"Der Mord war zugegebenermaßen vollkommen überflüssig", stellte die vorsitzende Richterin Brigitte Kunst fest. Dennoch leistete das Berufungsgericht der Forderung der Staatsanwaltschaft, in diesem Fall aus generalpräventiven Gründen eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen, nicht Folge. Der Tschetschene habe insofern einen "Beitrag zur Wahrheitsfindung" geleistet, als er am Tatort verblieben war und an Ort und Stelle zugegeben hatte, mit seinem Klappmesser zugestochen zu haben. Deshalb sei ihm neben seiner bisherigen Unbescholtenheit ein weiterer Milderungsgrund anzurechnen.
Anwalt spricht von "Belastungssyndrom"
Verteidiger Lennart Binder hatte um eine Reduktion der in erster Instanz verhängten 20 Jahre ersucht, die er als "sicher überzogen" bezeichnete. Das Erstgericht habe die Biografie seines Mandanten zu wenig bedacht, der in Tschetschenien gefoltert worden sei und sich daher nach Österreich geflüchtet hatte. Der 27-Jährige habe an einem posttraumatischen Belastungssyndrom gelitten, als es zur Auseinandersetzung mit Sekowitsch kam: "Er hat befürchten müssen, dass ihm der Boxweltmeister das Hirn zertrümmert". Da habe er in einer "überzogenen Angstreaktion" das Messer gezückt.
"Geben Sie mir bitte die geringste Chance, mich in die Gesellschaft zu integrieren", plädierte im Anschluss auch der 27-Jährige auf Strafminderung. Er erkenne "voll und ganz meine Schuld", doch sei es nicht Aggression, sondern "Angst und Furcht, einen Schlag zu bekommen" gewesen, die ihn zum Messer habe greifen lassen.
Tat mit "gewissem Stolz" zugegeben
Der Tschetschene hatte am Morgen des 26. August 2008 dem 50-jährigen Sekowitsch vor dessen Lokal "Champ's Pub" am Wiedner Gürtel fünfmal in Gesicht, Hals und Brust gestochen. Davor, gegen 5.30 Uhr, war es im Lokal zu einer Auseinandersetzung gekommen: Der 27-Jährige hatte sich anderen Gästen gegenüber aggressiv verhalten und war deswegen von dem als "Stier von Serbien" bekannt gewordenen Sportler nach draußen gewiesen worden. Auf der Straße stach der 27-Jährige dann mit einem Klappmesser auf Sekowitsch ein. Ein Stich ging direkt ins Herz - der 50-Jährige verblutete noch am Gehsteig.
Jene Polizisten, die als erste am Tatort eingetroffen waren, gaben an, der Tschetschene habe sich zunächst als ein Freund des Opfers deklariert. Als die Beamten an der Kleidung des Mannes Blutspuren bemerkten, wurde er aber eingehender befragt. "Da hat er mit einem gewissen Stolz gesagt, dass er es war, der das gemacht hat", gab ein Polizist zu Protokoll.
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