Grazer Babyleichen

Lebenslänglich für die Todesmutter

Österreich
31.03.2006 18:47
„Das Gesetz sagt nicht, dass Eltern ihre Kinder lieben müssen, aber sie dürfen ihnen nicht wehtun.“ Mit diesen Worten schickte Staatsanwalt Winklhofer die Grazer Geschwornen in die Beratung. Drei Stunden später antworteten diese mit ihrem (nicht rechtskräftigen) Urteil: Lebenslang für Gertraud Arzberger (33). 15 Jahre Haft für ihren Lebensgefährten. Wegen Mordes an drei Neugeborenen.

Fünf tote Babys hatte der Staatsanwalt angeklagt. Die Geschwornen haben in ihrem Urteil allerdings diese Vorwürfe nicht vollends übernommen: Im Falle jenes angeblich 2000 geborenen Babys, dessen Leiche nie gefunden wurde, fällten sie einen Freispruch. Für sie gilt nicht als erwiesen, dass es diese Schwangerschaft jemals gegeben hat.

Der Tod des ersten der vier gefundenen Kinder fiel für sie unter den Paragrafen 79. "Tötung während oder unmittelbar nach der Geburt“. Er billigt der Mutter einen Ausnahmezustand unter dem Eindruck des Erlebnisses zu, und sieht nur einen Strafrahmen bis fünf Jahre vor.

In den drei anderen Fällen gab es kein Pardon mehr: Der Laiensenat entschied einstimmig auf Mord. Und hier wurde für Gertraud Arzberger der volle Strafrahmen ausgeschöpft.

15 Jahre für den Partner
Johannes Genser, ebenfalls wegen Mordes angeklagt, fasste 15 Jahre Haft aus. Schuldig in drei Fällen. "Er hat Gertraud Arzberger als vollwertige Arbeitskraft gebraucht, und sie wurde für ihn zur vollwertigen Mörderin", so der Staatsanwalt.

In keinem Fall billigten die Geschwornen den Angeklagten den Milderungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit zu.

Johannes Genser war als freier Mann zu diesem Prozess gekommen. Und war, wie er am ersten Prozesstag lässig bemerkte, überzeugt, ihn als freier Mann wieder zu verlassen. "Hätte ich etwas bemerkt, wir würden hier nicht sitzen", hatte er bis zuletzt beteuert.

Sofort nach der Urteilsverkündung wurde gegen ihn ein Haftbefehl erlassen und Genser in die Strafanstalt Jakomini überstellt.

Keine Emotionen bei Urteilsverkündung
Gertraud Arzberger hatte während des Prozesses oft geweint. Vor allem, wenn es um Details der Tötungen ging. Jetzt, als das Urteil gefällt wurde, blieb sie emotionslos. Keine Tränen. Kein Blick zu ihrem Lebensgefährten. Nichts. Leere - und Stille. Genser selbst nahm sein Urteil ebenfalls ruhig auf. Kein letzter Blick für die Frau, die ihm vier Kinder geboren und drei davon ermordet hat. Die Anwälte der beiden haben übrigens sofortige Berufung und Nichtigkeit angemeldet.

„…, werden wir zu Johannes Genser“
Der Saal leert sich. Und im Raum bleiben die Worte des Staatsanwaltes hängen, die er kurz vor der Urteilsberatung zu den Geschwornen sagte: "Und schauen sie sich die Fotos von den toten Babys noch einmal an. So furchtbar sie sind, sie sind Dokument der Grausamkeit. Und wenn wir jetzt wegschauen, werden wir zu Johannes Genser." 

Von Susi Hauenstein und Christoph Hartner, Kronen Zeitung
Bild (c) Jürgen Radspieler

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