Vor EU-Asylgipfel

Kanzler: Österreich wird keinem Druck weichen

Österreich
05.03.2016 16:17

Die EU rüstet zum großen Flüchtlingsgipfel, diesmal mit der Türkei, am Montag in Brüssel. Im ausführlichen Interview mit der Kronen Zeitung erläutert Bundeskanzler Werner Faymann die österreichische Position.

"Krone": Herr Bundeskanzler, kann auf dem Gipfel der Druck auf Österreich in einem Ausmaß steigen, dass wir unsere Haltung in der Flüchtlingsfrage ändern müssen?
Werner Faymann: Wir haben zwar nationale Maßnahmen gesetzt, aber wir werden an jeder europäischen Lösung mitarbeiten. Wenn es aber nur Absichtserklärungen gibt, bleiben wir hart. Wir wollen erst Resultate sehen, bevor wir uns auf etwas einlassen. Noch einmal: Wenn man eine europäische Lösung will, hat man Österreich als Partner, aber wir weichen keinem Druck.

"Krone": Kritik an unseren Maßnahmen verstummt nicht.
Faymann: Wenn man bedenkt, wie viele Beschlüsse schon gefasst wurden, dann haben wir recht gehandelt, uns nicht darauf zu verlassen. Es wurde im letzten Jahr keine Sicherung der EU-Außengrenze zustande gebracht, sodass eine Million durchgewinkt wurden. Wir mussten zusehen, wie es von Monat zu Monat schneller ging.

(Bild: ASSOCIATED PRESS)

"Krone": Die EU-Kommission schlägt nun einen Plan vor, der bis Jahresende die Wiederherstellung des Schengen-Systems, also auch die Wiederöffnung der Binnengrenzen erreichen soll.
Faymann: Mit den Beschlüssen und Resolutionen haben wir so unsere Erfahrung gemacht. Es ist noch immer Winter. Im Sommer werden wir dann wissen, ob weiterhin niemand über die Balkanroute kommt. Der August ist die Messlatte. Da werde ich vorsichtshalber nicht in den Urlaub fahren.

"Krone": Angela Merkel setzt auf die Türkei.
Faymann: Die Türkei hat bis jetzt keinen Vertrag unterschrieben und unterschreibt auch morgen keinen. Also: Man kann sich nicht darauf verlassen. Man kann sich eher darauf verlassen, dass auch Deutschland den Kurs anpassen wird.

"Krone": Sie kennen Angela Merkel besser als viele andere. Können Sie ihre Haltung nachvollziehen?
Faymann: Ich glaube, dass sie deshalb in die falsche Richtung geht, weil sie die Auswirkungen des Scheiterns einer europäischen Lösung nicht in Kauf nehmen will. Das will ich auch nicht. Wir aber haben uns entschlossen, alle aufzuwecken. Spätestens jetzt sollte sie erkennen, dass man die Balkanländer bei ihren Maßnahmen unterstützen muss. Wenn sie weiter aufnehmen will, muss sie diese Menschen holen, etwa von der UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR, aber sie kann nicht diese Zahl, die sie aufnehmen will, über Österreich marschieren lassen.

(Bild: APA/EPA/JAMAL NASRALLAH)

"Krone": Es ist irgendwie eine Schieflage, dass man Griechenland kritisiert, aber gegenüber der Türkei leisetritt, weil man sie braucht. Wir sind ja fast schon eine Geisel der Türkei. Je größer die Notlage der EU, desto höher wird der Preis der Türkei.
Faymann: Die EU muss ihre Außengrenze sichern. Wenn man es mit einem Nachbarn tun kann, umso besser. Aber die EU muss es auch alleine können. Sie kann nicht sagen, nur mit der Türkei. Wenn man es alleine zusammenbringt, hat man auch gegenüber der Türkei eine stärkere Position. Dann würde auch die Zusammenarbeit mit der Türkei besser funktionieren.

"Krone": Egal, wie ein Deal mit der Türkei aussieht, wir werden von dort Kontingente direkt übernehmen müssen und in der EU verteilen. Einige Staaten weigern sich. Werden die "Willigen" deren Quoten auch noch übernehmen müssen?
Faymann: Wir haben mit 37.500 eine Quote auf den Tisch gelegt, die erst ausgeschöpft wäre, wenn die EU zwei Millionen aufnimmt. So weit wird es nicht kommen. Deshalb ist ja die Kritik an uns so lächerlich. Ein Land, das im Vorjahr 90.000 aufnahm, hat bewiesen, dass es für Menschlichkeit etwas übrig hat. Wir haben die Aktion "Licht ins Dunkel". Wir haben in der Ungarnkrise, in der Jugoslawienkrise geholfen. Wir sind bei den Besten, wenn es ums Helfen geht, aber Österreich muss aussprechen, was es zu leisten in der Lage ist. Wenn wir nun kritisiert werden, würde ich mir einen Vorwurf machen, falls wir nicht geholfen hätten.

(Bild: APA/ERWIN SCHERIAU)

"Krone": Bei der Quotenfrage gibt es eine Staatengruppe, die sagt: "Ohne uns."
Faymann: Diese saß ja bisher in der Zuschauergalerie, solange das Aussuchen des Aufnahmelands möglich war. Aber sie kommen sofort in die Verantwortung, wenn wir etwa mit dem UNHCR über Aufnahmezahlen reden, die die EU verkraften möchte. Das wird eine neue Diskussion geben.

"Krone": Wie würde Österreich die Aufnahme organisieren?
Faymann: Mir wäre am liebsten, wir nehmen die Leute über den UNHCR. Die legale Einreise wäre uns hundertmal lieber, als sie stünden an unserer Grenze und wir müssten sie aufhalten.

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