Wehrpflicht-Debatte

SPÖ: Freiwilliger Zivildienst mit 1.300 € pro Monat

Österreich
12.01.2011 16:25
Die SPÖ hat auf ihrer Marschroute Richtung Freiwilligenheer am Mittwoch einen weiteren Meilenstein gesetzt. Bei einer vierstündigen Sitzung des Parteipräsidiums präsentierten Kanzler Werner Faymann, Verteidigungsminister Norbert Darabos und Sozialminister Rudolf Hundstorfer einen Zivildienstersatz für den Fall der Wehrpflichtabschaffung. Das "Freiwillige Soziale Jahr" soll genausoviel kosten wie das jetzige Modell, Anreiz sollen 1.300 Euro Bruttomonatslohn bieten. Jährlich soll es 6.400 Freiwillige geben.

Endgültig auf die Abschaffung der Wehrpflicht haben sich die SPÖ-Granden am Mittwoch noch nicht festgelegt - wohl aus Rücksicht auf Koalitionspartner ÖVP. Kanzler Faymann betonte aber, dass die SPÖ "weitgehend geschlossen" dafür eintrete, einem Ersatz der Wehrpflicht "besonderes Augenmerk zu schenken". Auch Verteidigungsminister Darabos, der seine Varianten für ein zukünftiges Bundesheer kommende Woche vorstellen will, unterstrich, es kristallisiere sich heraus, dass Alternativen zum jetzigen Wehrsystem "durchaus wünschenswert" seien.

Bevor es eine endgültige Entscheidung gebe, würden aber noch Gespräche mit dem Koalitionspartner geführt, versicherte Faymann. Offen zeigte sich der SPÖ-Chef gegenüber einer Volksbefragung, die für Darabos jedenfalls notwendig ist. Die Frage der Wehrpflicht sei "unbedingt" unter Einbindung der Bevölkerung zu beantworten.

1.300 Euro monatlich für "Freiwilliges Soziales Jahr"
Hundstorfer präsentierte parallel dazu für den Zivildienstersatz ein recht konkretes Konzept. Das "Freiwillige Soziale Jahr" soll seinen Vorstellungen zufolge aufgewertet werden, indem ein Mindestkollektivvertragslohn von 1.300 Euro 14 mal pro Jahr zur Anwendung kommt und das voll sozialversichert. Zusätzlich soll es die Möglichkeit geben, sich die im Rahmen des freiwilligen Dienstes erworbenen Qualifikationen berufsbildend anrechnen zu lassen.

Der Zivildienst-Nachfolger soll auch Frauen offenstehen. Zudem denkt der Sozialminister an eine Regelung, die auch älteren Jahrgängen diesen Dienst ermöglicht. Kolporiert wird, dass das Freiwillige Soziale Jahr auch noch mit 26 möglich sein soll. Gegenüber dem bisherigen Zivildienst eine Einschränkung gäbe es, was die Einsatzgebiete betrifft. Hundstorfer tritt dafür ein, das freiwillige Jahr auf die Kernbereiche Soziales und Gesundheit zu beschränken. Diese Einsatzgebiete machen derzeit 90 Prozent der Zivildienstverhältnisse aus. Aufs Jahr hochgerechnet wären das bei 9.400 Zivildienern insgesamt 8.500 Zivildiener, so die SPÖ. Die ÖVP spricht indes stets von 13.000 Zivildienern jährlich.

Kosten von 140 Millionen Euro für 6.400 Freiwillige
Die Zahl der Freiwilligen möchte der Sozialminister allerdings auf 6.400 senken, was durch einen optimierten Einsatz möglich werden soll. Dies soll u.a. dadurch gelingen, dass sich die Sozialorganisationen ihre freiwillig Beschäftigten selbst aussuchen können. Ob die Träger sich so eine Regelung vorstellen können, will Hundstorfer in den kommenden Wochen mit ihnen ausloten. Die Kosten für das Freiwillige Sozialjahr sollen jene des Zivildienstes laut Sozialministerium nicht übersteigen. Bei beiden Modellen rechnet Hundstorfer mit Ausgaben von rund 140 Millionen Euro pro Jahr.

Das Innenministerium trägt laut Hundstorfer 59 Millionen Euro bei, das Sozialministerium für Pensions- und Arbeitslosenversicherung 37 Millionen Euro - und der Rest auf 140 Millionen, also 44 Millionen Euro, entfalle auf die Trägerorganisationen. 

Darabos: "Freiwilligenarmee vielleicht sogar etwas billiger"
In puncto Kosten ließ Darabos aufhorchen: Eine Freiwilligenarmee werde nicht teurer, möglicherweise sogar etwas billiger als das derzeitige System, sagte der Verteidigungsminister Dies habe man "seriös durchgerechnet". Die Modelle würden demnach 10.000 Soldaten für Katastropheneinsätze, 1.000 Soldaten für Auslandseinsätze sowie die Abdeckung für die theoretische Möglichkeit der Landesverteidigung mit einbeziehen. Ein Kostenwegfall würde auch dadurch entstehen, dass man bei einem Freiwilligenheer keine Grundwehrdiener mehr ausbilden müsste.

Darabos zeigte sich auch überzeugt davon, genügend Personen für ein Freiwilligenheer bekommen zu können. Man werde Anreizsysteme schaffen, etwa finanzielle Anreize in Sachen Ausbildung aber auch Unterstützung bei der Rückkehr in die Privatwirtschaft. Details dazu wollte der Ressortchef aber noch nicht bekanntgeben.

Trägerorganisationen und restliche Parteien gespalten
Das Rote Kreuz zeigte sich am Mittwoch "skeptisch" gegenüber dem SPÖ-Modell. Generalsekretär Wolfgang Kopetzky bezweifelt, dass damit die nötigen Beschäftigten für die Rettungs-, Sozial- und Gesundheitsdienste gewonnen werden können - und will deshalb auch über einen verpflichtenden Sozialdienst diskutieren. Die Volkshilfe, die Lebenshilfe und Caritaspräsident Franz Küberl begrüßten hingegen den Hundstorfer-Vorschlag deutlich.

ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger kritisierte einmal mehr den Ablauf der von der SPÖ begonnenen Debatte. Bevor man über die Abschaffung der Wehrpflicht diskutiere, müsste man Aufgaben für das Heer definieren und schauen, wie diese erfüllt werden können. "Aus heutiger Sicht" gibt es für Kaltenegger aber "keinen Grund für die Abschaffung". Auch spricht die ÖVP weiterhin von 13.000 Zivildienern, die die SPÖ mit 6.400 ersetzen wolle. 

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hält weiter an der Wehrpflicht fest. Er hätte aber auch keine Angst vor einer Volksabstimmung, weil er davon überzeugt ist, dass sich die Österreicher für die Wehrpflicht aussprechen werden. Das BZÖ sprach sich am Mittwoch hingegen für eine Aussetzung der Wehrpflicht aus.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt