Hugo Portisch vergleicht die Massaker von Paris mit den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA. Europa müsse jetzt solidarisch reagieren - auch militärisch. Im "Krone"-Interview mit Conny Bischofberger erklärt der Journalist, wieso Europa ein "Recht auf Krieg" hat.
"Krone": Herr Dr. Portisch, wie schätzen Sie die Lage nach den Terrorserien in Paris ein?
Hugo Portisch: Mit den Anschlägen in Paris hat der Terror des IS die Dimension angenommen, mit der zu rechnen war. IS, das ist nicht nur Krieg mit dem Ziel, ein Kalifat zu errichten. Das ist der Krieg gegen die Welt der "Ungläubigen", also gegen uns, gegen den Westen, gegen unsere Art zu leben, gegen Demokratie und Freiheit.
"Krone": Ist der Vergleich mit 9/11 gerechtfertigt? Nicht wegen der Opferzahl, sondern der politischen Dimension dieser Anschläge.
Portisch: Ja, durchaus. Es war auch Ziel der Al-Kaida, mit den USA den gesamten Westen, unsere Art zu leben, anzugreifen.
"Krone": Sie schreiben in Ihrem Buch "Aufregend war es immer" (Ecowin Verlag), dass man in bestimmten Situationen militärische Gewalt anwenden muss, wenn man nicht selbst vor die Hunde gehen will. Steht Europa jetzt an diesem Punkt?
Portisch: Die Charta der UNO ebenso wie die Europäischen Verträge gewähren jedem Land und jeder Nation das Recht, sehr wohl auch auf Krieg mit Krieg zu reagieren. Und dieses Recht sollte Europa auch wahrnehmen.
"Krone": Also gegen den IS auch in den Krieg zu ziehen?
Portisch: Das ist wahrscheinlich die einzige Art, mit der sich der Krieg des IS im Irak, in Syrien und gegen die Welt beenden lässt. Im Übrigen, Frankreich tut es ja schon, Präsident Francois Hollande hat schon den Flugzeugträger Charles de Gaulle gegen den IS entsendet.
"Krone": Wäre auch Europa dazu imstande?
Portisch: Die drei größten Länder Europas, aber auch viele mehr, verfügen über Berufsarmeen, das heißt über Soldaten, die das Kriegführen als Beruf angenommen haben und sehr wohl imstande sein müssten, auch Krieg zu führen. Das kann ja nicht nur das Recht der Amerikaner und der Russen sein.
"Krone": Was könnte die Europäische Union als solche tun?
Portisch: Das, wozu sich alle Mitglieder bei ihrem Eintritt in die Union verpflichtet haben, nämlich im Notfall solidarisch zu handeln. Da sehe ich zurzeit eine echte Gefahr für die Europäische Union, nämlich an ihrer eigenen Zerrissenheit zu scheitern.
"Krone": Und was müsste Österreich tun?
Portisch: Österreich hat sich unmittelbar nach den Anschlägen von Paris mit Frankreich solidarisch erklärt. Der Bundeskanzler hat dem französischen Präsidenten sogar die sofortige Entsendung einer Abteilung der Cobra, unserer Spezialpolizei, angeboten, genau so steht es im EU-Vertrag: Im Falle von Terroranschlägen ist jedes EU-Mitglied verpflichtet, dem Angegriffenen zu Hilfe zu eilen.
"Krone": Geht von der Völkerwanderung, die zurzeit stattfindet, auch eine Gefahr aus?
Portisch: Nicht von den Menschen, die sich da auf der Flucht befinden, Gefahr geht eher von einzelnen europäischen Politikern aus, die sich weigern, die Folgen, die die Flüchtlingswelle mit sich bringt, solidarisch zu bewältigen. Die stellen mit dieser Haltung den Zusammenhalt der EU infrage. Offenbar ging es ihnen nie um Europa, sondern nur um den eigenen Vorteil. Diese Haltung kann die Einheit Europas, sogar die Zukunft der EU gefährden.
"Krone": Verfolgen Sie die TV-Berichterstattung zu Paris als jemand, der viele Jahrzehnte lang selbst der Weltberichterstatter war, mit anderen Augen?
Portisch: Nein, ich bewundere die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen. Ich weiß, wie schwer das ist, und dafür gehört ihnen der Dank aller, denen sie mit dieser Arbeit helfen, das komplizierte Weltgeschehen zu verstehen.
"Krone": Welche Verantwortung liegt darin?
Portisch: In ihrer Berichterstattung über die zum Teil auch politisch explosiven Ereignisse kommt es entscheidend auf Wahrheit und Gerechtigkeit an, und das legt den Berichterstattern wahrhaftig eine große Verantwortung auf.
"Krone": Was wird über Freitag, 13. November 2015, einmal in den Geschichtsbüchern stehen?
Portisch: Ich hoffe, dass die zivilisierte Welt unerschütterlich zu ihren Werten und Idealen gestanden ist und sich von fanatisierten Menschenschlächtern nicht einschüchtern ließ. Und hoffentlich auch, dass ganz Europa in großer Solidarität gehandelt hat.
Aus dem Archiv: Mindestens 128 Tote bei Anschlagsserie in Paris
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