Faymann sagte in einem am Samstag erschienenen Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel": "Orban handelt unverantwortlich, wenn er jeden zum Wirtschaftsflüchtling erklärt. Er betreibt bewusst eine Politik der Abschreckung. Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem Glauben, sie würden ganz woanders hinfahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres Kontinents."
Faymann spielte damit offenbar auf die Deportationen in der Zeit des Nationalsozialismus an. "Der Spiegel" titelte in der Nacht auf Samstag in einer Aussendung zu dem Interview mit den Worten: "Österreichs Kanzler Faymann vergleicht Orbans Flüchtlingspolitik mit Holocaust." Das Wort Holocaust hatte Faymann in dem Interview jedoch nicht in den Mund genommen.
Ansonsten hielt sich der Kanzler mit seiner Kritik jedoch nicht zurück und gab sich deutlich wie selten zuvor: "Wir müssen verhindern, dass diejenigen, die sich wegducken, am Ende gewinnen", so Faymann in dem Interview weiter.
Ungarn ortet "unverantwortlichen Amoklauf" Faymanns
Ungarns Außenminister Peter Szijjarto reagierte scharf auf die Kritik. Man weise die Aussagen des Kanzlers "entschieden zurück" und verbitte sich solche Äußerungen, sagte Szijjarto am Samstag der staatlichen ungarischen Nachrichtenagentur MTI. Faymanns Worte seien "eines führenden Politikers im 21. Jahrhundert unwürdig".
Österreichs Regierungschef betreibe seit Wochen eine "Lügenkampagne" gegen Ungarn, obwohl das Land alle EU-Regeln beachte und eine effiziente gemeinsame europäische Lösung für die Flüchtlingskrise suche. Erschwert werde dies dadurch, dass Politiker wie Faymann mit verantwortungslosen Äußerungen bei "Wirtschaftsflüchtlingen" Illusionen und "Träume ohne Grundlage" weckten. Faymanns "Amoklauf" sei "unverantwortlich" und offenbare seine Unfähigkeit. Diplomaten teilten zudem mit, aufgrund der Aussagen des Kanzlers sei der österreichische Botschafter in Ungarn, Ralph Scheide, für Montag ins Außenministerium in Budapest beordert worden.
"Zynischer Trick der Regierung" sorgte für massiven Wirbel
Faymanns Worte beziehen sich u.a. auf die Vorgänge, die sich vor rund einer Woche in Ungarn zugetragen hatten: Hunderte Flüchtlinge waren in einen Zug gestiegen, der von Budapest angeblich in Richtung der österreichischen Grenze fahren sollte. Stattdessen stoppten die ungarischen Behörden den Zug nach kurzer Fahrt in der Stadt Bicske 40 Kilometer westlich der Hauptstadt, um die Insassen in ein Flüchtlingslager zu bringen. "Ich denke, das war ein sehr zynischer Trick der Regierung", kommentierte damals ein freiwilliger Helfer die Vorgänge. Am Bahnhof von Bicske spielten sich dann dramatische Szenen ab, Hunderte Menschen weigerten sich über Stunden, auszusteigen.
Ungarn errichtete zudem in den vergangenen Wochen einen Stacheldrahtzaun an seiner Grenze zu Serbien, um Flüchtlinge abzuhalten. Die Strafgesetze wurden verschärft, auf "illegalen Grenzübertritt" drohen künftig bis zu drei Jahre Haft. Außerdem nutzt Orban jede Gelegenheit, um gegen Flüchtlinge zu wettern - zuletzt erklärte er am Samstag, dass es kein Grundrecht auf ein besseres Leben gäbe.
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