WikiLeaks-Enthüllung

USA lästern über Österreichs Rolle in der Weltpolitik

Österreich
05.12.2010 23:10
Es war nur eine Frage der Zeit: Im Rahmen der "Cablegate"-Affäre sind bei WikiLeaks nun auch Dokumente aufgetaucht, in denen Österreich sein Fett wegbekommt. "Frustriert", "extrem enttäuscht" und "besorgt" seien die Diplomaten an der US-Botschaft in Wien über die heimischen Politiker. Außerdem bestehe eine "Kluft zwischen dem Bild, das Österreich sich selbst von seiner Rolle in der Welt macht, und seiner tatsächlichen, zunehmend bescheidenen Leistung".

Die besagten Österreich-Dokumente, die derzeit noch nicht für jedermann einsehbar sind, werden von der deutschen Website "Spiegel Online" zitiert. Rund 1.700 Depeschen hat die US-Botschaft in Wien an das Außenministerium in Washington geschickt - und dabei an unserem Land und den Politikern kaum ein gutes Haar gelassen. Vor allem das mangelnde Engagement auf der Weltbühne kreidet die Supermacht uns an.

Bundeskanzler Werner Faymann sei demnach nicht sonderlich in der Weltpolitik engagiert. "Es ist klar geworden, dass er kein persönliches Interesse an Außenpolitik hat", berichten die Diplomaten. Auch auf Außenminister Michael Spindelegger sei demnach kein Verlass. "Er ist weitgehend darauf konzentriert, das Vordringen der österreichischen Wirtschaft zu fördern." Und Verteidigungsminister Norbert Darabos sei nicht nur "uninteressiert an Außen- und internationaler Sicherheitspolitik", sondern darüber hinaus "offen ablehnend gegenüber Plänen, österreichische Truppen auf gefährliche Einsätze ins Ausland zu schicken", enthüllen die Dokumente.

Handelsbeziehungen zu "Schurkenstaaten"?
Ebensowenig gefällt den US-Diplomaten, dass Österreich sich weigere, Ex-Guantanamo-Häftlinge aufzunehmen. Auch vermeintliche Geschäftsbeziehungen heimischer Firmen zu den "Schurkenstaaten" Iran und Nordkorea trugen demnach nicht gerade zu einer Klimaverbesserung zwischen Washington und Wien bei. Immer wieder tauchen laut "Spiegel Online" die Firmennamen OMV, Steyr-Mannlicher und Raiffeisen in den Depeschen auf.

Das Fazit der Botschafter ist eine schallende Ohrfeige für unser Land, das sich einst auf der internationalen Bühne so viel Lorbeeren verdient hat: "Es besteht eine Kluft zwischen dem Bild, das Österreich sich selbst von seiner Rolle in der Welt macht, und seiner tatsächlichen, zunehmend bescheidenen Leistung."

Darabos verlangt "Klarstellung" von US-Botschafter
Zumindest Verteidigungsminister Norbert Darabos will die Kritik aber nicht auf sich sitzen lassen. "Wir erwarten uns eine Klarstellung des Botschafters", sagte sein Sprecher Stefan Hirsch am Sonntag. Der Minister sei "sehr überrascht und verwundert" über die Kritik, die "nicht Ausdruck eines hohen politischen Verständnisses ist". Anders als behauptet seien nämlich internationale Militäreinsätze für Darabos "sehr wichtig".

So halte Darabos trotz des Sparbudgets auf einem hohen Niveau an den internationalen Einsätzen mit 1.500 Soldaten fest. Während seiner Amtszeit sei die österreichische Truppenstärke in Bosnien-Herzegowina verdoppelt worden und Darabos habe auch gegen "massive öffentliche Kritik" den "gefährlichen Einsatz" des österreichischen Bundesheeres im Tschad "durchgesetzt". "Das hätte wahrscheinlich kein anderer Verteidigungsminister in der Zweiten Republik gemacht", betonte der Ministersprecher. Möglicherweise bestehe ein Zusammenhang mit der Kritik des Verteidigungsministers an früheren US-Plänen, sagte Hirsch. Man könne sich vorstellen, dass die Amerikaner "frustriert und enttäuscht sind, weil er offen Kritik am geplanten US-Raketenschild übt und den Afghanistan-Einsatz ablehnt".

Faymann: "Treffen unsere Entscheidungen souverän"
Bundeskanzler Faymann pochte auf Österreichs Eigenständigkeit. "Ein neutraler Staat trifft seine Entscheidungen souverän", betonte ein Sprecher am Sonntag. Er wolle keinen Kommentar zu den vom "Spiegel" kolportierten Depeschen abgeben, da diese noch nicht im Originaltext vorliegen. Es dürfte sich aber um "Einzelmeinungen von Diplomaten handeln". "Wesentlich für die Beziehungen ist der Kontakt auf Augenhöhe", also zwischen den österreichischen Regierungsmitgliedern und ihren jeweiligen US-Pendants, und dieser sei "teilweise sehr intensiv".

Katz-und-Maus-Spiel um Internet-Domain geht weiter
Unterdessen geht das Katz-und-Maus-Spiel rund um die Erreichbarkeit der Enthüllungs-Website offenbar in eine neue Runde. Über ihren Hauptserver in Frankreich war "WikiLeaks" am Sonntag nicht mehr erreichbar, wie Schweizer Unterstützer des Projekts am Sonntag mitteilten. Denis Simonet von der Schweizer Piratenpartei sagte der Nachrichtenagentur AP, die Adresse wikileaks.ch werde auf einen anderen Server umgeleitet. Der Vorgang könne einige Stunden dauern, unter der numerischen IP-Adresse ihres schwedischen Servers (http://213.251.145.96/) sei die Internetseite mit den seit einer Woche einsehbaren Geheimdokumenten aus dem diplomatischen Dienst der USA aber weiterhin aufrufbar.

Ein Grund für den Ausfall des französischen Servers wurde zunächst nicht genannt. Der französische Industrieminister Eric Besson hatte es am Freitag als "inakzeptabel" bezeichnet, dass die Enthüllungsplattform von Frankreich aus betrieben werde, und damit gedroht, den Dienst von inländischen Servern zu verbannen.

Internationale Domain bereits am Donnerstag "gekappt"
Die internationale Webadresse mit der ".org"-Endeung war bereits am Donnerstag von dem US-Unternehmen EveryDNS abgeschaltet worden (siehe Infobox). Die Firma hatte erklärt, die Abschaltung sei notwendig geworden, da es wiederholt zu Angriffen auf die Adresse gekommen sei, was die gesamte Infrastruktur des EveryDNS-Netzwerkes gefährdet habe.

Die Internet-Adresse wikileaks.ch, die am Freitag zur Hauptseite der Enthüllungsplattform wurde, steht unter der Kontrolle der Schweizer Piratenpartei. Der Schweizer Domain-Name wird jedoch über einen Server der französischen Firma OVH betrieben.

Kontensperre: Jetzt wird es auch finanziell eng für WikiLeaks
Als sei das noch nicht genug, sperrte am Wochenende auch noch der Internet-Bezahldienst Paypal WikiLeaks das Konto. Damit drohen dem auf Spenden angewiesenen Online-Portal massive finanzielle Einbußen.

Wegen Verletzungen der Nutzungsbedingungen sei das von WikiLeaks genutzte Konto "dauerhaft abgeschaltet" worden, teilte Paypal mit. Den Vorgaben zufolge dürfe das Bezahlsystem nicht genutzt werden, "um illegale Vorgänge anzuregen, zu fördern oder zu erleichtern". WikiLeaks machte darauf "Druck der US-Regierung" für die Kontensperre durch die Tochter des US-Internet-Auktionshauses eBay verantwortlich.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt