Fußfessel-Reform

Sextäter sollen mindestens Hälfte der Strafe absitzen

Österreich
18.09.2012 13:43
Nach den heftigen Diskussionen rund um die Vergabe von Fußfesseln an Sexualstraftäter in den vergangenen Wochen hat Justizministerin Beatrix Karl am Dienstag ein Vier-Punkte-Maßnahmenpaket zur "Nachschärfung" der bestehenden Regelungen vorgestellt. Unter anderem sollen Sexualstraftäter nun mindestens die Hälfte ihrer Strafe absitzen müssen, bevor überhaupt eine Fußfessel beantragt werden kann. Zudem soll den Opfern sexueller Gewalt ein "Äußerungsrecht" im Vergabeprozess eingeräumt werden.

Mehr als 1.000 Rechtsbrecher haben in den vergangenen zwei Jahren zumindest einen Teil ihrer Strafe im elektronisch überwachten Hausarrest mit der Fußfessel verbracht. Diese neue Vollzugsform habe sich laut Karl sehr bewährt. Es habe sich aber gezeigt, dass es bei einem besonders sensiblen Bereich "Nachschärfungsbedarf" gibt, nämlich bei der Vergabe von Fußfesseln an Sexualstraftäter. "Nach zahlreichen Gesprächen mit Experten kann ich heute ein fundiertes Paket vorschlagen", so Karl.

Vier-Punkte-Maßnahmenpaket zur "Nachschärfung"
Das Maßnahmenpaket der Justizministerin beinhaltet vier Punkte: Rechtsbrechern, die wegen Vergewaltigung, geschlechtlicher Nötigung, sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person, sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, pornografischer Darstellung Minderjähriger oder sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen verurteilt wurden, können sich ihre Haftstrafe nicht mehr gänzlich durch eine Fußfessel ersparen. Ein solcher Täter kann frühestens zur Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe um eine Fußfessel ansuchen. Und auch dann kann die Fußfessel nur nach Prüfung durch die Justizanstalt und die Vollzugsdirektion gewährt werden.

Weiters muss gewährleistet sein, dass der Verurteilte den elektronisch überwachten Hausarrest nicht missbraucht. Deshalb sollen alle Sexualstraftäter, die eine Fußfessel zuerkannt bekommen, mit einer GPS-Fußfessel ausgestattet werden. Das zusätzliche Ortungssystem bietet die Möglichkeit, den Fußfesselträger permanent zu überwachen und gewisse Orte - wie etwa die Wohnung oder den Arbeitsplatz des Opfers - für ihn zu sperren.

Auch für alle sonstigen strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität oder jene gegen Leib und Leben darf die Fußfessel nur dann gewährt werden, wenn gewährleistet ist, dass der Verurteilte den elektronisch überwachten Hausarrest nicht missbraucht.

Zudem möchte Karl in Zukunft die Opfer stärker einbinden: "Ich werde vorschlagen, sämtlichen Opfern von Sexualdelikten und sexuell motivierten Gewaltdelikten ein Äußerungsrecht einzuräumen. Damit geben wir auch den Opfern, die das wollen, in Zukunft eine Stimme", so die Ministerin.

"Täter bei der Reintegration kontrollieren"
Sexualstraftätern generell den Zugang zu Fußfesseln zu verwehren, sei nicht zweckmäßig, meinte Karl. "Es macht Sinn, den Täter am Ende seiner Haftstrafe bei der Reintegration zu kontrollieren." Außerdem könne man den elektronisch überwachten Hausarrest mit Auflagen verbinden - "etwa das Besuchen einer Therapie oder ein Alkoholverbot" -, die bei einer einfachen Entlassung nach Abbüßen der Freiheitsstrafe nicht verhängt werden könnten.

"Strafrechtlich darf nichts rückwirkend in Kraft treten"
Karl will nun das Maßnahmenpaket dem Parlament vorlegen. "Die Kriterien für die Zuerkennung einer Fußfessel für Sexualstraftäter werden dadurch erheblich verschärft, was ich auch nicht zuletzt aus generalpräventiven Gründen für sinnvoll halte", erklärte Karl abschließend. Gespräche der Ministerin mit den Justizsprechern von SPÖ und ÖVP hätten bereits stattgefunden, ergänzte Ministeriumssprecher Sven Pöllauer gegenüber krone.at. Frühestens könnten die Maßnahmen demnach am 1. Jänner 2013 wirksam werden.

Auswirkungen auf aktuelle Fälle - wie etwa jenen eines verurteilten Vergewaltigers aus Salzburg, dem die Fußfessel zuerkannt worden war, noch bevor dieser seine Haftstrafe angetreten hatte (siehe Infobox) - hätten die neuen Regelungen aber nicht. "Strafrechtlich darf nichts rückwirkend in Kraft treten", so Pöllauer.

Bisher in 1.007 Fällen Fußfessel gewährt
Die elektronische Fußfessel steht in Österreich seit 1. September 2010 zur Überwachung von Untersuchungshäftlingen und rechtskräftig verurteilten Straftätern mit einer Freiheitsstrafe bzw. Reststrafe von höchstens einem Jahr zur Verfügung. Mit ihrer Einführung wollte man die an ihren Kapazitätsgrenzen angelangten Justizanstalten entlasten. Insgesamt gab es bis Dienstag 1.007 Fußfesselträger. Aktuell sind es 209 Personen, die auf diese Weise überwacht werden. Mehr als 70 Prozent der Fußfesselträger verbüßen Freiheitsstrafen von nicht mehr als sechs Monaten.

Eine hitzige Diskussion wird geführt, seit bekannt wurde, dass auch Sexualstraftäter mit Fußfesseln ausgestattet werden. Seit Inkrafttreten wurden sie an 23 Sextäter vergeben. Aktuell prüft der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung über den elektronisch überwachten Hausarrest für fünf verurteilte Sexualstraftäter.

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