'Aus gutem Grund'

Wiener Polizist suchte illegal ‘Kampusch-Tochter’

Österreich
29.02.2012 19:09
Wie die "Krone" erfuhr, hat ein Wiener Polizeibeamter auf eigene Faust Ermittlungen im Fall Natascha Kampusch durchgeführt. Der Mann versuchte, von einem Mädchen, der Nichte des Priklopil-Freundes Ernst H., in einer Volksschule in Niederösterreich ein gebrauchtes Taschentuch sowie Haarproben aufzutreiben. Damit wollte er das Kind als "geheime Tochter" des prominenten Entführungsopfers entlarven - "aus gutem Grund", wie der Polizist beteuert.

Der Beamte, der normalerweise im Bezirk Mariahilf ermittelt, täuschte vor, in der Schule Verkehrsunterricht zu geben, und wollte so an die DNA-Proben gelangen. Dafür hatte er aber keinen Ermittlungsauftrag. Eine Lehrerin schritt ein, als sie auf das ungewöhnliche Verhalten des Polizisten aufmerksam wurde. Die Mutter des Mädchens erstattete sofort Anzeige - daraufhin ging der Beamte, der auch Gemeinderat der FPÖ ist, in Krankenstand.

"Strafrechtliche und disziplinäre Ermittlungen"
Polizeisprecher Johann Golob bestätigte den Vorfall, der sich vor etwa einer Woche ereignete. Gegen den Betreffenden werde strafrechtlich und disziplinär ermittelt. Dem Polizeisprecher zufolge ist auch das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention eingeschaltet worden. Die Möglichkeit einer Suspendierung werde geprüft. Sobald der Beamte wieder im Dienst stehe, werde er vorerst für Objektsicherungstätigkeiten eingesetzt, sagte Golob am Mittwoch.

In der Wiener Polizeidirektion sorgt der Alleingang indes für Kopfschütteln. "Wir wissen nicht, was den Kollegen zu so einem Vorgehen bewegt haben könnte", erklärte ein hochrangiger Offizier. Im Innenministerium äußerte man die Vermutung, dass der Beamte einen Auftraggeber gehabt haben könnte: "Vermutlich hat ihn ein Mitglied der Evaluierungskommission beauftragt."

"Kein politisches Motiv"
"Sie können mir glauben: Ich hatte einen guten Grund dafür", versuchte sich der Wiener Exekutivbeamte nun gegenüber der "Krone" zu rechtfertigen. Ins Detail wollte er freilich nicht gehen. "Ich darf zum konkreten Fall überhaupt nichts sagen." Mit seiner Tätigkeit als freiheitlicher Gemeinderat habe das alles aber nichts zu tun. "Das war sicher kein Motiv", schloss er einen politischen Hintergrund aus.

Kampusch-Anwalt Gerald Ganzger fand am Mittwochabend klare Worte zu den neuesten Enthüllungen: "Die von einem Polizisten und FP-Politiker unter Missbrauch einer Polizeimarke offensichtlich vorgenommenen 'privaten Ermittlungen' stellen einen traurigen Höhepunkt in einer ganzen Reihe von 'Evaluierungen' und 'Ermittlungen' von dazu nicht berufenen Personen und Institutionen dar." Politik und Behörden müssten, so Ganzger weiter, alles restlos aufklären und "diesem Irrsinn" künftig einen Riegel vorschieben.

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