"In Deutschland gibt es mit Hartz IV ein Modell, das offenbar besser funktioniert", so der ÖVP-Politiker und frühere Manager in einem Interview mit der Tageszeitung "Standard". Er schlägt damit in dieselbe Kerbe wie die Industriellenvereinigung. Die hatte bereits im Juni Reformen nach dem deutschen Hartz-IV-Modell gefordert, etwa Mini-Jobs, um Arbeitslose früher in den Arbeitsmarkt wieder einzugliedern. Vonseiten der Gewerkschaft war der Vorstoß schon damals heftig kritisiert worden.
Schelling wendet sich gegen das Modell vom bedingungslosen Grundeinkommen und spricht sich für das Leistungsprinzip aus. "Leistung muss belohnt werden, das ist nichts, was einem zusteht. Wir haben uns zu einer Neidgesellschaft entwickelt. Neid muss man sich aber verdienen, Mitleid bekommt man umsonst", meinte der Finanzminister.
SPÖ gegen Schelling-Vorstoß für Kürzung
Die von Schelling erhobene Forderung nach Kürzung des Arbeitslosengelde stößt bei SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid auf entschiedene Ablehnung. "Es handelt sich hier um einen massiven Angriff auf Arbeitnehmer und unser Sozialsystem", ließ Schmid am Samstag in einer Aussendung wissen.
Schmid wirft Schelling vor, zu unterstellen, die Betroffenen würden sich in der sozialen Hängematte ausruhen. Das berge "ein gewisses Maß an Zynismus. Arbeitslosen muss geholfen werden, sich wieder in der Arbeitswelt zu integrieren. Eine Kürzung der Leistungen würde niemanden motivieren, sondern Existenzen bedrohen. Davon abgesehen leiden wir zurzeit nicht an einem Übermaß an freien Arbeitsplätzen", meinte Schmid.
ÖGB-Foglar: Hartz IV führt zu Lohndumping
Irritiert von Schellings Aussagen zeigte sich auch ÖGB-Präsident Erich Foglar. Der Finanzminister denke offenbar darüber nach, die "Notstandshilfe (übrigens eine Versicherungsleistung, die von den BezieherInnen vorher erarbeitet wurde) abzuschaffen und eine Sozialhilfe nach deutschem Vorbild einzuführen". "Davon kann ich nur dringend abraten. Mittlerweile ist längst belegt, dass die Sozialausgaben durch Hartz IV explodieren, da immer höhere Beihilfen ausbezahlt werden müssen, damit die BezieherInnen auch nur halbwegs über die Runden kommen. Darüber hinaus hat Hartz IV zu Lohndumping durch Schaffung eines Billigarbeitsmarktes geführt", betont Foglar.
Abgesehen davon sei die Nettoersatzrate des Arbeitslosengelds in Österreich deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Das bewährte System der Notstandshilfe garantiere laut ÖGB-Präsident außerdem, dass Menschen, die länger arbeitslos sind, nicht ihr gesamtes Erspartes verlieren würden, wie es in Deutschland der Fall ist.
Scharfe grüne Kritik an Schelling-Aussagen
"Fassungslos über so viel arrogante Unwissenheit" reagierten die Grünen-Abgeordneten Birgit Schatz und Judith Schwentner auf Schellings Aussagen. "Bei einer Nettoersatzrate von 55 Prozent kann man wohl nicht davon sprechen, dass das Arbeitslosengeld auch nur annähernd so hoch ist wie ein angemessenes Erwerbseinkommen", kritisierte Arbeitnehmersprecherin Schatz.
Für die beide Abgeordneten liegt das Problem in der niedrigen Bezahlung: "Rund 500.000 Menschen verdienen für Vollzeitarbeit weniger als 1.500 Euro brutto. Das sind auch genau jene Leute, die häufiger arbeitslos werden als andere. Die bekommen dann so wenig Arbeitslosengeld, dass dieses sogar mit der Mindestsicherung aufgestockt werden muss, um nicht völlig in die Armut zu kippen."
Kickl will Arbeitslosengeld flexibler gestalten
FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl lehnt zwar eine grundsätzliche Senkung des Arbeitslosengeldes ab, kann sich aber vorstellen, die Höhe bzw. Bezugsdauer flexibler zu gestalten. "Nicht das Arbeitslosengeld ist in Österreich zu hoch, sondern die Mindestsicherung, die von der ÖVP gemeinsam mit der SPÖ beschlossen worden ist, bietet die falschen Anreize", kommentierte der freiheitliche Sozialsprecher die Aussagen des Finanzministers. Die würde Erwerbstätigkeit in vielen Bereichen unattraktiv mache, so Kickl.
Die Armutskonferenz warnte vor einer Abwärtsspirale für die Einkommensschwächsten und einer Verschärfung der Armutssituation. Team-Stronach-Klubobfrau Waltraud Dietrich lehnte eine Bestrafung von Menschen, die keine Arbeit finden, ab, meinte aber gleichzeitig, dass jene, die arbeiten, mehr verdienen müssten als jene, die in der sozialen Hängematte liegen bleiben. Um Arbeitsplätze zu schaffen, bekräftigte sie ihre Forderung nach einer Entlastung des Faktors Arbeit.
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