Die Zahl der Tötungsdelikte hat sich in Wien heuer gegenüber 2014 mehr als verdoppelt. Bisher wurden in der Bundeshauptstadt 20 Menschen umgebracht, voriges Jahr waren es nach den Zahlen des Wiener Landeskriminalamtes neun Opfer.
2015 sei von den Zahlen her gewissermaßen die Rückkehr zur Normalität gewesen, denn 2014 gab es die niedrigste Zahl an Tötungsdelikten in der Bundeshauptstadt seit 1955, interpretierten der Leiter des Ermittlungsbereichs, Michael Mimra, und sein Stellvertreter Gerhard Haimeder die Zahlen. "2014 war eher ein Ausreißer." Entspannt können die Kriminalisten unter anderem deshalb sein, weil sich ein weiteres Jahr dem Ende zu neigt, in dem alle Tötungsdelikte aufgeklärt wurden. Seit April 2009 gibt es keine ungeklärten Morde.
Dementsprechend lobten Haimeder und Mimra die Motivation der Angehörigen der drei Gruppen, die im Ermittlungsbereich "Leib und Leben" tätig sind. Der Rekord bringe hier noch größeren Ansporn. "Keine der drei Gruppen will die erste sein, die einen Mord nicht aufklären kann", sagte Haimeder. Irgendwann werde die Serie aber zu Ende gehen.
"Viele haben ein Messer eingesteckt"
Nach wie vor spielt sich ein großer Teil der Gewaltdelikte im familiären oder Beziehungsumfeld ab. Allerdings glauben die Kriminalisten, dass sich hier allmählich ein Wandel vollzieht. So war der Versuch, einen 36-jährigen Mann Anfang Juli in der Brigittenau zu erschießen, eine Auftragstat. Dabei wurde ein unbeteiligter 13-Jähriger angeschossen, auch das eigentliche Opfer verletzt. Auch das spektakulärste Tötungsdelikt des Jahres, dem ein Pensionistenpaar in der Donaustadt zum Opfer fiel, war keine Beziehungstat, sondern das Werk eines Mehrfachtäters, womöglich sogar Serienkillers. "Was wir sehen, ist, dass viele ein Messer eingesteckt haben und mit diesem auch sehr schnell zur Hand sind", konstatierten Mimra und Haimeder allgemein eine schnellere Bereitschaft, Konflikte unter Zuhilfenahme einer Waffe auszutragen.
Doppelmord in der Donaustadt durch Serienkiller
Die Tötung des Pensionistenpaars im Mai bezeichneten die Kriminalisten als den spektakulärsten Fall des Jahres. Der mutmaßliche Killer, ein 29-Jähriger aus Polen, wurde einige Tage später in Düsseldorf geschnappt. Er wird als "brandgefährlich" eingestuft. Das Wiener Verbrechen hat er zugegeben, als praktisch fix gilt seine Urheberschaft bei einer Messerattacke in Salzburg 2012 und bei einer Tötung in Göteborg. "Aufgrund der Umstände", erläuterte Haimeder den Zusammenhang mit der Tat in Schweden. Er habe einen bestimmten Schriftzug an den Tatorten in Wien und Göteborg hinterlassen, auch sonst sei die Spurenlage sehr ähnlich.
Der Verdächtige gab an, sich auf einer Mission zu befinden. Per Rad, zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln reiste er durch Europa, nicht zuletzt deshalb vermuten die Ermittler, dass er weitere Verbrechen begangen haben könnte. Zuletzt war etwa Großbritannien im Gespräch, wo sich der 29-Jährige ebenfalls aufgehalten hatte.
Der Fall zeigt auch eine Veränderung in den Anforderungen der Ermittlungsarbeit. "Viele Täter sind nun im europäischen Ausland zu suchen", sagten die Kriminalisten. Sie hoben die Wichtigkeit der internationalen Zusammenarbeit hervor und sprachen die Bedeutung einer guten Tatortarbeit an. Das Geständnis als wichtigstes Beweismittel ist in den vergangenen Jahren in den Hintergrund getreten. Die Festnahme des 29-Jährigen bezeichneten Mimra und Haimeder als "gute kriminalpolizeiliche Arbeit".
Aus dem Video-Archiv: Der Doppelmord in der Donaustadt
Cold-Case-Fälle liegen Ermittlern im Magen
Im Magen liegen den LKA-Spitzen aber nach wie vor die ungeklärten Fälle, auch wenn diese zumindest sechseinhalb Jahre her sind. Am 4. April 2009 starb in Hernals ein Mann, der bei einem Streit vermutlich auf die Straße gestoßen worden und von einem Taxi überrollt worden war. Knapp drei Monate zuvor starb in der Ottakringer Hubergasse ein Lokalbesitzer. Er ist erschossen worden.
Im September 2007 wurde der Diamantenhändler Werner Haas in seiner Wohnung in der Josefstadt erschossen. Bisher wurde kein Täter gefunden, auch das Motiv liegt großteils im Dunkeln. Die Alibis im persönlichen Umfeld brachten keine neuen Erkenntnisse. Es gab mittlerweile mehrere "Cold Case"-Durchläufe, alle ohne Ergebnis. In diesem Fall scheinen die Ermittler auf einen Zufallstreffer hoffen zu müssen.
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