Im Streit um die europaweite Verteilung von Flüchtlingen droht Bundeskanzler Werner Faymann mit der Kürzung der von Österreich gezahlten EU-Beiträge. "Wer unter dem Strich mehr Geld aus dem EU-Haushalt erhält als einzahlt, sollte sich bei einer fairen Verteilung der Flüchtlinge nicht einfach wegducken", wird Faymann mit Blick auf mittel- und osteuropäische Staaten, die sich der Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien verweigern, von der "Welt" zitiert. Am Donnerstag und Freitag findet in Brüssel ein EU-Gipfel zur Flüchtlingsfrage statt.
"Wer sich verweigert, stellt die gesamte Finanzierung des EU-Haushalts infrage und macht es Nettozahlern wie Österreich künftig sehr schwer, weiterhin so viel Geld einzuzahlen", warnte Faymann in der Donnerstagsausgabe der "Welt". Solidarität sei keine Einbahnstraße, so der Kanzler.
"Werden uns ansehen, wer sich unsolidarisch verhält"
Es seien im kommenden Jahr Änderungen im EU-Haushalt zulasten bestimmter Länder denkbar. "Der mehrjährige Finanzrahmen von 2014 bis 2020 wird im kommenden Jahr überprüft. Da werden wir uns ganz genau ansehen, welche Länder sich in der Flüchtlingsfrage besonders unsolidarisch verhalten", sagte der Kanzler.
EU-Regierungschefs beraten über Flüchtlingskrise
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten beraten am Donnerstag und Freitag bei einem Gipfeltreffen in Brüssel über die Flüchtlingskrise. Dabei geht es um die Verteilung von Flüchtlingen auf die einzelnen EU-Länder, die Einrichtung von Registrierungszentren in Italien und Griechenland und die umstrittenen Pläne der EU-Kommission für einen gemeinsamen Grenz- und Küstenschutz. Dieser soll nach dem Willen der EU-Kommission auch ohne Zustimmung von Mitgliedsstaaten eingreifen können, um die EU-Außengrenzen zu sichern.
Vor dem Gipfel traf am Donnerstag die sogenannte Koalition der Willigen, also jene Staatengruppe, die von der Flüchtlingskrise am stärksten betroffen ist, mit der Türkei zu Beratungen zusammen. "Es war eine intensive Diskussion mit dem türkischen Premierminister Ahmet Davutoglu", sagte Faymann. Ein weiteres Treffen der "Koalition" mit der Türkei soll vor dem nächsten EU-Gipfel im Februar stattfinden.
Faymann: "Entscheidende Nagelprobe für die EU"
Nach dem nunmehrigen "Mini-Gipfel" erhöhte Faymann den Druck auf die osteuropäischen EU-Staaten. Der Kanzler bezeichnete die Flüchtlingskrise als "eine ganz entscheidende Nagelprobe für die Europäische Union". "Daher werde ich den Druck, auch wenn es um finanzielle Fragen geht, wenn es um den Finanzrahmen oder um die Evaluierung des Finanzrahmens geht, weiter erhöhen, gemeinsam mit jenen Ländern, die der Meinung sind, Solidarität ist keine Einbahnstraße." Er "möchte nicht, dass die Europäische Union irgendwann nur noch ein unverbindliches Treffen wird", stellte Faymann klar.
Tschechien reagierte empört auf die Drohung Faymanns mit der Finanz-Keule. "Ich bin erstaunt, dass wir noch immer Dinge ohne juristische Basis besprechen", schrieb der tschechische Europastaatssekretär Tomas Prouza am Donnerstag auf Twitter. Das sei keine Art, mit Nachbarn umzugehen und auf deren "legitime Sorgen" zu antworten.
Archiv-Video: Grenzzäune für Faymann "allerletzter Ausweg"
Lesen Sie auch:
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.