Vom Dach "begleitet"

Polizei räumt von Aktivisten besetzte Wohnanlage in Wien

Wien
14.07.2011 16:02
Eine von Aktivisten besetzte Hausanlage mitten in Wien-Ottakring ist von der Polizei am Donnerstagvormittag geräumt worden. Während die Aktivisten gegenüber krone.at von einer gewaltsamen Aktion sprachen, stellte die Exekutive ihr Vorgehen als friedliche Auflösung dar. Etwa zehn bis 15 Leute seien vom Dach "begleitet" worden.

Der nur mehr von drei Mietern bewohnte Lobmeyr-Hof in der Roseggergasse wurde vergangenen Freitag von zum Großteil jungen Menschen in Beschlag genommen, die so gegen die Totalsanierung und die damit verbundenen höheren Mieten demonstrieren wollten. Aus dem geplanten autonomen Zentrum wird daher vermutlich vorerst nichts werden.

Eigentlich war für Donnerstag eine Verhandlung mit Wiener Wohnen angesetzt, so die Aktivisten, diese kam allerdings nicht zustande. Wie die Besetzer berichteten, seien Menschen bei der Räumung teilweise sogar leicht verletzt worden. Nach einer Durchsage per Megaphon, die viele in dem weitläufigen Gelände gar nicht gehört hätten, sollen die Polizisten brutal eingegriffen haben. 

Ein junger Mann sei bei seiner Begleitung nach draußen auf den Rücken geschlagen worden, eine andere Aktivistin klagte über erlittene Schürfwunden, als man sie vom Dach geholt hatte. Die Exekutive sei auch verbal auf die Gruppe losgegangen. 

Aktivisten drohen nun Anzeigen
Polizeisprecherin Camellia Anssari wies dies aufs Schärfste zurück. Viele Aktivisten hätten der Anordnung sofort Folge geleistet, die anderen seien eben "von den Kollegen vom Gelände begleitet worden", so die Beamtin zu krone.at. Es habe weder Widerstand noch Festnahmen oder andere Zwischenfälle gegeben. Von jenen Aktivisten, die nicht freiwillig gegangen wären, seien jedoch die Personalien aufgenommen worden. Ihnen drohen nun "diverse Anzeigen, von Sachbeschädigung bis Stromdiebstahl", so Anssari.

Die Besetzer hatten gefordert, die zum Großteil ungenützte Anlage, in der früher etwa 600 Menschen wohnten, zumindest zwischenzeitlich für ihre Zwecke verwenden zu dürfen. Im Gespräch waren neben Wohnräumen auch eine Stelle für kostenlose Nahrungsmittelverteilung, Beratungsstellen, Spielräume, Nachhilfeörtlichkeiten, ein KostNix-Laden, Veranstaltungen und Workshops. In einigen Wohnungen wurde bereits mit einer Sanierung begonnen, eine Volksküche war aufgebaut.

Bleiben Mieten "sozial verträglich"?
Wiener Wohnen hat jedoch andere Pläne für die denkmalgeschützte Anlage. Nachdem die letzten Bewohner ausgezogen sind, soll eine Totalsanierung durchgeführt werden. Dass die Mieten erhöht werden, sei unvermeidlich, "diese werden jedoch sozial verträglich und leistbar sein", verspricht Christian Kaufmann vom Büro des Wohnbaustadtrats Michael Ludwig. Vom Rückkehrrecht wolle allerdings niemand der Umgezogenen Gebrauch machen, so der Sprecher.

Besetzer: Hof absichtlich dem Verfall preisgegeben 
Die Aktivisten wollten mit ihrer Maßnahme auch auf den Umgang mit den Mietern aus dem Lobmeyr-Hof hinweisen. Die Anlage sei dem Verfall preisgegeben worden, um die Bewohner zu vertreiben. Außerdem sei teilweise massiver Druck von Wiener Wohnen ausgeübt worden, um die Mieter zum Auszug zu bewegen, so die Anschuldigungen. 

Doch auch davon will Kaufmann nichts wissen: "Allen Bewohnern wurden Ersatzwohnungen angeboten. Manche ließen sich 20 Wohnungen zeigen, bis sie sich entschieden haben."

Totalsanierung kostet knapp 26 Millionen Euro
Der Lobmeyr-Hof wurde in den Jahren 1898 bis 1901 errichtet. Die große Blockrandverbauung mit Innenhof und Gemeinschaftseinrichtungen war für den späteren sozialen Wohnbau der Zwischenkriegszeit in Wien prägend. Die Wohnhausanlage steht im Besitz der Stadt Wien (Wiener Wohnen) und umfasst derzeit 164 Wohnungen, 20 Magazine sowie zwei Geschäftslokale mit einer Gesamtnutzfläche von etwa 8.570 Quadratmetern. Das Objekt steht unter Denkmalschutz. 

Durch die Totalsanierung mit Aufstockung und Dachgeschossausbau werden auf 15 Stiegen insgesamt 150 Wohnungen, zwölf Wohngemeinschaften, zwei Geschäftslokale und acht Kleinbüros geschaffen, die neue Gesamtnutzfläche beträgt rund 15.400 Quadratmeter. Die Gesamtbaukosten werden auf etwa 25,8 Millionen Euro geschätzt. 

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