Energie-Chaos?

Deutsche über Stromdeals mit Österreich empört

Österreich
09.10.2011 14:32
Die deutschen Energieversorger befürchten nach dem Atomausstieg Engpässe bei der Stromversorgung. Österreich hat zugesagt, Strom zu liefern, falls beim Nachbarn die eigene Produktion nicht mehr ausreichen sollte. Was im Winter eine Hilfe darstelle, gestalte sich im Sommer aber als Abzocke, empörte sich nun die "Bild"-Zeitung. Österreich verkaufe den Deutschen demnach Strom, den sie vorher selbst verschenkt hätten.

Weil ältere Atomkraftwerke bereits abgeschaltet wurden, wirkt sich die Entscheidung zum Ausstieg aus der Kernenergie unmittelbar auf die Versorgungssicherheit unserer deutschen Nachbarn aus. Damit die Deutschen trotzdem gut durch den kommenden Winter kommen, haben Österreichs Energieversorger zugesagt, zusätzliche Kraftwerkskapazitäten bereitzuhalten.

EVN und Verbund AG mit Deutschland handelseins
Die beiden größten Stromkonzerne, die Verbund AG und die Energieversorgung Niederösterreich (EVN), sind eigenen Angaben zufolge bereits mit der Bundesnetzagentur, dem deutschen Gegenstück zur heimischen Energie-Control, handelseins. Auch Wien Energie befindet sich in Verhandlungen mit den Deutschen.

EVN, Verbund und Wien Energie hatten Deutschland thermische Reservekapazitäten von zusammen 1.075 Megawatt Nettoleistung - ungefähr die Leistung eines Atomkraftwerks - angeboten. Die zusätzlichen Kraftwerkskapazitäten aus Österreich sollen in erster Linie Verbrauchsspitzen ausgleichen, wenn extrem kalte Temperaturen den Stromverbrauch in der Bundesrepublik in die Höhe treiben sollten.

Österreich-Lieferungen nicht ganz uneigennützig
Österreich stellt aber die zusätzlichen Kraftwerkskapazitäten nicht ganz uneigennützig bereit. Die Stromnetze in Deutschland und Österreich sind besonders eng miteinander verknüpft, schreibt das deutsche "Handelsblatt". Sollte es zu Versorgungsproblemen in der Bundesrepublik kommen, könnte sich der Engpass auf Österreich ausdehnen und auch dort zu Stromausfällen führen.

"Österreich hat natürlich höchstes Interesse an einer sicheren und problemlosen Stromversorgung in Deutschland", zitiert die Zeitung Walter Boltz, den Chef von Energie-Control. Besonders eng sind die Verflechtungen beim Strom zwischen Süddeutschland und Österreich.

"Bild" empört sich über Stromgeschäfte
Mit den Stromgeschäften zwischen Deutschland und Österreich beschäftigte sich am Wochenende auch die "Bild"-Zeitung. "Irrsinn! Deutschland verschenkt Strom ins Ausland ... und wir kaufen ihn für teures Geld zurück" sowie "Unglaublich! Österreich verkauft uns den Strom, den wir vorher verschenkt haben", schrieb die Zeitung am Samstag.

Die deutsche Energiewende führt in den Augen der "Bild" zum Energie-Chaos. Künftig werde immer mehr deutscher Ökostrom ins Ausland verschenkt. "Bild" erklärt den "Irrsinn" so: Oft werde Strom aus Wind und Sonne zur falschen Zeit am falschen Ort produziert - Angebot und Nachfrage passen einfach nicht zusammen. Weil Speicher fehlen, bauen sich überschüssige Mengen auf, die nur noch über die Leipziger Strombörse EEX verkauft werden können.

Zur Not wird Strom ins Ausland verschenkt
Wenn aber niemand den teuer erzeugten Strom haben wolle, werde er zur Not an Abnehmer ins Ausland verschenkt. Im Extremfall komme es sogar zu "negativen Preisen" von bis zu 500 Euro pro Megawattstunde. Wer den Strom vom Markt nehme, bekomme noch einen Haufen Geld dazu.

In der Vergangenheit hätten mehrfach Energieversorger aus den Nachbarländern Schweiz und Österreich, die große Pumpspeicherkraftwerke besitzen, den Gratis-Strom abgenommen. Sie nutzten die Energie, um Wasser den Berg hochzupumpen, das am nächsten Tag bergab fließe und über Turbinen Spannung erzeuge, die als teurer Strom aus Wasserkraft zurück nach Deutschland verkauft werde.

RWE-Chef: "Ökostrom darf nicht verschenkt werden"
"Das ist aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht besonders sinnvoll, zumal Wind- und Sonnenenergie mit rund 8,5 Milliarden Euro im Jahr subventioniert werden", wird Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energie-Agentur, in der "Bild" zitiert. "Der Missstand wird sich in Zukunft sogar noch verschärfen, weil der Sektor weiter ausgebaut werden soll."

Jürgen Großmann, Chef des deutschen Energieriesen RWE, forderte, der von allen deutschen Verbrauchern finanzierte grüne Strom dürfe nicht verschenkt werden. Darum müsse Deutschland möglichst schnell Stromspeicher bauen, vor allem Pumpspeicherkraftwerke.

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