Nachruf

Hans Dichand – ein Leben für die Kronen Zeitung

Österreich
18.06.2010 10:58
Hans Dichand, der Herausgeber der Kronen Zeitung, ist am Donnerstag im 90. Lebensjahr im Kreis seiner Familie im Krankenhaus gestorben. Mit ihm verliert die österreichische Medienlandschaft ihre prägendste Persönlichkeit. Ernst Trost, Dichand-Begleiter der ersten Stunde und bis heute mit seiner Kolumne "Was dahinter steckt" täglich in der "Krone" vertreten, erinnert in einem persönlichen Nachruf an das Leben Hans Dichands.

Wir müssen Abschied nehmen. Er wollte das nie tun, so etwas lag nicht im Vorstellungsbereich Hans Dichands. Es sollte immer so weitergehen. Kaum wo hat er mehr Zeit verbracht als in seinem kleinen Büro im 16. Stock des Pressehauses. Die Zeitung war sein Leben.

Als Setzerlehrling hatte er begonnen, als der wohl erfolgreichste Blattmacher ist er in die österreichische Pressegeschichte eingegangen. Unter ihm stieg die Grazer "Kleine Zeitung" zur größten Bundesländerzeitung auf. Ich erlebte den stolzen Tag, als wir 1958 unter den Kopf des "Neuen Kuriers" "Österreichs größte Tageszeitung" schreiben konnten. Und nicht einmal ein Jahr danach musste Hans Dichand wieder von vorne beginnen. Mit dem abenteuerlichen Projekt der "Kronen Zeitung". Nur wenige haben daran geglaubt. Sein Optimismus war unerschütterlich. Mit Zähigkeit, Härte und viel Fantasie erreichte er sein Ziel. Es waren oft stürmische Zeiten, aber er hat den Mut und den Glauben an seine Fähigkeiten, den besten und direktesten Draht zum Leser zu finden, nie verloren. So wurde aus seiner "Krone", was sie heute ist.

Viel wird jetzt wieder über die Macht geredet und geschrieben werden, die Hans Dichand in diesem Land verkörpert hat. Er hat sie gerne verleugnet. Und oft projizierten die Politiker mehr Macht in ihn hinein, als er wollte oder hatte. In der direkten Begegnung konnte er ein sehr einfacher, bescheidener Mensch sein, fast ein wenig schüchtern. Alles offizielle Getue, Titel, Orden usw. waren ihm eher fremd. Manchmal gab es Momente, da schien er fast erstaunt darüber, was da geworden ist, was er geschaffen hat.

An einem Februartag 1954 stand ich ihm als 21-Jähriger nervös und unsicher zum ersten Mal gegenüber, in Graz in der Styria. Die Art, wie Dichand mich anblickte und anredete, nahm mir sofort jede Angst. Ähnlich hat er unzähligen jungen Menschen, die den Weg in den Journalismus suchten, eine Chance gegeben. Was jeder daraus machte, war dann seine Sache. Mehrere Generationen von Journalisten haben dank Dichand ihre Karriere begonnen, auch wenn manche später anderswo gelandet sind. Er hatte ein gutes Gespür für Talente. Und nichts schien ihm unmöglich.

Das hängt wohl mit seinen Anfängen zusammen. Als Kind (Jahrgang 1921) einer durch die Inflation verarmten Familie verlebte er eine ärmliche, aber doch ungebundene Jugend in einer Grazer Barackensiedlung am Murufer. Der junge Hans war voll von Träumen und Tatendrang. Weil er zuerst keinen Weg zu einer Zeitung fand, begann er eine Setzerlehre. Es dürfte sein Fernweh gewesen sein, dass er sich nach Kriegsausbruch freiwillig zur Marine meldete. Nach bewegten Jahren kehrte er 1945 aus kurzer Gefangenschaft nach Graz zurück und bewarb sich beim Britischen Nachrichtendienst als Redakteur. Vorher hatte er im Lexikon die genaue Definition dieses Berufes nachgeschlagen. Er erhielt die Stelle und übersetzte BBC-Meldungen, die an die steirischen Zeitungen weitergeleitet wurden.

Bereits 1946 saß der 25-Jährige auf seinem ersten Chefredakteurssessel – bei der "Murtaler Zeitung" in Judenburg. Das war dann die Basis für ihn, um nach Wien zur "Neuen Österreichischen Tageszeitung" (ÖVP) zu übersiedeln. Dort machte er zusammen mit dem jungen Hugo Portisch die Außenpolitik – bis ihm 1949 die Führung der unabhängigen "Kleinen Zeitung" in Graz angeboten wurde. Von dort holte man ihn 1949 wieder nach Wien, und er übernahm den "Neuen Kurier", das Nachfolgeblatt des amerikanischen "Wiener Kuriers". Eine Bedingung dafür war, dass sein Freund Portisch, damals beim Österreichischen Informationsdienst in New York, heimgeholt würde. "Eine Zeitung braucht einen Star, und das wird der Portisch sein", sagte uns Dichand, als er sich damals von seiner Grazer Redaktion verabschiedete.

1958 kam es zum Bruch mit "Kurier"-Besitzer Dr. Polsterer. Dichand wurde entlassen, und ihm folgten acht Getreue. Sie bildeten den Kern der künftigen "Kronen Zeitung". Dichand hatte mit seiner Abfindung den Titel erworben. Die Suche nach Geldgebern war jedoch ein quälend langer Prozess. So nahm Dichand schließlich das Angebot des ÖGB-Präsidenten Olah an und erhielt durch ihn einen Zwölf-Millionen-Schilling-Kredit. Durch Olah kam auch Kurt Falk als kaufmännischer Leiter ins Team. Als am Abend des 11. April 1959 die Rotationsmaschine in Fritz Moldens altem Pressehaus am Fleischmarkt die ersten "Kronen Zeitungs"-Blätter ausspuckte, erschien es Dichand und uns allen wie ein Wunder. Von Anfang an verlangte Dichand, dass sich die "Krone" von allen übrigen Zeitungen deutlich unterschied. So begann nach einigen harten Jahren der unaufhaltsame Aufstieg, und auf einmal war die "Krone" die Größte. Die Rekordauflagen und -gewinne haben Dichand aber kaum verändert. Früher brach er dann und wann auch gerne aus dem Redaktionsalltag aus. So schuf er sich seine Kunstsammlung. Oder seine Leidenschaft für Paris. Wie einer, der dort daheim war, wirkte er, wenn er durch das Quartier Latin streifte. Als wir nach seinem Paris-Buch einen Film drehten, führte er uns in die verborgensten Winkel der Stadt. Nach Drehschluss lud er die ganze Truppe zu einem Essen in einem gemütlichen Bistro ein. Und dabei war er nicht der große Chef, sondern immer einer von uns.

Das dürfte eines der Geheimnisse des Hans Dichand sein. Er blickte nicht über die Köpfe der Massen hinweg. Er wollte nie einer von denen da oben sein. So bewahrte er sich ein sicheres Empfinden dafür, was die Menschen fühlten und wünschten, wonach sie sich sehnten, was sie bedrückte und worüber sie sich aufregten und ärgerten. Früher als die meisten Politiker erspürte er die Regungen der Volksseele und reagierte darauf. So war es nur natürlich, dass er sich mit der "Krone" voll hinter den Kampf um die Rettung der Donauauen bei Hainburg stellte und fortan ein offenes Ohr und ein weites Herz für die Anliegen der Umweltbewegung hatte. Noch eines bestimmte sein Denken – die hohe Achtung vor Religionen und Kirchen.

In jüngeren Jahren stimmte Dichand in gemütlicher Runde gerne eines seiner Lieblingslieder an: "Auf einem Seemannsgrab blühen keine Rosen." In Tagen der Rosenblüte ist er nun von uns gegangen.

von Ernst Trost, Kronen Zeitung


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