Es war die Woche des Peter Hochegger. Am Mittwoch veröffentlicht "News" Auszüge aus 200.000 brisanten Telekom-Mails, die Geldflüsse auch an die ÖVP ans Licht bringen. Drahtzieher: Peter Hochegger. Am Donnerstag erscheint Hochegger dann vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, wirft ein paar Nebelgranaten und trägt höchstens zur Verdunkelung bei. Hauptsache, es knallt.
Als wir uns am Freitag in seinem Büro, nicht unweit vom "Moulin Rouge" entfernt, treffen, tritt gerade der deutsche Bundespräsident zurück, und Stunden später wird Hannes Kartnig zu fünf Jahren Haft und einer Geldstrafe von 6,5 Millionen Euro verurteilt.
Hochegger ist ein drahtiger Mann mit dunkelblauen Augen und einer zerfurchten Stirn. Am großen quadratischen Tisch, auf dem seine Assistentin Thunfisch- und Shrimps-Tramezzini sowie Vollkornbrötchen mit Gemüseaufstrichen arrangiert hat, sitzt er mit heiterer Gelassenheit vor einem Bild ganz in Grün. Auf dem Schreibtisch im Hintergrund brennt eine Kerze mit Kiwiduft.
"Die Toskana im Frühling", lächelt Hochegger. Das Gemälde stamme von seinem Freund, dem Maler Wolfgang Krenn. Hochegger mag Grün; er ist auch an zwei "grünen" Unternehmen beteiligt (Bio-Lebensmittel und erneuerbare Energie). Kein Wunder, dass er die Vollkornbrötchen wählt: "Im Fisch und Fleisch isst man die Stresshormone der Todesangst mit." Das sei energetisch sehr schädlich, man nehme mit solchen Nahrungsmitteln negative Energie auf.
Abgesehen von seinem Gesundheitsfaible (er macht jeden Morgen Atemübungen durch die sieben Chakren) hat der Mann ein gigantisches Zahlengedächtnis, schüttelt Jahreszahlen und Millionenbeträge nur so aus dem Handgelenk. Hocheggers Firmennetzwerk gilt als Epizentrum des politischen Erdbebens, das sich derzeit abspielt - von Konsequenzen wie im Fall Wulff oder Kartnig sind wir aber weit entfernt.
"Krone": Herr Hochegger, Sie waren anscheinend so was wie der "Zahlmeister der Republik". 38 Millionen Euro sollen in der Ära Schwarz-Blau allein von der Telekom an Honoraren und Provisionen über Ihre Firmen geflossen sein. Können Sie in einem Satz sagen wofür?
Peter Hochegger: Die Journalisten stellen das immer sehr verknappt dar. Die 38 Millionen, die bei der Telekom im Raum stehen, sind Honorare, die von 1997 bis 2009 an unsere Firmengruppe geflossen sind. Man darf nicht vergessen, dass wir in der Hochzeit 140 Mitarbeiter beschäftigt haben und dass bis zu 25 Mitarbeiter nur für Telekom und Mobilkom Austria gearbeitet haben. Da ist es logisch, dass über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren diese Honorarsumme zusammenkommt. Im besten Jahr haben wir eine Million Gewinn gemacht, das müssen Sie im Gesamtkontext sehen.
"Krone": Vor dem Untersuchungsausschuss haben Sie davon gesprochen, dass Sie "Stimmung" gemacht haben. Könnte man auch sagen, dass Sie Schmiergeld bezahlt haben?
Hochegger: Schmiergeld kann man dann in den Mund nehmen, wenn ich mir eine Gefälligkeit kaufe, und das war's nie. Die Telekom, die traditionell gute Beziehungen zu den Sozialdemokraten, aber auch zu den Grünen hatte, ist ja 2000 in einen Börsengang hineingeschickt worden, auf den sie überhaupt nicht vorbereitet war. Die Manager standen extrem unter Druck, weil die ÖVP auf der Seite der neuen Marktteilnehmer stand - UTA, Energieversorger, Raiffeisen. Da war es normal und logisch, dass das Unternehmen versucht hat, Kontakte aufzubauen, da ist es ja um viel gegangen. Daher habe ich die Nähe zur Regierung gesucht.
"Krone": Wo lernt man Leute von der Regierung kennen? Im Parlament, im Kaffeehaus oder in der Sauna?
Hochegger: Grasser hab ich kennengelernt, wie er noch bei Magna war. Meischberger habe ich im Cafe Landtmann kennen gelernt. In der Sauna sitzen eher keine Regierungsmitglieder. (lacht)
"Krone": Und wie macht man Stimmung?
Hochegger: Der gute Lobbyist bereitet Argumente auf, transportiert sie und legt den Nutzen für das Unternehmen, für die Wirtschaft, für den Staat dar. Er muss aber auch die Argumente seiner Mitbewerber kennen, um sie gleich zu entkräften.
"Krone": Stimmung haben Sie auch vor dem U-Ausschuss gemacht. Statt auszupacken, haben Sie geschickt abgelenkt, indem Sie 28 Namen genannt haben, die auf Ihrer Payroll gestanden sein sollen...
Hochegger: Das mag so aussehen. Aber mir ging es darum, einmal aufzuzeigen, dass das einfach nicht stimmt, dass es nur ein schwarz-blaues Netzwerk gegeben hat. Dass es unfair ist, wenn da einige versuchen, politisches Kapital draus zu schlagen. Ich hatte Kontakte zu allen politischen Gruppierungen.
"Krone": Haben Sie nicht andere angepatzt, um sich selber in ein gutes Licht zu stellen?
Hochegger: Ich würde das überhaupt nicht so sehen, dass ich jemanden angepatzt habe. Ich habe ja keinen auf meiner Payroll kritisiert, die haben ja alle gute Arbeit geleistet.
"Krone": Haben Sie die alle gekauft?
Hochegger: Das waren Verbindungsleute zwischen Wirtschaft und Politik. Da gab es natürlich Grenzfälle, wo man sagen kann: Das ist nicht in Ordnung, etwa wenn ich mit Firmen von Parlamentariern zusammengearbeitet habe.
"Krone": Alfred Gusenbauer hat bereits angekündigt, Sie zu klagen. Beunruhigt Sie das?
Hochegger: Überhaupt nicht, denn es ist leider eine Tatsache, dass er 96.000 Euro an Honoraren bezogen hat von der Sicon AG, die damals zu 80 und heute zu 90 Prozent in meinem Besitz steht. Auch seinen Chauffeur, den ich und mein damaliger Vorstand fallweise mitbenutzen konnten, habe ich mit 24.000 Euro finanziert. Ich verstehe natürlich, dass er jetzt ein Problem hat, aber es gibt die Belege. Er hat die Rechnungen ja selber gestellt.
"Krone": Damals war Karl-Heinz Grasser Finanzminister dieser Republik. Tut's Ihnen leid, dass er heute so schlecht dasteht?
Hochegger: (denkt kurz nach) Ich glaube, er hätte nix davon, wenn er mir leid tut. Eine Medaille hat eben zwei Seiten. Auf der einen Seite hat er jetzt viele Probleme, wird von der Justiz verfolgt. Auf der anderen Seite hätte er jetzt die Chance innezuhalten, hinzuschauen und zu reflektieren, was vorgefallen ist.
"Krone": Trifft Sie eine Mitschuld?
Hochegger: Nein. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Ich gebe auch keinem andern die Schuld. Alles ist alleine durch mein Denken, mein Fühlen und mein Handeln entstanden.
"Krone": Wird es Ihrer Einschätzung nach zu einer Anklage gegen Grasser kommen?
Hochegger: Die Chancen stehen 50:50. Die Frage wird sein, ob sich die Republik auf einen Indizienprozess einlässt, denn Beweise scheinen sie nicht zu haben.
"Krone": Hat Grasser Geld von Ihnen bekommen?
Hochegger: Er hat von mir definitiv kein Geld bekommen. Ich habe ja nie mit ihm persönlich, sondern immer mit dem Walter Meischberger über Geschäfte gesprochen. Lobbyisten müssen den Zugang zum Politiker haben, sie müssen wissen, wie er tickt, was man ihm vorschlagen kann. Dieser Zugang war beim Grasser der Herr Meischberger und bei Gusenbauer und Cap der Herr Lederer.
"Krone": Und bei den Schwarzen?
Hochegger: Bei den Schwarzen haben wir den Stefan Krenn gehabt. Der hat die Argumente direkt in das schwarze politische Spektrum gespielt.
"Krone": Was ist das denn, wenn nicht Regierungskorruption?
Hochegger: Die Grenze zwischen Lobbyismus und Korruption ist in Österreich nicht klar definiert. Es gibt, wie der ehemalige Rechnungshofpräsident gesagt hat, weder Transparenz noch Kontrolle noch Sanktionen. Wir leben in einem Land der Scheinheiligen. Deshalb ist es fünf vor zwölf, noch etwas zu ändern, denn wenn die Politik jetzt nicht klare Regeln und Strukturen schafft, dan von satt auf die Politiker und ihre Bauchreden. Das interessiert doch längst keinen mehr.
"Krone": Die Leute sind auch satt auf Sie. Der Taxifahrer, mit dem ich hergefahren bin, hat gefragt: Wie kann der Herr Hochegger das alles machen, ohne rot zu werden?
Hochegger: Ich verstehe, dass der Taxifahrer sich das denkt. Aber wenn man in so einem System drinnen steckt, dann denkt man nicht nach, man ist einfach ein Getriebener. Ich hatte 22 Firmen, 140 Mitarbeiter, ich war die Akquisitionsmaschine der Unternehmensgruppe, ein Sklave des Systems.
"Krone": Auch des Geldes?
Hochegger: Auch des Geldes, natürlich. Ich war Teil einer Elite, die ihre Vorteile genutzt hat, um ständig mehr anzuhäufen und reicher zu werden. Wir waren alle gierig, wollten immer mehr. Das ist das Drama in unserer Welt: Es gibt genug für alle, aber es gibt nicht genug, um die Gier aller Menschen zu befriedigen.
"Krone": Stichwort Gier - für den Buwog-Deal haben Sie gemeinsam mit Walter Meischberger zehn Millionen Euro Provision kassiert. Warum haben Sie vor dem U-Ausschuss behauptet, Sie hätten kein Vermögen?
Hochegger: Weil es so ist. Das war ja Steuerhinterziehung, ich habe Selbstanzeige gemacht und die 1,5 Millionen Euro zurückgezahlt. Aber meine Steuerprüfung ist natürlich noch nicht abgeschlossen, weil die Behörden warten, wie das Verfahren ausgeht. Deshalb kann ich momentan nicht aus dem Vollen schöpfen, aber es macht mir nichts.
"Krone": Wie, glauben Sie, wird es für Sie ausgehen?
Hochegger: Was kann man mir vorwerfen? Beihilfe zur Untreue vielleicht, aber dann müsste man erst einmal den Telekom-Managern die Untreue nachweisen. Ich habe auch niemanden bestochen. Die Zahlungen sind alle in meiner Buchhaltung belegt. Ich bin zu niemandem hingegangen und habe gesagt: Da Geld, wo Leistung?
"Krone": Haben Sie sich damals mächtig gefühlt?
Hochegger: Es war nie mein Bestreben, mächtig oder einflussreich zu sein. Mein Fokus waren immer die Interessen meiner Kunden. Diesbezüglich hatte ich sicher ein übertriebenes Erfolgsstreben.
"Krone": Finden Sie es gut, dass es den Korruptions-Untersuchungsausschuss gibt?
Hochegger: Ja. Aber aufklären können diese Dinge nur die Behörden, und die sind mangelhaft ausgerüstet. Das Ganze ist für sie Neuland, und sie haben viel zu wenig Ressourcen.
"Krone": Welche Note geben Sie der Ausschuss-Vorsitzenden Gabriela Moser?
Hochegger: Ich habe sie am Donnerstag das erste Mal erlebt und sie als sehr freundlich wahrgenommen. Auf jeden Fall eine 1,5.
"Krone": Und Peter Pilz?
Hochegger: Der ist zwar sehr gut vorbereitet, macht aber den Fehler, dass er dort eine Show abzieht und manchmal völlig falsche Schlüsse zieht. Ich hab's als sportliche Herausforderung gesehen.
"Krone": Er schreibt auf Facebook von den "schmutzigen Methoden des Herrn Hochegger".
Hochegger: Er muss sich halt verkaufen. Ich sehe das sehr gelassen.
"Krone": Verstehen Sie, dass sich ein Normalbürger, dem die Telekom auf die Zehen steigt, weil er seine Telefonrechnung nicht zahlen kann, wie ein Trottel vorkommt, wenn dieses Unternehmen mit Millionen nur so um sich wirft?
Hochegger: Ich verstehe jeden Normalbürger, aber man muss die Ursachen sehen. Die Telekom hat nicht einfach Geld verteilt, sie musste überleben, weil sie von der Politik vor eine unmögliche Aufgabe gestellt wurde. Liberalisierung, aber die Beamten sind ihr geblieben. Börsengang und ein Preiswettbewerb, der unglaublich war.
"Krone": War der Masterplan bei der Telekom nicht, die Universaldienstverordnung durchzubringen, die die Leistungsverrechnung zwischen den Telekommunikationsunternehmen regelt?
Hochegger: Über die Universaldienstverordnung hatte ich keinen Auftrag, das hat sich der Herr Schiessler mit dem Herrn Wittauer direkt ausgemacht, und jetzt schieben sie das mir zu. Dieses Lügengebäude wird zusammenbrechen.
"Krone": Herr Hochegger, wie begegnen Ihnen die Menschen, sind Sie schon beschimpft worden auf der Kärntner Straße?
Hochegger: Nach Medienhypes wie diese Woche merke ich schon, dass mich die Leute anschauen. Aber dass mich jemand angesprochen oder gar kritisiert hätte, habe ich noch nicht erlebt. Eher höre ich kleine Nettigkeiten. Bei mir ums Eck im Supermarkt ist eine Frau auf mich zugekommen und hat gesagt: "Na, Sie haben es auch nicht leicht. Ich wünsche Ihnen alles Gute.
"Krone": Sie haben gemeint, strafrechtlich hätten Sie nichts falsch gemacht, moralisch schon. Können Sie das erklären?
Hochegger: Ich war Teil eines sehr fragwürdigen Systems. Die letzten zwei Jahre habe ich das komprimiert bekommen, was ich davor 20 Jahre lang ausgeteilt habe. Meine Firma war innerhalb von zwei Monaten nichts mehr wert. Aber Schicksalsschläge sind ja auch eine große Chance. Wesentlich ist, dass man das erkennt und sein Leben ändert, statt den Rest seiner Zeit im Bußgewand herumzurennen.
"Krone": Was haben Sie geändert?
Hochegger: Ich bin nach Indien gefahren, wo ich Yoga gelernt habe. Dann war ich in Brasilien, wo ich das Buch des Hinduismus studiert habe. Heute bin ich Pantheist, pflege die Anspruchslosigkeit und lege mein Augenmerk auf energetische Dinge und menschliche Beziehungen. Das ist relativ einfach und kostet nichts.
"Krone": Wo wären Sie heute, wenn die ganzen Dinge nicht aufgeflogen wären, Herr Hochegger?
Hochegger: Ich wäre ein unglücklicher Mensch. Ich habe das große Glück gehabt, dass mir alles genau so widerfahren ist.
Steckbrief von Peter Hochegger
Geboren am 20. Februar 1949 in Mürzzuschlag. Welthandel-Studium in Wien. Mit Bruder Paul, der später einen Schlaganfall erleidet, gründet er 1980 Hochegger Com, die bald zu den größten PR-Agenturen des Landes zählt und Telekom, Immofinanz, Porr, ÖBB, Flughafen, Asfinag, Bank Austria, Baxter, Coca Cola, Noem usw. berät. 2001 organisiert er die 2,4 Millionen Euro teure Roadshow des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser. 2000 gründet er die Valora, 2007 die Valora Solutions. Privat ist Peter Hochegger Yogi und Jogger und braucht für sich persönlich - nach eigenen Angaben und ohne Gewähr – "nur noch 1.000 Euro pro Monat zum Leben". Der heute 63-Jährige ist seit 2007 geschieden und hat eine 24-jährige Tochter.
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