Ismet und Emina Lakota kamen mit ihren Kindern, der heute zwölfjährigen Sara und dem mittlerweile 20-jährigen Edin, 2002 nach Österreich und stellten Asylanträge. Sie leben seither in Linz. Beide Elternteile hätten gearbeitet und freiwillig die Deutsch-Integrationsprüfung abgelegt, sagte SPÖ-Landtagsabgeordnete Gertraud Jahn, gleichzeitig Sprecherin der Plattform der "Bürgerinitiativen für gut integrierte AsylwerberInnen", als sie die Familie den versammelten Reportern vorstellte.
Tochter Sara besucht die Schule, der Sohn möchte eine Lehre machen, konnte das bisher aber wegen seines unklaren Aufenthaltsstatus nicht. Nun stehe die Familie vor der Abschiebung, die voraussichtlich innerhalb eines Monats erfolgen werde.
Sicherheitsdirektion forderte Abschiebung
"Ich kann der Familie mit rechtlichen Mitteln nicht mehr helfen", sagte Blum. Der Asylantrag sei durch drei Instanzen gegangen. "Es gab keine Folgeanträge und keine Winkelzüge von Juristen", betonte der Anwalt. Nun liege aber eine Stellungnahme der Sicherheitsdirektion vor, wonach fremdenpolizeiliche Maßnahmen zulässig seien. Pikant: Die oberösterreichische Polizei sieht sich auch im Fall der abgeschobenen Zwillinge aus dem Kosovo mit heftiger Kritik konfrontiert, weil sie - trotz amtlicher Empfehlung aus dem Magistrat - eine Außerlandesbringung forderte (siehe Bericht: "Zwillinge dürfen nach Österreich zurückkehren" in der Infobox).
Die Stellungnahme der Sicherheitsdirektion verpflichte jedenfalls die Fremdenpolizei zu handeln, schilderte Anwalt Helmut Blum weiter. Er habe von der Stellungnahme erst am Freitag erfahren, die Begründung für die negative Entscheidung kenne er daher noch nicht. Sehr häufig werde aber argumentiert, dass Integrationsschritte im Wissen, dass man nicht bleiben könne, getroffen worden seien und damit nicht angerechnet würden.
"Ich fühle mich, als wäre ich hier geboren"
"Ich würde es sehr schade finden, wenn ich meine Schulausbildung nicht in Österreich fertigmachen könnte", sagte die zwölfjährige Sara in perfektem Hochdeutsch und unter Tränen. Sie spreche kaum mazedonisch. Außerdem habe sie Schilddrüsenprobleme und müsste deshalb im Dezember noch einmal zur Behandlung: "Wenn wir abgeschoben werden, kann ich da nicht mehr hingehen."
Ihr Bruder schilderte, dass die Familie nicht damit gerechnet habe, Österreich wieder verlassen zu müssen. "Ich fühle mich, als wäre ich hier geboren." Seine Freundin Julia - sie ist Österreicherin - erzählte, sie sei seit zwei Jahren mit Edin liiert und wohne auch zeitweise bei der Familie. Sie wolle sich mit ihrem Freund demnächst verloben, "ich liebe ihn". In Mazedonien erwarte die Familie eine ungewisse Zukunft: "Die haben keine Unterkunft da unten." Die Familie verfüge in ihrem Herkunftsland über keinerlei Netzwerk, betonte auch Blum. Sämtliche Verwandte seien weggezogen, die Eltern des Ehepaares würden beispielsweise in der Schweiz bzw. in Serbien leben.
Ohne Arbeit kein Aufenthalt, ohne Aufenthalt keine Arbeit
Blum und Jahn übten indes heftige Kritik an der praktischen Handhabung des Bleiberechts. "Gute Integration zählt am wenigsten", meinte Jahn. In Oberösterreich sei heuer in zehn Fällen humanitäres Bleiberecht zuerkannt worden, österreichweit nur in 49. Beispielsweise in Wien stünden damit neun positiv erledigten Fällen 48 eingestellte Verfahren gegenüber. Das bedeute in der Regel, dass die Betroffenen in der Zwischenzeit abgeschoben wurden.
Dass das Niederlassungsverfahren keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Rückführung habe, empört alle NGOs. Die Gesetzgebung sei insgesamt viel zu verwirrend, so die Kritik, viele Betroffene würden im Kreis geschickt. "Man bekommt keine Arbeitsbewilligung ohne Aufenthaltstitel und keinen Aufenthalt ohne Arbeit", beschrieb Jahn das Dilemma vieler gut integrierter Asylwerber. "Die Familien Komani (mit den achtjährigen Zwillingen, Anm.) oder Lakota stehen exemplarisch für viele andere."
Blum fordert "Generallösung" für Altfälle
Die praktische Handhabung von Niederlassungsbewilligungen sei "sehr restriktiv", findet Blum. Falle der erstinstanzliche Bescheid negativ aus, würden ab diesem Zeitpunkt Integrationsschritte oft nicht mehr anerkannt, weil die Betroffenen ja wissen hätten müssen, dass sie nicht bleiben dürfen, erklärte er. Blum verlangte eine Gesetzesänderung und eine "Generallösung" für Altfälle. "Generalamnestie will ich nicht sagen, weil das ist etwas für Straftäter." Da der Asylgerichtshof diese Causen bis Ende 2010 abarbeiten wolle, werde es ohnehin bald keine Altfälle mehr geben.
Als Altfälle gelten all jene, die vor Mai 2004 nach Österreich gekommen sind und noch immer einer Entscheidung harren. Das sei eine "kleine, begrenzte und überschaubare Gruppe" von österreichweit 1.000 bis 1.500 Leuten, schätzt Jahn. Dem stünden jährlich 7.000 Arbeitskräfte gegenüber, die von der Wirtschaft aus neuen EU-Staaten nach Österreich geholt würden, "ohne in irgendein Kontingent zu fallen".
"Bei einer Baubewilligung geht das auch nicht"
Die NGOs fordern, dass keine Minderjährigen mehr in Schubhaft genommen werden und dass in jedem Bundesland eine Kommission - bestehend aus Vertretern des Innenministeriums, der Länder und der NGOs - eingesetzt wird, die "die Entscheidung komplett übertragen bekommt", so Christian Schörkhuber von der Volkshilfe-Flüchtlingsbetreuung. Außerdem verlange man einen sofortigen Abschiebestopp. Der Spruch "Recht muss Recht bleiben" könne nicht gelten, wenn das Gesetz selbst mangelhaft sei, kritisierte SOS-Menschenrechte-Geschäftsführer Christian Cakl. Es gebe Leute, die jahrelang auf einen Bescheid warten würden. "Bei einer Baubewilligung geht das auch nicht."
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