Sie will Österreichs erste Bundespräsidentin werden: Irmgard Griss (69) sprach mit Conny Bischofberger über Außenseiterchancen, vernichtete Hypo-Akten und die Angelobung eines Heinz-Christian Strache als Bundeskanzler.
Am späten Donnerstagnachmittag ging das Video ihrer Antrittsrede auf YouTube online. Schlichter Rahmen, kein Adventkranz, kein Kreuz, keine Österreich- oder Europafahne: Irmgard Griss steht in einem schwarzen Sakko vor neutralem Hintergrund und gibt den "lieben Mitbürgerinnen und Mitbürgern" ihre Kandidatur zur Bundespräsidentin bekannt.
Irmgard Griss: Ihre Antrittsrede im Video
Am Freitagvormittag dann die Pressekonferenz im "Event Room" von Vienna Impact Hub im siebten Wiener Gemeindebezirk, bei der Journalisten erstmals ihren Kaffee selber bezahlen mussten. "Wir haben geringe Mittel und deshalb gar nicht daran gedacht, die Journalisten einzuladen", erklärt die frühere Höchstrichterin bei unserem Telefoninterview am Freitagabend.
So ein Wahlkampf verschlingt normalerweise Millionen. 100.000 Euro hat Griss von der Ehefrau eines Industriellen bereits als Wahlkampfspende erhalten, mit insgesamt 500.000 Euro will sie auskommen. Im Jänner startet dafür eine Schwarmfinanzierung (Crowdfunding) im Internet.
"Krone": Frau Griss, soll man Ihnen gratulieren oder doch eher Beileid wünschen?
Irmgard Griss: Ich hoffe, dass Sie mir gratulieren! Auf meinem kurzen Weg durch die Wollzeile haben mich sechs Leute unabhängig voneinander angesprochen. "Wir sind so froh, dass Sie kandidieren! Unsere Stimme haben Sie." Ich bekomme derzeit unglaublich viel Zuspruch aus der Bevölkerung.
"Krone": Gertraud Knoll kam 1998 auf 13,6 Prozent, Richard Lugner auf zehn Prozent. Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Griss: Ich will keine Prozentzahl nennen. Ich gehe mit der Überzeugung in diese Wahl, dass Österreich Veränderung braucht, dass die Zeit reif dafür ist und dass ich daher sehr gute Chancen habe.
"Krone": Außenseiterchancen, sind wir uns da einig?
Griss: Natürlich. Da ich von keiner Partei aufgestellt bin, sondern als unabhängige Person antrete, bin ich eine Außenseiterin. Aber wenn ich nicht der Überzeugung wäre, dass es für mich auch möglich ist zu gewinnen, müsste ich mir das nicht antun.
"Krone": Das ist ja genau die Frage. Sie könnten jetzt in Graz die stillste Zeit des Jahres genießen, stattdessen werfen Sie sich vier Monate vor der Bundespräsidentenwahl in eine Polit-Schlacht. Warum tun Sie sich das an?
Griss: Weil ich überzeugt bin, dass Österreich mehr Ehrlichkeit, Mut und Verantwortung in der Politik braucht.
Video: Griss will Fairnessabkommen für Bundespräsidenten-Wahlkampf
"Krone": Das klingt, als hätten Sie sich schon die Sprache der Altpolitiker zugelegt…
Griss: Ich spreche immer so, wie ich das mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Ich habe weder den Wunsch, wie eine Nichtpolitikerin zu klingen noch die Neigung, wie eine Altpolitikerin zu klingen. Das ist eine Bewertung von außen und daher naturgemäß subjektiv.
"Krone": Auf die Frage, ob Sie Strache als Bundeskanzler angeloben würden, haben Sie weder "Ja" noch "Nein" gesagt. Ist die Antwort so kompliziert?
Griss: Die Antwort ist überhaupt nicht kompliziert. Der Bundespräsident ist an die Verfassung gebunden und kann natürlich nur einen Kanzler ernennen, von dem man ausgehen kann, dass er das Vertrauen des Parlaments haben wird. Wenn eine Partei so viele Stimmen bekommt, dass sie den Bundeskanzler stellen und eine funktionsfähige Regierung zusammenbringen kann, dann muss der Bundespräsident diese Regierung angeloben. Weil er an das Ergebnis einer demokratischen Wahl gebunden ist. Der Bundespräsident wird sich aber genau anschauen, wer in dieser Regierung sein soll. Aber er kann niemanden von vornherein ausschließen. Das gilt natürlich auch für Herrn Strache.
Video: Griss beim Präsidenten-Hearing der FPÖ
"Krone": Sie sprechen von "dem Bundespräsidenten". Ist es nicht von Vorteil, eine Frau zu sein?
Griss: Das ist ein Faktum, das sucht man sich ja nicht aus. Ob es von anderen als Vorteil gesehen wird und sie mich eher wählen werden als einen Mann, das kann ich nicht beurteilen.
"Krone": Was können Sie denn besser als Ihre potentiellen männlichen Mitbewerber Rudolf Hundstorfer, Erwin Pröll und Alexander van der Bellen?
Griss: Ich bin unabhängig, niemandem verpflichtet und ich habe durch meine bisherige Tätigkeit bewiesen, dass ich mutig bin.
"Krone": Warum wurden die Akten der Hypo-Untersuchungskommission vernichtet?
Griss: Das stimmt in dieser pauschalen Form überhaupt nicht! Es war von vornherein vereinbart, dass Unterlagen, die uns zur Verfügung gestellt wurden, entweder zurückgegeben oder vernichtet werden müssen, weil sie uns nur für die Untersuchung überlassen wurden. Eine Vereinbarung, wie wir mit unseren eigenen Vorarbeiten umgehen, gab es nicht. Ich verstehe den Vorwurf deswegen überhaupt nicht. Denn alles, was wesentlich war, steht ohnehin im Bericht. Welchen Sinn hätte es da gemacht, unsere eigenen Unterlagen aufzuheben? Etwas ist schon auffallend...
"Krone": Was denn?
Griss: Ich habe dem Finanzministerium am 18. März mitgeteilt, dass unsere Unterlagen vernichtet würden. Und jetzt kommt dieser Vorwurf. Möglicherweise ist schon Wahlkampf.
"Krone": Sie haben für ein Fairnessabkommen plädiert - keine Partei soll im Wahlkampf mehr als eine Million Euro ausgeben. Glauben Sie im Ernst, dass das jemand unterschreiben wird?
Griss: Wahlentscheidend sollte die Persönlichkeit der Bewerberinnen und Bewerber sein, nicht die Tatsache, wer in der Lage ist, das meiste Geld aufzubringen.
"Krone": Wie viel Geld haben Sie schon gesammelt?
Griss: Schon über 100.000 Euro. Es haben sich viele Leute gemeldet, die bereit sind, etwas beizutragen. Also ich bin da ganz zuversichtlich, dass genug Geld zusammenkommen wird.
"Krone": Stimmt das Gerücht, dass der Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner Ihnen eine große Summe zugesagt hat?
Griss: Ich habe noch nie mit ihm gesprochen.
"Krone": Würden Sie das Geld annehmen?
Griss: Ich nehme Geld von jedem an, der bereit ist, dass sein Name offengelegt wird. Der Spender kann auch einer Partei angehören, aber ich nehme kein Geld von einer Partei. Das ist ein Unterschied.
"Krone": Glauben Sie, dass unsere Gesellschaft wegen der Flüchtlingsproblematik gespalten ist?
Griss: Ja, das glaube ich schon, dass die Flüchtlingskrise zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt hat. Wir haben jetzt Gruppen, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Einstellung zu diesem Thema nichts miteinander anfangen können. Deshalb ist es wichtig, sich um gegenseitiges Verständnis zu bemühen. Man kann nicht sagen: Das sind die Guten, weil sie wollen, dass Flüchtlinge zu uns kommen, und das sind die Bösen, weil sie das nicht wollen. Das wäre viel zu einfach.
"Krone": Glauben Sie, dass Integration gelingen kann?
Griss: Integration ist ein Bemühen beider Seiten. Es muss die Bereitschaft der Gesellschaft bestehen, diese Menschen aufzunehmen, und es muss die Bereitschaft der Flüchtlinge geben, unsere Werte zu übernehmen. Das ist für mich die Grundvoraussetzung.
"Krone": Geben Sie Integrationsminister Kurz recht, wenn er die Kürzung von Sozialleistungen forgebe ihm recht, dass Integration nur gelingen kann, wenn die Grundwerte - der Respekt vor der Würde des Menschen, Religionsfreiheit, Trennung von Kirche und Staat, freie Meinungsäußerung und Gleichberechtigung von Mann und Frau - von jedem anerkannt werden. Dänemark hat bereits Sanktionen eingeführt. Ich glaube auch, dass es eine Reaktion des Staates geben muss, um deutlich zu machen, dass Werte verbindlich sind.
"Krone": Apropos Religionsfreiheit. Bundespräsident Fischer bezeichnet sich selbst als Agnostiker, was sind Sie?
Griss: Praktizierende Katholikin. Aber das ist mein privates Leben. Das hat mit dem Amt des Bundespräsidenten nichts zu tun.
"Krone": Überlegen Sie sich eigentlich manchmal, was am Stammtisch Böses über Sie geredet wird?
Griss: Untergriffigkeiten kenne ich aus meiner Zeit als Richterin. Das habe ich nie persönlich genommen. Dieser Stil, den manche leider pflegen, ist nicht meiner.
"Krone": Was ist das Böseste, was Sie über sich gehört oder gelesen haben?
Griss: Ich sagen Ihnen ganz ehrlich: Ich verfolge das nicht, das ist mir völlig gleichgültig. Ich habe meinem jüngeren Sohn immer gesagt: Wenn du dich über deinen Bruder ärgerst, räumst du ihm nur Macht über dich ein. Also setze ich mich dem gar nicht aus.
"Krone": Noch nie Hass-Postings im Internet gelesen?
Griss: Da lese ich lieber Harald Martensteins Kolumnen in der "Zeit"! Ich denke mir aber, dass es noch besser ist, wenn die Menschen sich so abreagieren, denn sie könnten ja auch jemandem etwas antun oder ein Haus anzünden.
"Krone": In vier Tagen ist Weihnachten. Was bedeutet Ihnen dieses Fest?
Griss: Weihnachten ist mir sehr wichtig. Da kommen meine Kinder, die zwei Enkelkinder, die drei Kinder meines Mannes aus erster Ehe und seine Enkelkinder zusammen, insgesamt sind wir jetzt schon 22 und haben die größte Freude miteinander.
"Krone": Ihr Wunsch ans Christkind?
Griss: Zum Nachdenken kommen, in der Natur ganz für mich sein. Da schöpfe ich am meisten Kraft für diese große Herausforderung.
Ihre Karriere
Geboren am 13. Oktober 1946 in Bösenbach, Weststeiermark. Griss studiert Jus, 1987 wird sie Richterin am Oberlandesgericht Wien, 1993 Richterin am Obersten Gerichtshof. Von 2007 bis zu ihrer Pensionierung ist sie Präsidentin des OGH. Ab März 2014 leitet Griss die Hypo-Untersuchungskommission, im Dezember 2014 legt sie den Abschlussbericht vor. Am Donnerstag gab die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen (ihr Mann ist Anwalt in Graz) auf YouTube ihre Kandidatur zur Bundespräsidentin bekannt.
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