Der Flüchtlingsstreit zwischen Österreich und Griechenland hat am Donnerstag die nächste Eskalationsstufe erreicht: Die griechische Botschafterin in Wien, Chryssoula Aliferi, wird aus Österreich abgezogen, teilte das Außenministerium in Athen mit. Dem Vernehmen nach soll mit ihr "Rücksprache" wegen der Flüchtlingskrise und der aktuellen Vorgänge in einigen EU-Staaten gehalten werden. Alleingänge einzelner Mitgliedsstaaten könnten "die Grundlage und den Prozess der europäischen Integration unterlaufen", so das griechische Außenministerium.
Ohne konkreten Verweis auf Wien heißt es in der Erklärung weiter, die großen Probleme der EU könne man nicht durch Denken und Handeln lösen, das im 19. Jahrhundert wurzle. Auch dürften wesentliche Entscheidungen von Staatschefs nicht durch Anweisungen von Polizeidirektoren ersetzt werden. Die EU müsse "vor einigen Beteiligten geschützt werden, die historisch ahnungslos sind".
In den vergangenen Tagen hatten sich die Ereignisse überschlagen. Nach dem Anlaufen der Tageskontingente für Flüchtlinge an Österreichs Südgrenzen geriet die österreichische Bundesregierung ins Kreuzfeuer der Kritik aus Brüssel, Berlin und Athen. Als dann am Mittwoch auch noch ein Flüchtlingsgipfel mit den Westbalkanstaaten in Wien ohne Anwesenheit Griechenlands, das am Beginn der Balkan-Route liegt, abgehalten wurde, reagierte Athen mit einer diplomatischen Note.
"Einseitiger und absolut nicht freundschaftlicher Akt"
In dem Protestschreiben an die Regierung in Wien wurde die Konferenz als "einseitig und absolut kein freundschaftlicher Akt" bezeichnet. Mit dem Gipfel werde versucht, ohne die Beteiligung Griechenlands Entscheidungen zu treffen, die Griechenland und seine Grenzen direkt betreffen, hieß es weiter. Einen entsprechenden Protest habe auch die griechische Botschafterin in Wien dem Außenministerium übergeben, hieß es.
Kühle Reaktion auf Abberufung in Wien
Das Außenministerium in Wien reagierte kühl auf den Rückruf der Diplomatin. "Österreich kann die Anspannung in Griechenland nachvollziehen, nachdem der Druck auf das Land steigt, an einer Eindämmung des Flüchtlingsstroms mitzuwirken", hieß es am Mittwoch in einer Stellungnahme. Es sei das gute Rechte jedes Landes, seine Diplomaten zurückzurufen. Man hoffe nun auf ein Umdenken der Griechen, hieß es weiter. "Wir sehen in diesem Fall eine Chance, dass die Botschafterin die griechischen Verantwortlichen über die Situation und die Herausforderungen für die Zielländer der Flüchtlingsroute wie Österreich informiert", wurde betont. Griechenland müsse dazu beitragen, die Zahl der nach Norden reisenden Flüchtlinge zu reduzieren.
Mikl-Leitner: "Es bewegt sich endlich etwas"
Wenig später meinte Mikl-Leitner am Rande des EU-Innenministertreffens, die Entwicklung in Athen zeige "ja nur, dass sich endlich etwas bewegt. Es bleibt jedenfalls dabei, dass ich nicht akzeptiere kann, dass dauerhaft zu uns durchgewunken wird. Ich bin österreichische Innenministerin und daher in erster Linie für die Sicherheit und Ordnung in Österreich verantwortlich", stellte sie klar.
Flüchtlingsandrang stürzt Griechenland ins Chaos
Der Flüchtlingsandrang stürzt Griechenland derzeit zunehmend ins Chaos. Die griechisch-mazedonische Grenze wird zu einem Nadelöhr: Nur noch wenigen Syrern und Irakern wird die Weiterreise nach Mitteleuropa erlaubt, zwischendurch wird die Grenze komplett geschlossen. Hunderte verzweifelte Migranten haben sich am Donnerstag zu Fuß auf den Weg von Mittelgriechenland zur rund 200 Kilometer nördlich liegenden Grenze zu Mazedonien bei Idomeni-Gevgelija auf den Weg gemacht. Frauen mit Kleinkindern auf dem Arm marschierten auf der Autobahn-Fahrbahn in der gefährlichen, engen Schlucht von Tempi nahe Larisa, wie auf Fernsehbildern zu sehen war.
Die Polizei versuchte, sie daran zu hindern, daraufhin begannen die Flüchtlinge einen Sitzstreik auf der Fahrbahn. Auf der wichtigen Fernstraße E75 bildete sich ein riesiger Stau, berichtete das Staatsfernsehen weiter. Auch im Auffanglager von Diavata nahe Thessaloniki kam es zu Protesten. Migranten rissen einen Teil des Zauns herunter und machten sich auf den Weg Richtung Grenzen, berichteten Augenzeugen im Rundfunk.
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