Die SPÖ ist im politischen Überlebenskampf Werner Faymanns total zerstritten. In der ÖVP gleicht die Einigkeit der Geschichte von Kain und Abel. Die FPÖ verdrängt im Umfragehoch ihre Erfahrung der mehrfachen Spaltung. Generell haben (Partei-)Politiker Vertrauenswerte wie Waffenhändler und Zuhälter. Machen Parteien da überhaupt noch Sinn? Eine Analyse von Politikwissenschaftler Peter Filzmaier.
Menschen werden Mitglied in Organisationen, wenn sie davon einen Vorteil haben. Früher zahlte man seinen Mitgliedsbeitrag in der Erwartung, durch die Partei leichter und schneller einen Job oder eine Wohnung zu bekommen. In den Anfängen der Zweiten Republik basierte der Wiederaufbau auf Parteiseilschaften und verbesserte wirklich die Lebenssituation für viele - und nicht bloß zugunsten weniger Privilegierter.
Historische Wurzeln des Postenschachers
Historisch gesehen war sogar der Postenschacher verständlich: In der Nachkriegszeit sorgten SPÖ und ÖVP dafür, dass irgendwo ein Roter oder Schwarzer amtsdienert und kein Ex-Nazi. Das ist längst zu einem Proporzsystem verkommen, um Parteigünstlinge in (halb-)öffentliche Ämter zu hieven. Vom ministeriellen Abteilungsleiter bis zum Schuldirektor werden beschönigende Objektivierungsverfahren als Verspottung der Bürger empfunden. Die FPÖ war übrigens in ihrer Regierungszeit von 2000 bis 2006 sowie noch länger in Kärnten um nichts besser.
Ideologien treten in den Hintergrund
Freilich bezeichnen sich Parteien genauso als Gesinnungsgemeinschaft. Man möchte unter Gleichdenkenden sein. Doch ist das immer weniger geeignet, um den Parteien in der Bevölkerung Rückhalt zu verschaffen. In der Konsum-, Freizeit- und Spaßgesellschaft sind ideologische Überzeugungen in den Hintergrund getreten. Die schnelllebige Mediendemokratie will von Werten der Parteien nichts wissen. In der SPÖ wird das Parteiprogramm diskutiert, ohne dass es jemand von uns mitbekommt. Das kürzlich erneuerte Programm der ÖVP haben alle wieder vergessen. SPÖ-Anhängern sind sozialdemokratische Vordenker unbekannt. ÖVP-Wähler aus christlicher Überzeugung werden weniger. Welcher FPÖ-Parteigänger hat je das blaue Grundsatzprogramm gelesen? Fast keiner.
Wer ist der typische SPÖ-Wähler?
Parteien vertreten selbstverständlich Interessen einzelner Gruppen. Die industrielle Revolution etwa hat mit der Arbeiterschaft eine neue Klasse und die SPÖ als Partei zu deren Vertretung entstehen lassen. Heute machen Arbeiter kaum über zehn Prozent der Wahlbevölkerung aus. Es dominiert der extrem vielfältige Dienstleistungssektor. Ein Nebenerwerbsbauer mit kleinem Geschäft am Hof und Halbtagsjob ist sowieso keiner Berufsgruppe zuordenbar. Klare Gruppeninteressen sind demnach ein Widerspruch in sich. Der typische Wähler der SPÖ ist bestenfalls pensionierter Hackler.
Gleichzeitig befindet sich die ÖVP im Spagat zwischen Unternehmer-, Angestellten- und Bauernpartei. Die rot-schwarzen Wählerströme aller Bevölkerungsgruppen hin zur FPÖ zeigen, dass die Interessenvertretung nicht glaubhaft funktioniert. Vielleicht deshalb, weil keine Partei des Kleinstaates Österreich in der Lage ist, Wunschinteressen der Bürger umzusetzen. Schließlich verlor die FPÖ ihre Wähler einst sofort, als sie Teil der Bundesregierung wurde. Chancen hätte demnach nur, wer mit welcher Parteifarbe immer in der Opposition den Protestwählern als lose Gruppe eine bessere Welt vorgaukelt.
Das schwere Bestehen in der Regierung
Als Interessenvertretung müssten Parteien bei Konfliktlinien der Gesellschaft zudem auf einer Seite stehen und "gegen die anderen" sein. Für Regierungsparteien ist das nicht machbar, weil sie das Staatsganze im Auge behalten müssen. Typisch waren die Grünen, welche einst im Konflikt von Wirtschaft und Umwelt entstanden sind. Seit sie in vielen Bundesländern mitregieren, werden bereits bei jedem Skigebiet Kompromisse von Interessen für Arbeitsplätze oder Naturschutz für sie zur Zerreißprobe. Klare Positionierungen - dazu zählt oft für oder gegen Ausländer als Ideologieersatz, von der Willkommenskultur bis zu den Grenzzäunen - sind langfristig unmöglich, weil sie grobe Vereinfachungen verlangen. Sobald Parteien an der Macht sind, müssen sie sich mit komplizierten Details herumschlagen. Vom Populismus angezogene Wähler werden enttäuscht.
Die Sehnsucht nach neuen Parteien
Daher kommt es zur Sehnsucht nach neuen Parteien. Frank Stronach, Hans-Peter Martin oder Fritz Dinkhauser in Tirol waren in Wahlen aus dem Stand erfolgreich. Vorübergehend, weil sie anders als etablierte Parteien auftraten und über diese schimpften. Das genügt. Wer "Winnetous Apatschen" gründet, kann es ins Parlament schaffen. Dumme Slogans der Art "Wir sind echte Rote!" oder "Rot-weiß-rotes Blut statt blauer Rausch!" könnten ausreichen, um sowohl SPÖ als auch FPÖ Wähler abspenstig zu machen. Das Dilemma ist, dass solche Schaumschläger bald entzaubert verschwinden.
Die Konsequenzen sind dramatisch: Zwei Drittel der Wahlberechtigten meinen, dass sich Parteien nicht für Wähleranliegen interessierten. Fast ebenso viele sehen ein Politikversagen. Eine Mehrheit verkündet, bloß das kleinere Übel zu wählen. 20 Prozent bezweifeln, dass Demokratie die beste Regierungsform ist. Die Parlamentsparteien sollten also gemeinsam nachdenken, ihre Branche - Demokratie, Politik und Parteien - nicht endgültig zu ruinieren.
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