Mit ihrem Fesselplakat provoziert Maria Vassilakou Koalitionspartner und Wähler: Mit Conny Bischofberger spricht Wiens grüne Vizebürgermeisterin über Sexismus, böse Mädchen und "lästige Wanzen".
Die Tür zum China-Restaurant "On" im fünften Wiener Gemeindebezirk geht auf und Maria Vassilakou schiebt ein Rad ins Lokal. "Hallo", ruft sie und wischt sich noch schnell den Schweiß von der Stirn. 45 Minuten hat sie von Wien-Dornbach in die Wehrgasse gebraucht - das Tratscherl mit einem Wiener, der sie am Elterleinplatz höflich, aber bestimmt nach Griechenland gewünscht hat, schon mit eingerechnet. Maria Vassilakou bestellt Cappuccino, aber vorher parkt der Ober ihre zusammenklappbare Herkules mit dem Pickerl "Es keat anfoch viel mehr g'schmust" noch schnell im efeuberankten Innenhof.
Hier können Sie sich drei Soundbites aus dem Interview anhören: Vassilakou über das Plakat, über Senol Akkilic und ihre Antwort auf die Frage, ob Sie sich vorstellen könnte, in Griechenland Politik zu machen.
"Krone": Frau Vassilakou, erklären Sie uns bitte die Botschaft dieses Plakats. Warum picken Sie an der Wand?
Maria Vassilakou: Ein Plakat hat viele Botschaften, und das Erkennen liegt immer im Auge des Betrachters. Deshalb kann ich nur sagen, was ich darin sehe. Ich sehe eine witzige, zugegebenermaßen auch etwas freche Art, auf jene Mechanismen und Klischees hinzuweisen, mit denen nicht nur ich, sondern viele Frauen konfrontiert sind. Mehr ist das nicht.
"Krone": Welche Mechanismen meinen Sie? Dass man kein böses Mädchen sein darf, sondern die Pappn halten sollen, wenn Männer sprechen?
Vassilakou: In Gottes Namen, nein! Worum es geht ist einfach, dass wir alle mit klischeehaften Rollenbildern aufwachsen. Während eine Frau, die unangepasst ist, eine Meinung hat und diese auch durchsetzt, gerne kritisiert wird, werden dieselben Eigenschaften bei einem Mann positiv bewertet. Der ist dann mutig, durchsetzungskräftig, beharrlich.
"Krone": Trotzdem, Sie sind die mächtigste Politikerin Wiens: Warum lassen Sie sich mit Klebeband fesseln?
Vassilakou: Da vertiefen wir uns jetzt zu sehr. Der Körper auf diesem Plakat ist ja auch nicht von mir, nur der Kopf. (Kichert.) Das soll man nicht zu Tode diskutieren, weil dann ist der ganze Spaß dahin.
"Krone": Sie finden es also lustig?
Vassilakou: Ich habe es gesehen und habe sehr viel gelacht. Ich fand, dass es Dinge auf den Punkt bringt, aber eben mit einem Augenzwinkern. Ist doch schön, wenn es in der Politik noch so etwas wie Humor gibt.
"Krone": Aber hilft es nicht viel mehr dem Bürgermeister, weil es ihm eben Macht zugesteht?
Vassilakou: Ich verbringe nicht meine Tage damit, darüber nachzudenken, was dem Bürgermeister hilft oder nicht. Ich tue, was ich für richtig und wichtig halte, und ich gehe davon aus, dass das bei Herrn Häupl genauso ist.
"Krone": Gibt es schon einen Kommentar von ihm?
Vassilakou: Nein. Ich könnte mir aber vorstellen, dass er lacht. Er ist ja bekannt für seinen Humor, und ich denke nicht, dass er ihm diesmal abhanden kommt.
"Krone": Ist das Plakat sexistisch?
Vassilakou: Nein, absolut nicht. (Denkt kurz nach.) Dazu erspare ich mir jeden weiteren Kommentar.
"Krone": Die Grünen haben angekündigt, dass es eine ganze Serie von Plakaten dieser Art geben soll. Werden Sie als Nächstes mit der Peitsche plakatiert?
Vassilakou: Nein, und ich hänge auch nicht kopfüber an einem Seil oder sitze in einem Käfig. Aber Sie dürfen sich schon sehr unkonventionelle, aneckende Plakate erwarten. Lassen Sie sich überraschen!
"Krone": In den Internet-Foren wird die Werbung oft mit "Fifty Shades of Grey" in Verbindung gebracht. Können Sie damit leben?
Vassilakou: Ich staune immer wieder, wie viele Menschen sich offensichtlich diesen schrulligen Film angeschaut haben. (Schüttelt sich zum Spaß.) Das ist einfach nicht Teil meiner Welt... Wenn jemand das damit assoziiert, ist das seine Sache. Am Ende des Tages ist mein Plakat eine Karikatur, die wochenlang im öffentlichen Raum hängt und die jeder so interpretieren kann, wie er möchte. Insofern ist uns diese Werbung gelungen. Sie hat sogar einen hohen Unterhaltungswert.
Die Politikerin trägt ein grünes Kleid, dazu ein schwarzes Jäckchen und viele bunte Armbänder. Die Mimik hat sie ihrer Darstellung des aufsehenerregenden Plakates als Karikatur angepasst: Sie lacht, rollt ihre dunklen Augen, schneidet Grimassen. So, als würde sie sich insgeheim freuen, dass jetzt alle über die Botschaft sinnieren, wo es doch für sie in erster Linie um Humor gegangen ist.
"Krone": Findet Ihr Mann das "Ich soll den Häupl Michi nicht immer so ärgern"-Plakat lustig?
Vassilakou: Ja, wir haben auf alle Fälle beide einen schwarzen Humor.
"Krone": Unumstritten ist, dass es eine Provokation für den Koalitionspartner war. Warum gießen Sie Öl ins Feuer?
Vassilakou: Für mich ist es keine Provokation, sondern lediglich ein Necken.
"Krone": Motto: Was sich liebt, das neckt sich?
Vassilakou: Ich würde sagen: Was sich nahesteht, das neckt sich. Die Liebe sei dahingestellt. Wir unterscheiden uns ja in vielen Punkten, und außerdem befinden wir uns im Wahlkampf, den wir sicher nicht kuschelnd als Koalabärenfamilien bestreiten werden. Michael Häupl neckt ja auch mit seinem Almdudler-Trachtenpärchen.
"Krone": Wie würden Sie die Stimmung seit dem Überlauf des grünen Mandatars Akkilic zur SPÖ bezeichnen?
Vassilakou: Es ist eine schwere Verstimmung.
"Krone": Sind Sie Ihrem Ex-Kollegen Akkilic noch böse?
Vassilakou: Er hat mich sehr enttäuscht. Er hat nicht nur das Wahlrecht über Bord geworfen, sondern auch alle Überzeugungen der letzten 20 Jahre ins tiefste Meer versenkt. Er war einer der schärfsten Kritiker der SPÖ in Sachen Asyl und Integration, jetzt stellt er ihr einen Persilschein aus. Das lässt mich wirklich ratlos zurück. Meine Enttäuschung hält noch immer an und ist vielleicht sogar noch ein Stück gewachsen.
"Krone": Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie wahrscheinlich ist eine Fortsetzung von Rot-Grün nach den Wahlen?
Vassilakou: Ich traue mich nicht, eine Prognose abzugeben. Die beste Voraussetzung ist ein sehr gutes Wahlergebnis, und dafür kämpfe ich. Die Grünen müssen zulegen.
"Krone": Glauben Sie, dass das mit Ihren Plänen für eine Neugestaltung der Wiener Ringstraße gelingen wird?
Vassilakou: Wenn wir vom öffentlichen Raum sprechen, von Orten, die eine große Bedeutung für unseren Alltag, aber auch für unsere Identität haben, wenn wir dafür Visionen entwickeln, dann geht es nicht um Wählerstimmen. Dann geht es darum, Wien schöner und besser zu machen.
"Krone": Was soll aus der Ringstraße werden?
Vassilakou: Der neue Wiener Corso, ähnlich wie die Prachtboulevards spanischer Städte oder die Champs-Elysees. Eine Flaniermeile, wo Fußgänger viel mehr Platz bekommen, mit Blumen und Bäumen und Sitzmöbeln, vor allem vor Burg, Oper und Uni, mit dramatischer Beleuchtung in der Nacht... Wir wollen ein Juwel zur Geltung bringen, aber die SPÖ hat uns schon ausgerichtet, dass sie das kritisch sieht.
"Krone": Nervt Maria Vassilakou wieder mit einer Meinung, die sie durchszugeschrieben wird. "A lästige Wanzn", wie es im Wienerischen heißt. Ich fürchte, es ist nicht nett gemeint... Genauso wenig, wie wenn manche Wiener mich zurück nach Griechenland schicken wollen.
"Krone": Könnten Sie sich vorstellen, doch noch irgendwann in die griechische Politik zu gehen?
Vassilakou: Ehrlicherweise nein. Ich bin knapp vor meinem 18. Geburtstag nach Österreich gekommen, und inzwischen habe ich weit mehr als die Hälfte meines Lebens hier verbracht - eindeutig die schönere Hälfte! Ich finde, Politik soll man dort machen, wo man lebt und sich maximal mit der Gesellschaft identifiziert. Logisch habe ich ein Herz für Griechenland, aber mein Zuhause ist Österreich.
Jetzt sind wir doch noch auf Griechenland zu sprechen gekommen. Zweimal war die 46-Jährige für einen Polit-Job in ihrer Heimat im Gespräch, aber Maria Vassilakou fühlt sich heute mehr mit Österreich verwurzelt als mit Griechenland. Als "Krone"-Fotograf Kristian Bissuti sich auf Griechisch verabschiedet, ist sie aber ganz selig.
Grüne Griechin: Geboren am 23.2.1969 in Athen, seit 1986 lebt die Doppelstaatsbürgerin in Wien. Studium der Sprachwissenschaft und von Fächern der Psychologie. Bei den Grünen seit 1993. 2010 wurde Maria Vassilakou erste grüne Wiener Vizebürgermeisterin, zuständig für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung. Vassilakou ist verheiratet; ein Jack-Russell-Terrier namens "Rico".
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