15 Uhr dürfte die Ex-"Miss Austria" von ihrer Wohnung in der Innsbrucker Innenstadt zum drei Kilometer entfernten Bergisel gegangen sein. Bekleidet mit Pulli, Baumwollhose, Steppjacke und Sneakers.

Ena Kadic (Bild: Martin A. Jöchl)
Ena Kadic

Und dann begann sie ihre Wanderung. Marschierte den Hügel hinauf. Beantwortete zwischendurch SMS, telefonierte kurz mit einem Bekannten. Wirkte auf all die Menschen, mit denen sie Kontakt hatte, "völlig normal". Nicht aufgekratzt, nicht depressiv.

Mehrere Zeugen wollen sich nun daran erinnern, die 26-Jährige um etwa 12.30 Uhr dabei beobachtet zu haben, wie sie minutenlang auf einem Geländer der Aussichtsplattform Drachenfelsen gesessen sein und sich mit ihrem Handy beschäftigt habe.

Die letzten Worte der früheren "Miss"
Um 13.12 Uhr rief sie ihren kleinen Bruder an: "Ich bin abgestürzt, bitte hilf mir", sagte sie mit kraftloser Stimme. Er alarmierte seine Mutter. Eine Suchaktion. Zwei Studenten fanden schließlich die Schönheitskönigin. Auf einem Hang, zwischen Bäumen und Gestrüpp.

(Bild: Martin A. Jöchl)

Schädelbasisbruch, Lungenquetschung, zahlreiche komplizierte Knochen- und Rippenbrüche, so lautete die Diagnose der Ärzte im Spital. Not-OPs. Doch sämtliche Versuche, das Leben der Schwerverletzten zu retten, blieben erfolglos. Ena Kadic starb am Montagabend. Ohne davor ihr Bewusstsein wiedererlangt und Auskunft über den Hergang ihres Absturzes gegeben zu haben.

Ihr Tod - ein Unfall?

Die 26-Jährige, betont die Innsbrucker Polizei, sei mit Sicherheit nicht Opfer eines Verbrechens geworden. Keine Spuren an ihrem Körper, die darauf hinweisen, irgendjemand hätte sie gepackt und in die Tiefe gestoßen. Keine Spuren von Abwehrhandlungen.

Mit enormer Wucht, stellten Gerichtsmediziner mittlerweile fest, muss die junge Frau auf dem Boden aufgeprallt sein. Nach mindestens 20 Metern im freien Fall. Und anschließend sei sie 15 Meter, sich immer wieder überschlagend, den Berg "hinuntergekollert". Bis sie auf einem geraden Stück zu liegen kam. Die Theorie, die 26-Jährige hätte sich auf einen Pfad unterhalb der Aussichtsplattform begeben und wäre dort ausgerutscht, scheint den Ermittlern daher "unsinnig".

Hat sie sich also abermals auf das Geländer oberhalb des Drachenfelsens gesetzt und ist sie - wie in Medien spekuliert wird - aus dem Gleichgewicht geraten, während sie ein Selfie machen wollte? "Auch das schließen wir eher aus. Denn Frau Kadic hätte es in der Folge wohl kaum geschafft, ihr Handy in den Händen zu halten, bis zu dem Moment, als sie ihren Bruder anrief." Mit letzter Kraft, meinen die Fahnder, muss sie das Gerät aus einer Seitentasche ihrer Jacke gezogen haben.

Ihr Tod - ein Unfall?

Zuletzt hasste sie die "Glitzerwelt"
Wer war Ena Kadic? "Sie ist zu feinfühlig, zu tiefsinnig gewesen für diese Welt." Dieser Satz ist immer wieder zu hören, wenn Menschen aus ihrem Umfeld nun über das Ich der Verstorbenen berichten.

Ihre Geschichte? Mit drei Jahren kam sie nach Tirol. Ihre Eltern: Bosnier. Nein, die kleine Familie hatte niemals Schwierigkeiten, sich in Österreich zu integrieren. Vater und Mutter arbeiteten fleißig, ermöglichten der Tochter und dem 1993 geborenen Sohn gute Ausbildungen. Ja, Ena Kadic wuchs in behüteten, geordneten Verhältnissen auf.

Von klein an hatte sie viele Freunde, die sie wegen ihrer immensen Empathiefähigkeit schätzten. Schon im Mädchenalter interessierte sie sich fürs Nähen, entwarf Kleider. Den Abschluss in einer Modeschule schaffte sie mit Auszeichnung. Danach begann sie in einer Innsbrucker Nobelboutique zu arbeiten. Mit Begeisterung - und dem Ziel, später einmal Designerin zu werden.

Ena Kadic bei ihrem Abflug zur "Miss World"-Wahl 2013 (Bild: Kristian Bissuti)
Ena Kadic bei ihrem Abflug zur "Miss World"-Wahl 2013

"Mehr durch Zufall", erinnern sich Bekannte von früher, habe sie irgendwann "ein bisschen zu modeln" begonnen, "und eher aus Spaß" später an einer "Miss Tirol"-Wahl teilgenommen. "Ziemlich überrascht" sei sie gewesen, als sie dabei den zweiten Platz errang, "und noch überraschter", als sie 2013 "Miss Austria" wurde.

Und weiter? Ena Kadic war dann wie in einem Rausch. Termine, so viele Termine - bei denen sie immer im Mittelpunkt stand. Ein paar Monate lang eine aufregende Beziehung mit Mister Austria Philipp Knefz. Das Abbiegen in ein Leben auf der Überholspur.

Am Ende ihres "Missen-Jahres" war die junge Frau ausgebrannt, "sie fühlte sich", berichtet eine ehemalige Model-Kollegin, "seelisch tot". Müde, traurig, "sie verkroch sich bei ihrer Familie, verließ mitunter tagelang nicht ihr Bett".

Nach dieser Phase des totalen Rückzugs der Entschluss, völlig neu zu beginnen. Ena Kadic brach alle Kontakte zur "Glitzerwelt" ab, nahm wieder ihren "alten Job" als Verkäuferin an, ging nur noch selten aus, war oft alleine daheim.

Nun wird die Ex-Miss bestattet.

Ihr Tod - ein Unfall?

Die Antwort auf diese Frage nimmt Ena Kadic mit ins Grab.

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