Die Wucht der Emotionen ist Neuland für die 53-jährige Ministerin: "Ich hatte schon einmal eine Morddrohung per Telefon. Aber was sich da auf Facebook abgespielt hat, war weit ärger!", schildert sie die Situation: "Ich hab das eigentlich augenzwinkernd gepostet - sogar mit einem Smiley - und mir gedacht: Na, da kommen aber ganz schön viele Reaktionen. Dann bin ich schnell weiß und weißer geworden beim Lesen der Hasstiraden. Ich war echt geschockt. Dabei bin ich aus Konfrontationen und vom Wahlkampf einiges gewohnt. Meine Mitarbeiterinnen haben mir dann verboten weiterzulesen."
"Krone": Haben Sie etwas falsch gemacht? War der Ton vielleicht zu belehrend für ein soziales Medium?
Gabriele Heinisch-Hosek: Im Nachhinein ist man immer klüger. Vielleicht hätte man es auch anders formulieren können, aber es war nicht belehrend gemeint. Ich werde auch weiter posten.
"Krone": Erstaunt es Sie nicht, wie viele Menschen die neue "Töchter"-Version einfach nicht mögen? Darunter auch sehr viele Frauen. Auch ich als Frau finde die alte Version eindeutig sympathischer und habe mich dadurch nie diskrimiert gefühlt. Es war doch jedem klar, dass "Söhne" als Synonym für "Menschen" zu verstehen ist?"
Heinisch-Hosek: Ich bleibe dabei: Sprache hat auch die Aufgabe sichtbar zu machen. Und ich will, dass sich Frauen in der Hymne wiederfinden.
"Krone": Andreas Gabalier hat eine Abstimmung über die Hymne vorgeschlagen.
Heinisch-Hosek: Das lehne ich ab. Da will ich keinen Schritt zurück machen. Mir sind die Töchter wichtig. Und ich glaube, wir haben wirklich drängendere Probleme.
"Krone": Über diese Themen würden die Menschen ohnehin auch gern abstimmen. Aber das lässt man sie ja nicht. Beim ESM hat Bundespräsident Heinz Fischer wissen lassen, dass sich komplexere Themen nicht zur Abstimmung eignen. Jetzt hätten wir ein einfaches Thema! Glauben Sie nicht, dass die Leute einfach auch sauer sind, weil sie permanent übergangen werden?
Heinisch-Hosek: Wir haben ein funktionierendes Parlament. Da wird niemand übergangen.
"Krone": Soll die dritte Strophe auch umgetextet werden: "Einig lasst in Bruderchören, Vaterland Dir Treue schwören"?
Heinisch-Hosek: Die Bruderchöre wurden eh schon zu Jubel-Chören. OK, das Vaterland ist geblieben.
"Krone": Und die Europahymne? "Alle Menschen werden Brüder". Das wollen Sie nicht ändern?
Heinisch-Hosek: Sie wollen Schiller umtexten?
"Krone": Paula von Preradovic hat man ja auch umgetextet. Traut man sich bei einer Frau mehr?
Heinisch-Hosek: Egal ob Mann oder Frau. Darum geht es dabei nicht. Es geht um unsere Hymne. Und wie ich gesagt habe: Ich will, dass sich auch die Frauen darin wiederfinden.
"Krone": Am Wochenende beim Donauinselfest wurde an einem Stand der FSG, der "Fraktion sozialdemokratischer GewerkschafterInnen", ein Getränk namens "Haxenspreizer" mit entsprechender Illustration angeboten. Das Binnen-i im Namen hält man dort ein, aber...
Heinisch-Hosek: Sie brauchen nicht weitersprechen. Da kann ich nur geistig die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Ich finde das ganz furchtbar und werde die KollegInnen kontaktieren.
"Krone": Sie halten das Binnen-i auch im Gespräch konsequent ein. Manchmal glaubt man im ersten Moment, sie reden nur von Frauen.
Heinisch-Hosek: Ich will, dass sich Frauen in unserer Sprache wiederfinden. Das ist ein Teil von Bewußtseinsbildung.
"Krone": Wir haben beim Hereinkommen ausschließlich weibliche Mitarbeiter angetroffen. Bis auf den Portier. Ist das Absicht?
Heinisch-Hosek (lacht): Nein, bei uns arbeiten schon auch Männer.
"Krone": Sie sind eigentlich nicht zu beneiden. Auch vor dem Shitstorm schon ein Problem nach dem anderen: Zuerst mussten Sie nach einem Aufschrei der Öffentlichkeit die Einsparungen bei den Schulstunden zurücknehmen, dann das Bifi-Datenleck, der Pisa-Stopp, usw. Haben Sie nie an Rücktritt gedacht?
Heinisch-Hosek: Nein. Aber ich habe mir die Strukturen einfacher vorgestellt: neun Bundesländerinteressen, Lehrer, Schüler, Eltern. Aber da sind wir jetzt auf einem guten Weg zu einer gemeinsamen Zieldefinition.
"Krone": Wurden Sie selbst je als Frau diskriminiert?
Heinisch-Hosek: Als Bundespolitikerin nicht. Aber anfangs in der Kommunalpolitik in den frühen 90ern in Guntramsdorf gab es schon die Belächler: 'Na, die schau' ma uns jetzt an!' Aber ich war nie auf den Mund gefallen.
"Krone": Aber Quoten oder Gleichbehandlungsgesetz haben Sie nie gebraucht?
Heinisch-Hosek: Nein, aber Quoten sind ein wichtiges Instrument zum Ausgleich. Sie sollten aber nur eine Übergangslösung sein, bis akzeptable Relationen hergestellt sind.
"Krone": Sie tragen ein kleines goldenes Kreuz. Ungewöhnlich unter Sozialdemokraten...
Heinisch-Hosek: Eigentlich bin ich ohne Bekenntnis. Das ist das Kreuz meines verstorben Patensohns Andre. Er war ein Baby, als er solange geschüttelt wurde, bis er schwerst behindert war. Als er drei war, haben mein Mann und ich die Patenschaft übernommen. Tageweise bekamen wir ihn - sogar nach Hause. Andre hatte einen schweren Lungenschaden, und es musste immer wieder abgesaugt werden. Wir wussten von Anfang an, dass er leider nicht überleben wird. Er ist 2005 mit sechs Jahren gestorben. Mein Mann und ich haben keine eigenen Kinder und wir sagen oft, dass wir nie eine bessere Zeit im Leben hatten, als diese drei Jahre mit ihm. Das Kreuz ist für mich ein guter Halt. Wenn es schwer wird, greif' ich immer hin.
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