Schwarzer zu Köln:
“Wollen zum Schutz nicht unter Burka schlüpfen”
Massenhaft Übergriffe auf Frauen: Für Alice Schwarzer, die "Grande Dame" des Feminismus, sind die Ausschreitungen in Köln eine Folge "falscher Toleranz". Im "Krone"-Interview, das per Mail geführt wurde, thematisiert die 73-Jährige gescheiterte Integrationspolitik und Verhaltensregeln - aber für Männer, nicht für Frauen.
"Krone": Frau Schwarzer, wo sind Sie, während Sie unsere Fragen beantworten?
Alice Schwarzer: Ich sitze in der "Emma"-Redaktion im Bayenturm, einem modern ausgebauten mittelalterlichen Wehrturm mit Blick auf den Rhein in Köln. Zum Bahnhofsvorplatz wäre es eine Viertelstunde zu Fuß, immer am Rhein lang. Ich persönlich wohne fünf Minuten vom Bahnhof entfernt.
"Krone": Waren Sie von den Sexmob-Attacken in der Silvesternacht überrascht?
Schwarzer: Ja, ich war sehr überrascht! Ich hatte bis dahin von bandenmäßig organisierten sexuellen Übergriffen in Deutschland noch nie gehört.
"Krone": War es ein Fehler, Flüchtlinge als mögliche Täter sofort auszuschließen?
Schwarzer: Vielleicht. Inzwischen zeichnet es sich ab, dass doch auch aktuelle Flüchtlinge mit auf dem Platz gewesen sind. Ich halte diese Frage allerdings nicht für kriegsentscheidend. Klar ist, dass es, nach allen Zeugenaussagen, "Männer nordafrikanischer und arabischer Herkunft" waren.
"Krone": Haben jene recht, die meinen, die Herkunft der Täter tue nichts zur Sache?
Schwarzer: Das ist natürlich sehr borniert, so etwas zu sagen. Wir haben es hier anscheinend mit einem organisierten, abgesprochenen Vorgehen einer Gruppe zu tun. Und diese Gruppe verbindet ihre Herkunft, es sind Nordafrikaner bzw. Araber und ihre Söhne.
"Krone": Was sind das für Männer, die so etwas tun?
Schwarzer: Die jungen Männer, die vermutlich nicht selten schon in Deutschland geboren sind, kommen aus Familien, in deren Herkunftsländern die Frauen rechtlos sind - nach dem islamisch geprägten geltenden Familienrecht Unmündige, die von ihren Vätern, Brüdern oder Ehemännern abhängig sind - und in denen Gewalt gegen Frauen und Kinder ein Herrenrecht ist. Verschärfend kommen die Kriege und Bürgerkriege in diesen Ländern hinzu, die gerade die Männer brutalisiert haben: Sie selbst sind Opfer gewesen oder Täter. Diese Familien hatten die Geschlechtertrennung, Sexismus und Antisemitismus im Gepäck. Doch wir haben im Namen einer falschen Toleranz und der "Religionsfreiheit" nicht gegengehalten. Dabei hat ein solches Denken nichts mit Glaubensfragen zu tun - und selbst wenn: Die Menschenrechte gehen vor!
"Krone": Warum haben die Frauen ihre Pfeffersprays nicht benutzt, warum haben sie nicht geschrien? Haben Sie eine Erklärung?
Schwarzer: Es ist viel schlimmer: Die Polizei ist durchaus auch von einzelnen Frauen um Hilfe angefleht worden, war aber offensichtlich machtlos. Die 143 Polizisten auf dem Platz waren zu wenige gegen die 1000 zum Teil voll gewaltbereiten Männer. Ich vermute, die Beamten hatten selbst Angst vor den enthemmten Gewalttätern.
"Krone": Viele Opfer haben sich an "Emma" gewandt, warum?
Schwarzer: Klar, "Emma" ist seit bald 40 Jahren die Adresse Nummer eins in Deutschland bei Gewalt gegen Frauen. Und die kommt ja nicht nur von Arabern - die hiesigen Männer sind auch nicht ohne. Sie haben in den letzten Jahrzehnten allerdings dazugelernt - von uns Feministinnen.
"Krone": Die Kölner Oberbürgermeisterin hat im Netz wegen ihres "Armlänge"-Tipps Spott und Schimpfe geerntet. Zu Recht?
Schwarzer: Das ist natürlich arg naiv. Verhaltensregeln sollten eher den Männern erteilt werden und nicht uns Frauen. Wir wollen schließlich nicht unter die Burka schlüpfen, um geschützt zu sein.
"Krone": Kanzlerin Angela Merkel hat gemeint, der Rechtsstaat müsse harte Antworten liefern. Ist der Rechtsstaat dafür stark genug?
Schwarzer: Das hoffe ich doch. Gleichzeitig hat die Silvesternacht in Köln deutlich gemacht, dass es schon rechtsfreie Räume gibt, und das nicht nur in Vorstädten oder dunklen Gassen, sondern sogar auf dem öffentlichsten Platz der Stadt. Das muss sich ändern. Und zwar rasch!
"Krone": Die Attacken auf deutsche Frauen entzünden jetzt eine Debatte über Migranten. Ist das das Ende der Willkommenskultur?
Schwarzer: Es ist gar so nicht falsch, dass über beides gleichzeitig geredet wird. Denn die Banden von Köln sind ja die Söhne einer früheren Einwandererwelle - und das Produkt einer gescheiterten Integration. Das darf nicht noch mal passieren. "Emma" hat Forderungen zur Integration der Flüchtlinge veröffentlicht: einen besonderen Schutz für die weiblichen Flüchtlinge und Kinder, Deutschkurse, Aufklärungskurse, Akzeptanz des Rechtsstaats und der Gleichberechtigung - verbunden mit möglichen Sanktionen. Das muss endlich geschehen. Bei den neuen Flüchtlingen wie bei den früheren und ihren Kindern. Und auch die überwiegend orthodoxen und rückwärtsgewandten Islamverbände, die ja nur eine extreme Minderheit der Muslime organisieren, müssen endlich ihren verharmlosenden und propagandistischen Kurs ändern. Statt Verfassungsklagen für das "Recht" von Mädchen auf den Ausschluss vom Schwimmunterricht oder von Lehrerinnen auf das Kopftuch in der Schule zu unterstützen bzw. anzuzetteln, sollten sie lieber für die Menschen- und Frauenrechte im Islam eintreten!
"Krone": Was muss mit den vermeintlichen Tätern geschehen? Ist Abschiebung eine Lösung?
Schwarzer: Ich schließe nicht aus, dass viele Täter der Silvesternacht sogar die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Dann kann gar nicht abgeschoben werden. Aber da, wo sie sie nicht haben, sollte man abschieben, ja.
"Krone": Sie haben von falscher Toleranz gesprochen - was kann an Toleranz falsch sein, und welche Grenzen hat "richtige" Toleranz?
Schwarzer: Es kann keine Toleranz für Intoleranz geben. Und wir dürfen auch unsere so hart errungenen Werte nicht infrage stellen lassen, wie den Rechtsstaat und die Gleichberechtigung der Geschlechter. Da läuft die Grenze. Eine richtige Toleranz wäre z.B. die in Glaubensfragen. Oder für Andersdenkende. Aber nicht für antidemokratisch oder gar kriminell Handelnde.
Ihre Geschichte
Alice Sophie Schwarzer, geboren am 3. Dezember 1942, beginnt in den Sechzigerjahren als Journalistin zu arbeiten. Ab 1970 engagiert sie sich in der Pariser Frauenbewegung, pendelt zwischen Frankreich und Deutschland und studiert Psychologie und Soziologie. Seit 1977 ist sie Chefredakteurin und Verlegerin von "Emma", der ersten feministischen Publikumszeitschrift.
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