EU-Großprojekte

Fischer ratifizierte ESM-Vertrag und Fiskalpakt

Österreich
17.07.2012 12:43
Bundespräsident Heinz Fischer hat am Dienstag den Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und den Fiskalpakt unterzeichnet. Die Ratifizierung erfolgte "auf Basis der einschlägigen Bestimmungen der österreichischen Bundesverfassung und nach sorgfältiger Prüfung aller Gesichtspunkte", teilte Fischer per Aussendung mit. Nach dem vorangegangenen Beschluss im Parlament ist damit die letzte Hürde für das Inkrafttreten beider Vorhaben in Österreich genommen.

Der Bundespräsident begründete seine Unterschrift mit folgenden Worten: "Überzeugende oder gar zwingende Gründe, die im Sinne der herrschenden Staatsrechtslehre eine Verweigerung der Ratifizierung erforderlich machen würden, nämlich offenkundige Verfassungswidrigkeit in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht, liegen nicht vor."

Fischer hält in seiner Aussendung zudem fest, dass eine Verstärkung der finanzpolitischen Zusammenarbeit zwischen den Euro-Staaten unverzichtbar sei, um die Krise zu überwinden und die europäische Wirtschaft aus ihrer schwierigen Situation herauszuführen. Für den Präsidenten stellen ESM und Fiskalpakt zwei Elemente eines "umfassenden Euro-Stabilisierungspaketes" dar.

Ende der europäischen Schuldenpolitik als Ziel
Der permanente Rettungsschirm ESM umfasst eine österreichische Beteiligung von rund 2,2 Milliarden Euro in Cash sowie weiteren 17,3 Milliarden Euro an Garantien. Ziel des ESM ist, Euro-Krisenstaaten wie Griechenland vor einem Kollaps durch unbezahlbar hohe Anleihezinsen zu schützen.

Der Fiskalpakt wiederum soll ein Ende der Schuldenpolitik in Europa bringen. Angestrebt werden nahezu ausgeglichene Budgets. Das jährliche strukturelle - also um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigte - Defizit eines Landes darf 0,5 Prozent der Wirtschaftskraft nicht übersteigen.

Opposition bemüht Verfassungsgerichtshof
Fischer erklärte in der Aussendung auch, dass die von der Opposition gewünschte und in Vorbereitung befindliche Überprüfung der Euro-Rettung durch den Verfassungsgerichtshof nur dann möglich sei, wenn der Bundespräsident das Ratifikationsverfahren durch seine Unterschrift abgeschlossen hat.

Er wies in diesem Zusammenhang neuerlich auf die unterschiedliche Rechtslage in Österreich und Deutschland hin. Im Gegensatz zu Deutschland, wo der Bundespräsident mit der Ratifizierung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes warten kann, sei in Österreich die Ratifizierung durch den Bundespräsidenten die Voraussetzung für eine Befassung des Verfassungsgerichtshofes.

FPÖ: "Fischer hat sich endgültig disqualifiziert"
Scharfe Kritik an der Ratifizierung von ESM und Fiskalpakt kam erwartungsgemäß von der FPÖ und dem BZÖ. FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache meinte, Fischer habe sich damit "als oberster Hüter der Verfassung endgültig disqualifiziert". Der Bundespräsident hätte sich bereits im Vorfeld der Abstimmung im Nationalrat für eine Volksabstimmung sowohl über den ESM als auch über den Fiskalpakt aussprechen müssen. Strache kritisierte, dass beide Projekte den EU-Mitgliedern ihre Budgethoheit rauben und eine "EU-Finanzdiktatur" installieren würden.

Die FPÖ will daher gemeinsam mit den Grünen und dem BZÖ eine Verfassungsklage gegen den Fiskalpakt einbringen. Der Text soll über den Sommer von drei von den Parteien nominierten Rechtsanwälten ausformuliert werden. Außerdem ist eine blaue Verfassungsklage sowohl gegen den Fiskalpakt als auch gegen den ESM (dieser wird von den Grünen mitgetragen, von FPÖ und BZÖ aber abgelehnt) über die Kärntner Landesregierung vorgesehen.

BZÖ: "Beweis für Überflüssigkeit" des Präsidenten
Für BZÖ-Obmann Josef Bucher ist die Unterzeichnung von ESM und Fiskalpakt durch den Bundespräsidenten "ein erneuter Beweis für die Überflüssigkeit dieses Amtes". Fischer habe offenbar nicht die Kompetenz, mögliche Zahlungsverpflichtungen der österreichischen Steuerzahler in Ausmaß von 20 Milliarden Euro an EU-Pleiteländer zu verhindern und die heimische Bevölkerung damit zu schützen.

Den Verweis des Bundespräsidenten auf die kommende Verfassungsklage der Opposition gegen den Fiskalpakt interpretierte Bucher als Zeichen dafür, wie unangenehm dem Bundespräsidenten die Entscheidung zur Unterzeichnung gewesen sei. Wie eben in Deutschland gehandhabt, forderte Bucher die Möglichkeit einer Vorabprüfung von Staatsverträgen durch den Verfassungsgerichtshof vor der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten. Das BZÖ werde dazu im Herbst parlamentarische Initiativen setzen.

Grüne: "Fortsetzung der Politik im Ausnahmezustand"
Die Grünen zeigten sich über die Unterschrift Fischers enttäuscht. "Die Sparpolitik nach deutschem Wunsch und Muster, wie sie im Fiskalpakt angelegt ist, stellt nach diesem enttäuschenden Vorgehen des Bundespräsidenten eine Fortsetzung der Politik im Ausnahmenzustand dar", kritisierte Vizeklubchef Werner Kogler. Er warf Fischer vor, mit seiner "unzureichenden" Begründung auch die Bedenken von NGOs und Verfassungsexperten zu übergehen.

Anders als FPÖ und BZÖ, die neben dem Fiskalpakt auch den ESM ablehnen, meinte Kogler allerdings, die beiden Materien seien "verfassungspolitisch nicht über einen Kamm zu scheren". Beim ESM hätten die Grünen dafür gesorgt, dass die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen würden. Beim Fiskalpakt habe die Regierung dies jedoch unterlassen: "Damit findet in Sachen Fiskalpakt nach der Flucht aus den EU-Verträgen nun auch eine Flucht aus dem österreichischen Verfassungsrahmen statt."

Beide EU-Großprojekte derzeit noch in der Warteschleife
Allerdings: Bisher befinden sich sowohl der Europäische Stabilitätsmechanismus als auch der Fiskalpakt noch in der Warteschleife. Eigentlich hätte der ESM bereits mit Anfang Juli starten sollen. Doch weil das deutsche Verfassungsgericht erst am 12. September über die Zulässigkeit von Rettungsschirm und Fiskalpakt entscheiden wird, musste der Start bis dahin verschoben werden.

Und auch der Fiskalpakt ist formal noch nicht in Kraft getreten. Dies ist erst möglich, wenn zwölf der insgesamt 25 Vertragsstaaten (alle EU-Länder außer Großbritannien und Tschechien) den Vertrag ratifiziert haben. Mit Österreich ist allerdings erst der siebente Vertragspartner an Bord.

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