Treffen in Wien

Strache: “Wir verhindern den Selbstmord der EU”

Österreich
17.06.2016 12:58

Eine Woche vor dem Brexit-Referendum haben rechtspopulistische Parteien bei einem Treffen in Wien ähnliche Volksabstimmungen in anderen EU-Staaten gefordert. "Ich möchte, dass alle Länder gefragt werden in Bezug auf ihre Beziehung zur Europäischen Union", sagte Front-National-Chefin Marine Le Pen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagte, er wolle durch Reformen einen "Selbstmord" der EU verhindern.

"Ich denke, dass die meisten Franzosen gegen die Europäische Union sind, weil sie das im Jahr 2005 schon waren", sagte Le Pen mit Blick auf das gescheiterte französische Referendum über die EU-Verfassung. In den elf Jahren seither sei der Anteil der EU-Gegner wohl noch gestiegen, weil die Aktivitäten der EU "immer schlimmer" geworden sein, sagte die Chefin des Front National (FN) bei einer Pressekonferenz mit Strache und Vertretern von vier anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa.

Strache und Le Pen (Bild: AP)
Strache und Le Pen
(Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)
(Bild: AP)

Le Pen sagte, dass ein EU-Austritt Großbritanniens vielleicht der Beginn eines Europas "a la carte" sein könnte. Die Briten dürften nicht für ein Austrittsvotum bestraft werden. Mit Blick auf die Tatsache, dass Großbritannien schon jetzt nicht Teil Schengens oder des Euroraums sei, sagte sie: "Frankreich hätte vielleicht fünfmal so viel Grund, die Europäische Union zu verlassen, wie die Engländer."

"Wir erleben, dass wir gegen Wände rennen"
Strache sagte, dass die "patriotischen Parteien" die Europäische Union von innen verändern wollten - in Richtung mehr direkte Demokratie, Rückverlagerung von Kompetenzen an die nationalen Parlamente, Kampf gegen internationale Konzerne, Schutz der Identitäten. "Wir erleben, dass wir gegen Wände rennen", kritisierte Strache die EU-Kommission. Diese müsse die "Völker" einbinden. "Das, was an Politik gelebt wird, grenzt an Suizid. Man soll bei einem Selbstmord nicht zusehen, dann macht man sich mitschuldig", sagte Strache. "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit", richtete er den EU-Eliten aus.

Anschließend stellte er das Treffen auch unter das Motto: "Patrioten aller europäischen Länder, vereinigt euch." Zwar hätten die teilnehmenden Parteien "unterschiedliche Zugänge" in einzelnen Politikbereichen, aber "es gibt Dinge, auf die wir uns verständigen und einigen". Außerdem wolle man sich angesichts der "modernen Völkerwanderung" für eine "Allianz für Sicherheit, Wohlstand und Frieden" in Europa einsetzen sowie eine "Kurskorrektur" in der Eurokrise, wo Griechenland ein "Fass ohne Boden" sei, erreichen. Auf diese Weise solle aus dem "tiefen Winter in der Europäischen Union" ein "patriotischer Frühling" werden, so Strache.

"Unmut unter den Völkern Europas"
Zum Brexit-Referendum sagte Strache: "Die Briten selbst entscheiden, welchen Weg sie in Zukunft gehen wollen. Da mischen wir uns nicht ein." Es gebe aber einen "Unmut unter den Völkern Europas": "Die Menschen wollen ein anderes, ein gerechteres, ein neues Europamodell." Strache widersprach zugleich Vorwürfen, die rechtspopulistischen Parteien seien auf eine Zerstörung Europas aus. "Wir sind nicht europafeindlich, im Gegenteil. Wir lieben Europa, wir wissen, dass Europa eine gute Entwicklung braucht. Aber wir haben andere Vorstellungen als die europäischen Unionsvertreter."

(Bild: AFP)
(Bild: AFP/VLADIMIR SIMICEK)
(Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)

Marcus Pretzell von der Alternative für Deutschland sagte, dass das "Establishment" der EU das Brexit-Referendum am kommenden Donnerstag "zu Recht als Gefahr" begreife. "Wenn Großbritannien tatsächlich austreten sollte, dann wird man möglicherweise feststellen, dass es entgegen aller Unkenrufe ein Leben nach der Europäischen Union geben kann", sagte er mit Blick auf Länder wie Norwegen oder die Schweiz.

Rechtspolitiker aus halb Europa versammelt
Neben Strache, Le Pen und Pretzell nahmen an der Pressekonferenz auch Politiker aus Großbritannien, Italien, Rumänien, Belgien und Tschechien teil. Nach Wien gekommen sind die Britin Janice Atkinson (ehemals UKIP), der Italiener Lorenzo Fontana (Lega Nord), der Rumäne Laurentiu Rebega (ehemals Konservative), der Flame Gerolf Annemans (Vlaams Belang) - allesamt Europaabgeordnete - sowie der Chef der tschechischen Partei "Freiheit und Direkte Demokratie", Tomio Okamura.

(Bild: AFP)

"Patrotischer Frühling" in Vösendorf ohne Zwischenfälle
Am Abend feierten schließlich rund 1500 bis 2000 FPÖ-Anhänger mit Strache, Le Pen und den übrigen Rechtspopulisten im Veranstaltungszentrum "Pyramide" in Vösendorf den "Patriotischen Frühling". Okamura geißelte die EU als "Diktatur", während der Pole Michal Marusik erklärte, warum seine Heimat bei Flüchtlingen nicht so beliebt sei: "Wir nehmen viel und geben wenig. Erlaubt nicht, dass die fremden Einwanderer an eurer Zitze saugen und euer Blut aussagen", sagte Marusik unter dem Applaus der Besucher.

Die Polizei, mit einer dreistelligen Anzahl an Beamten im Einsatz, hatte einen ruhigen Abend. Gewaltbereite Linksextremisten kamen diesmal nur in der Rede Straches vor. "Wir hatten kein Gegenüber", bilanzierte ein Polizeisprecher.

(Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)

FPÖ und FN hatten nach der Europawahl 2014 gemeinsam eine rechtspopulistische Fraktion im EU-Parlament gegründet. Neben der Lega Nord und dem Vlaams Belang gehören ihr auch die Partei für die Freiheit des Niederländers Gert Wilders und der polnische "Kongress der neuen Rechten" an. 20 der 38 Abgeordneten kommen aus den Reihen von Le Pens Front National.

Le Pen war von FPÖ-Chef Strache schon am Donnerstagabend in Wien willkommen geheißen worden. Über Facebook verbreitete er ein gemeinsames Foto unter dem Titel: "Mit der zukünftigen französischen Präsidentin Marine Le Pen über den Dächern von Wien!"

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