Bundeskanzler Werner Faymann hat am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" erklärt, dass es in der Flüchtlingskrise trotz zuletzt gesunkener Zahlen "keinen Grund zur Entspannung" gebe. Er bekräftigte, dass er keine "fiktive Stopptaste" drücken werde, und erklärte: "Eine konkrete Obergrenze für Flüchtlinge kann es nicht geben." Der SPÖ-Chef sprach sich erneut dafür aus, die innereuropäischen Asyl-Standards zu vereinheitlichen.
Gefragt, ob er in der Flüchtlingsfrage nach wie vor der Meinung von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel ("Wir schaffen das") sei, sagte Faymann: "Wir schaffen das nur, wenn wir in Europa auch das, was wir beschlossen haben, umsetzen." Es sei noch "eine Fülle zu tun": "Wir haben weder die Außengrenzen gesichert, noch funktionieren die "Hotspots" (die geplanten Erstaufnahmezentren an den Außengrenzen, Anm.), noch funktionieren die Rückführungsregelungen."
Nach der Einrichtung der "Hotspots" müsse gesichert sein, dass jene Flüchtlinge, die sich dort nicht registrieren und in ein anderes Land der EU weiterreisen und dann aufgegriffen werden, an eines dieser Zentren zurückgeführt werden. Von dort müsse dann die Verteilung innerhalb der Union erfolgen, so Faymann.
Sollte jemand schon einem EU-Staat zugeteilt sein und auf eigene Faust in einen anderen EU-Staat aufbrechen, dann müsse er ebenfalls in das ihm zugeteilte Land rückgeführt werden, betonte der Kanzler: "Die Außengrenze soll so gesichert werden, dass jeder in unsere Aufnahmezentren muss. Wenn sich jemand vorbeischwindelt, darf er nicht belohnt werden, indem er sich selber aussucht, wo er hingeht - und die anderen warten auf die Verteilung. Da würde ja der, der sich an was hält, übrig bleiben."
Erneut Solidarität von östlichen EU-Staaten gefordert
Einmal mehr forderte der Kanzler Solidarität auch von den östlichen EU-Ländern ein: Es könne nicht die Lösung sein, dass wie bisher drei Staaten - nämlich Deutschland, Schweden und Österreich - den Großteil der Flüchtlinge aufnehmen: "Das geht so nicht weiter." "Bei 500 Millionen Menschen innerhalb der EU schaut die Zahl von eineinhalb Millionen Menschen (die der Flüchtlinge, Anm.) gleich viel kleiner aus, als wenn man das auf drei Länder verteilt." Erneut stellte Faymann die Drohung von Kürzungen der Fördermittel für jene EU-Mitgliedsländer in den Raum, die sich in der Flüchtlingsfrage nicht solidarisch verhalten.
Gegen "fiktive Stopptaste" bei Flüchtlingsströmen
Gefragt nach einer "Obergrenze" bei der Aufnahme von Flüchtlingen sagte Faymann, es könne keine "fiktive Stopptaste" und auch "keine konkrete Obergrenze" geben. Es müssten vielmehr konkrete Maßnahmen zur Reduktion der Flüchtlingszahlen getroffen werden: "Jeder von uns sagt, Schweden, Deutschland, Österreich können diese hohen Flüchtlingszahlen nicht alleine bewältigen." Die Frage sei, was man konkret tut: "Wer eine Reduktion will und wer will, dass der Satz der deutschen Kanzlerin 'Wir schaffen das' auch Realität wird, der muss dafür sein, dass es Europa gemeinsam unternimmt: die Frage der Aufteilung, die Frage der Grenzsicherung und die gemeinsame Politik in Syrien."
"Eine andere Art von Obergrenze als die durch ganz konkrete politische Maßnahmen, die kann es nicht geben", betonte Faymann. Das Einzäunen von Österreich werde das Problem nicht lösen. Zu Kontrolleinrichtungen sage er ja, aber: "Ich habe niemanden versprochen, dass ich das Flüchtlingsproblem löse, indem ich einen Zaun um Österreich baue. Das ist ein Unsinn. Und jetzt verspreche ich auch nicht eine Stopptaste, auf die wir dann gemeinsam als Bundesregierung alle draufdrücken und sagen: 'Jetzt ist Schluss, die Leute sollen bitte wieder umdrehen, nach Hause gehen, in Frieden leben'. Sondern ich verspreche, dass wir uns dafür einsetzen, dass weniger kommen, weil wir vor Ort mehr machen."
ÖVP über "Schwenk" erfreut, FPÖ ortet "Träumereien"
Die ÖVP sieht in den Aussagen von Faymann zur Flüchtlingspolitik einen "Schwenk" in die richtige Richtung: "Der Bundeskanzler-Schwenk kommt zwar verspätet, ist aber dafür umso erfreulicher", meinte Generalsekretär Peter McDonald. Zustimmung zu Faymanns Streben nach einer EU-weiten Lösung kam von den Grünen, die FPÖ hingegen sprach von "Träumereien".
Archiv-Video: Grenzzäune für Faymann "allerletzter Ausweg"
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