Im Gegensatz zur SPÖ, die 144 Wahlversprechen auf 40 Seiten formulierte, war die ÖVP in ihrem 25 Seiten umfassenden Wahlprogramm bei der Abgabe von Wahlversprechen mit 69 Forderungen aber auch zurückhaltender. 21 Vorschläge fanden sich sowohl bei der SPÖ als auch bei der ÖVP. "In Koalitionsregierungen müssen Parteien immer Kompromisse eingehen", erklärt Studienautorin Katrin Schermann. "Niemand kann je 100 Prozent seiner Forderungen umsetzen."
Bundesregierung liegt im Europa-Schnitt
Mit der Umsetzung von etwas mehr als der Hälfte der Wahlversprechen liegt die Regierung im europäischen Schnitt, halten Schermann und Co-Autor Laurenz Ennser-Jedenastik vom Institut für Staatswissenschaften fest. Die Studienleiter überprüften auf Basis von Informationen des Rechtsinformationssystems, des Bundeskanzleramts, Parlamentsdokumenten sowie der aktuellen Medienberichterstattung alle Wahlversprechen, die SPÖ und ÖVP im Vorfeld der Nationalratswahl 2008 in ihren Wahlprogrammen formuliert hatten. Auch teilweise erfüllte Versprechen wurden zugunsten der Parteien als eingehalten gewertet.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Wahlversprechen umgesetzt werden, hängt maßgeblich vom Ergebnis der Koalitionsgespräche ab, heißt es in der Studie. "Koalitionsverhandlungen stellen die Weichen für die zukünftige Regierungspolitik. Ein Erfolg am Verhandlungstisch lässt die Chancen auf die Durchsetzung des eigenen Wahlversprechens stark ansteigen", erklärt Schermann.
Versprechen, die Status quo zementieren, werden gehalten
Weitere wichtige Faktoren bei der Frage, wie wahrscheinlich die Umsetzung von Wahlversprechen ist, sind die Verteilung der Ministerien und die Dauer der Regierungsperiode. Wahlversprechen, die die Beibehaltung der aktuellen Gesetzeslage versprechen, werden so gut wie nie gebrochen.
Sollten SPÖ und ÖVP nach der Wahl am 29. September wieder die Regierung bilden, erscheinen somit die Umsetzung des Versprechens der SPÖ, das Frauenpensionsalter nicht anzuheben, und die Forderung der ÖVP, die Erbschafts- und Schenkungssteuern nicht wieder einzuführen, aussichtsreich. Die "Veränderung des Status quo gegen den Willen des Koalitionspartners" sei dagegen ein "schwieriges Unterfangen", sagt Ennser-Jedenastik.
Kabinett Schüssel II ist Spitzenreiter
Im Vergleich mit ihren Vorgängerregierungen liegt die aktuelle Koalition nicht schlecht: Nur das Kabinett Schüssel II erreichte mit einer Quote von 57 Prozent einen geringfügig höheren Wert. Die vorzeitig beendeten Regierungspartnerschaften Schüssel I und Gusenbauer kamen auf 38 bzw. 48 Prozent.
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