Christian Kern sucht weiterhin offen die Konfrontation mit der FPÖ. Laut dem Kanzler hätten die Freiheitlichen überall in Österreich einen "Scherbenhaufen" hinterlassen. "Die Leistung der FPÖ ist nicht vorhanden und es ist zu fragen, was sie eigentlich geleistet hat", sagte Kern im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" vier Wochen nach seinem Amtsantritt. Bereits vor wenigen Tagen hatte es im Parlament die erste direkte Konfrontation zwischen Kern und FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache gegeben.
Kern fand zudem klare Worte für den von der FPÖ initiierten Besuch der Chefin des französischen Front National, Marine Le Pen, und für das Treffen europäischer Rechtspopulisten am Freitag in Vösendorf bei Wien. "Unsere Zukunft liegt in Europa. Wenn Parteien glauben, dass man das zerschlagen kann, warne ich nur: Das tut weder den Franzosen noch den Österreichern gut. Hier hängt ein Viertel der Jobs am Export. Wenn jemand sagt, wir wollen dieses Europa nicht, dann frage ich: Wie wollen Sie das den Menschen erklären, wenn sie ihre Arbeitsplätze verlieren?"
"Rechtspopulisten imitieren wäre größter Fehler"
Laut Kern gibt es eine Konfliktlinie in der Gesellschaft, die sich anhand kultureller Identitäten definiert und nicht mehr anhand der sozialen Frage. Es gebe einen massiven Wähleraustausch zwischen sozialdemokratischen Stammwählern und etwa der deutschen AfD, dem Front National oder der FPÖ, sagte Kern. Auf seiner Facebook-Seite warnte er freilich davor, Rechtspopulisten zu imitieren, um Mehrheiten zu erlangen. "Dies wäre strategisch der größte Fehler. Es ist wichtig, Auseinandersetzungen deutlich zu führen und nicht bloß vor Le Pen & Co. betreten auf den Boden zu schauen", so Kern.
Erschüttert zeigte sich Kern über den Mord an der proeuropäischen britischen Labour-Politikerin und Brexit-Gegnerin Jo Cox: "Das ist entsetzlich und nur ein weiterer Beweis dafür, dass aus der Gewalt der Worte schnell eine Gewalt der Taten wird", sagte der Kanzler. Mit ähnlichen Worten kritisierte er jüngst im Nationalrat die FPÖ. "In den sozialen Netzwerken entstehen Parallelwelten, in die Leute hineinkippen, die wir gar nicht mehr herausholen können", so Kern. "Wie holt man diese Menschen zurück, die nur noch an Lügenpresse und lügende Politiker glauben?"
Kritik an Europas Sozialdemokraten, Lob für Merkel
Der SPÖ-Parteichef nahm im Interview aber auch Europas Sozialdemokraten in die Pflicht. Diese hätten den Anschluss an gesellschaftliche Entwicklungen und die Hoheit über den Diskurs in der Gesellschaft verloren. Als Folge sei die Zahl sozialdemokratischer Parteiführer in Regierungsverantwortung deutlich kleiner geworden, sagte Kern. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise sagte er, dass das Handeln der deutschen Kanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr aus der damaligen Situation heraus berechtigt gewesen sei. Inzwischen versuche sie durch ihre Anstrengungen mit der Türkei, die Politik in andere Bahnen zu lenken.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.