Unterstes Niveau

Peinliche ATV-Debatte: DIE wollen in die Hofburg?

Österreich
16.05.2016 12:11

Das 45-minütige Live-Duell der Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl, Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer, ist am Sonntagabend auf ATV zu einem peinlichen Debakel geraten und hat bei den Zusehern bestenfalls für Fremdschämen gesorgt. Die Diskussion, die weder moderiert wurde noch Vorgaben für die beiden Politiker hatte, nahm nach einem besonnenen Beginn schnell Fahrt auf, verlor dann aber dermaßen an Niveau, dass man nur noch den Kopf schütteln konnte. Und so darf man nach dieser unwürdigen Farce wohl zu Recht fragen: DIE beiden wollen in die Hofburg?

Sowohl Hofer als auch Van der Bellen gelten an und für sich als besonnen - umso mehr, als sie beide aus extremen politischen Lagern kommen. Erstaunlich also, wie sich Politiker eines solchen Formats dann in einer Live-Sendung zu derart untergriffigen Verbalattacken hinreißen lassen können. So attackierte Hofer nicht nur Van der Bellen, sondern auch dessen Unterstützer: "Sie sind ein Kandidat der Schickeria, ich bin ein Kandidat der Menschen."

Der freundliche Eindruck täuscht: Die Debatte war von untergriffigen Verbalattacken geprägt. (Bild: APA/HANS PUNZ)
Der freundliche Eindruck täuscht: Die Debatte war von untergriffigen Verbalattacken geprägt.

Van der Bellen ließ seine Unterstützer nicht zur Hautevolee erklären: "Das ist eine Schweinerei, was sie da machen." Auf welch persönlicher Ebene der Schlagabtausch abgeführt wurde, zeigte sich auch bei einem kurzen Ausflug in die Wirtschaftspolitik. Kernaussage Van der Bellens Richtung Hofer: "Sie verstehen nichts von Wirtschaftspolitik." Der ehemalige Lauda-Air-Mitarbeiter antwortete dem Uni-Professor prompt mit: "Sie haben noch nie in der Wirtschaft gearbeitet."

Norbert Hofer am Weg zur Diskussion mit Alexander Van der Bellen (Bild: APA/HANS PUNZ)
Norbert Hofer am Weg zur Diskussion mit Alexander Van der Bellen

"Hofer könnte uns in autoritäre Republik führen"
"Sie haben immer wieder betont, dass sie als Präsident die Regierung entlassen würden, falls sie nicht spurt. Die Folge wären Neuwahlen. Damit verfolgen Sie einen Kurs, den noch niemals zuvor ein Präsident eingeschlagen hat. Sie könnten Österreich in eine autoritäre Republik führen", stichelte Van der Bellen. Hofer unterstellte Van der Bellen daraufhin "Untergriffigkeit" und sagte: "Ich würde die Regierung nur entlassen, wenn sie dem Land schadet. Das wäre der allerletzte Schritt. Sie hingegen wollen nur das bestehende System erhalten und vergessen, dass nicht das System, sondern die Menschen wichtig sind."

Van der Bellen konterte: "Man muss in einem System nicht alles über den Haufen werfen. Vieles hat in Österreich gut funktioniert, weil Parteien und Institutionen kooperiert haben. Davor habe ich Respekt."

(Bild: APA/HANS PUNZ)

"Oberlehrer" zeigt Hofer den Vogel
Je länger die Live-Konfrontation dauerte, desto hitziger wurde sie geführt. Die Kandidaten konnten zu vielen Themen wie der Flüchtlingskrise, der EU und der internationalen Politik kaum noch gemeinsame Standpunkte finden und gerieten sich zusehends in die Haare. Dabei fielen auch beleidigende Worte wie "lächerlich", "Frechheit", "Nachplapperer", "Lügner", "Oberlehrer" - dafür zeigte Van der Bellen seinem Kontrahenten sogar den Vogel.

Medien: "Oberpeinlich", "Desaster"
Die Reaktionen auf die peinliche Schlammschlacht, die wohl kaum des Amts des Bundespräsidenten würdig war, ließen nicht lange auf sich warten: Polit-Experten sprachen nach der Sendung von "blamablem Kindergartenniveau", "Spiegel Online" bezeichnete die Debatte als "Desaster". Die "Süddeutsche Zeitung" nannte das Duell "oberpeinlich" und meinte: "Siegreich ging aus diesem politischen Schlammcatchen keiner hervor."

In einer Twitter-Umfrage von Krone-Mulitmedia-Chefredakteur Richard Schmitt zeigte sich allerdings, dass eine knappe Mehrheit diese Form der Polit-Duelle offenbar befürwortet. Einige bezeichneten das Format sogar als "erfrischend anders".

ATV-Informationschef Alexander Millecker hatte in Vorfeld zu seiner Entscheidung für das unmoderierte Duell gesagt: "Der TV-Wahlkampf hat viele kreative Formatideen mit sich gebracht, nicht jede diente dem Informationsgewinn. Wir verzichten daher gänzlich auf dramaturgische Elemente und reduzieren das Duell auf das Wesentliche: die inhaltliche Debatte." Bereits vor dem ersten Wahlgang hatte der Privatsender mit "Klartext" auf ein seriöses Interviewformat gesetzt, um dem Publikum eine Entscheidungshilfe zu bieten.

Neue Formatidee beschert ATV Quotenrekord
Mit dem Interesse am Duell der Hofburg-Kandidaten zeigte sich ATV sehr zufrieden: Angaben des Senders zufolge sahen 432.000 Zuseher über zwölf Jahren das unmoderierte Duell, 447.000 die anschließende Analyse. Damit habe es sich um die reichweitenstärkste Eigenproduktion in der Geschichte des Senders gehandelt. In der Primetime (20.15 bis 22 Uhr) war ATV nach eigenen Angaben am Sonntagabend bei den Zwölf- bis 49-Jährigen Österreichs Marktführer unter allen Sendern.

Das komplette ATV-Duell gibt's hier zum Nachsehen:

Moderiert duellieren sich die Kandidaten ein letztes Mal am kommenden Donnerstag im ORF.

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