Vorschriftenflut

Die Gewerbeordnung als echtes Bürokratie-Monster

Wirtschaft
08.07.2016 15:32

Die Ausübung von 214 Berufen und 82 Gewerben ist in Österreich streng reglementiert. Ein Unternehmer braucht mehrere Scheine. "Wir leben in einem Land, in dem ein Malermeister keine Rigips-Wand aufstellen und eine Fremdenführerin kein Reisebüro eröffnen darf", kritisiert der Hotelier und Nationalratsabgeordnete Sepp Schellhorn.

Er ist Inhaber des Hotels Seehof in Salzburg. Um dieses betreiben zu können, braucht Schellhorn nicht weniger als sechs (!) Gewerbescheine:

  • einen für das Hotel,
  • einen für Bar und Café,
  • einen fürs Restaurant,
  • einen für den Hotelwagen, um Gäste vom Bahnhof abholen zu dürfen,
  • einen als Tour-Operator
  • und einen als Reisebüro, um den Gästen Pauschalangebote bieten zu können.
Hotelier und NEOS-Nationalratsabgeordneter Sepp Schellhorn (Bild: Christian Mueller)
Hotelier und NEOS-Nationalratsabgeordneter Sepp Schellhorn

"Für jedes Gewerbe muss man Grundumlage zahlen, was die Einnahmen der Wirtschaftskammer sprudeln lässt", so Schellhorn. Dieser Irrsinn führt dazu, dass die Zahl der Gewerbeberechtigungen weit stärker zunimmt als die der Gewerbeinhaber - binnen zehn Jahren um 34 Prozent (siehe Grafik). Endlich ist das auch bei der Regierung angekommen, die am Dienstag eine Reform ankündigte, die bis zum Herbst stehen soll.

(Bild: Krone-Grafik)

Zugang zu Gewerben und Berufen soll einfacher werden
Geplant ist laut Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, dass für die 440 freien Gewerbe künftig ein einziger Schein reicht. Der Zugang zu 214 Berufen und 82 Gewerben mit Befähigungsnachweis soll einfacher werden. Sogar Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hat sich in einer ersten Reaktion zu einer Reform bereit erklärt.

Die Liste der haarsträubenden Beispiele, wie Unternehmer durch sinnlose Vorschriften sekkiert werden, ist schier endlos. Sie beginnt beim Nageldesigner, der nur Fingernägel, aber keine Fußnägel lackieren darf. Hotelier Schellhorn, der als NEOS-Abgeordneter im Parlament sitzt, hat jede Menge Beispiele rund um Gewerbeordnung und andere Schikanen aus der Praxis gesammelt. Hier einige Auszüge:

  • Die Fassade eines Betriebsgebäudes wurde von einem Raumausstatter mit Maler-Gewerbeschein gemalt. Als ihn der Auftraggeber ersucht, noch die Firmentafel zu streichen, lehnt dieser ab: "Darf ich nicht, ich habe keinen Schildermaler-Gewerbeschein. Wenn mich da wer sieht, werde ich angezeigt."
  • Ein Unternehmer baut Theaterbühnen und hat einen auf die Veranstaltungsbranche eingeschränkten Gewerbeschein für Metallbau, Deko und Tapezierer. Er darf aber keinen Eisenwinkel für eine Hutablage in einem privaten Haushalt befestigen.
  • Wenn ein Wirt einen "Nagelstock" im Gastraum stehen hat, muss er für das "Nagelstock-Spiel" um eine "gewerbebehördliche Änderungsgenehmigung" ansuchen.
  • Ein Gastronom aus Oberösterreich kaufte sich einen strombetriebenen Imbissanhänger. Doch das Kochen mit Gas im Freien ist in Oberösterreich nicht erlaubt, in Tirol wäre es gestattet. Auf seine Anfrage bei der Behörde, wie das mit Hendlgrill-Wagen sei, heißt es, "die werden geduldet, stehen aber mit einem Bein in der Illegalität".
  • Ein Messerschmied (Ein-Personen-Unternehmer) wartet Monate auf einen Termin für eine Betriebsanlagengenehmigung. Dann kamen elf (!) Personen. Im Endergebnis wurde der Verkaufsraum nicht bewilligt, weil sein altes Gewölbe nicht hoch genug war.

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