"Krone"-Interview

Sind Sie ein schlechter Verlierer, Herr Strache?

Österreich
28.05.2016 15:55

Manipulationsvorwürfe, ein Korb von Van der Bellen, Krieg im Netz: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache über die Folgen der knappen Wahl und seine Position im neuen Machtgefüge.

Die FPÖ-Zentrale gegenüber dem Parlament. Mit dem Lift in den vierten Stock, vorbei an einem Sicherheitsbeamten, der gerade am offenen Fenster steht und eine Zigarette raucht. Das Büro des Bundesparteiobmanns befindet sich einen Stock höher, im Dachgeschoss mit Blick auf die Hofburg, in die sein Kandidat Norbert Hofer nicht einziehen wird. Strache sitzt in der schwarzen Ledergarnitur vor einer Schale grünem Tee. "Die letzten vier Wochen habe ich zu viel Kaffee getrunken", erklärt er, "ich trinke derzeit auch keinen Alkohol." Ein bisschen Katerstimmung liegt schon in der Luft an diesem Freitagnachmittag.

Heinz-Christian Strache mit Freundin Philippa Beck beim Interview mit Conny Bischofberger (Bild: Zwefo)
Heinz-Christian Strache mit Freundin Philippa Beck beim Interview mit Conny Bischofberger

Beim "Krone"-Interview mit dabei: Philippa Beck, Moderatorin bei FPÖ-TV und seit Jänner die Frau an der Seite des FPÖ-Chefs. Das Paar ist am Fenstertag des langen Wochenendes extra ins Büro gekommen. "Sonst wären wir jetzt zu Hause mit Odi", lächelt Straches Freundin. Sie trägt eine zerrissene Jean und schwarze High Heels. "Odi"? Strache ergreift das Wort: "Das ist unser Molosser, italienische Dogge, schwarz, ein Weiberl. Wir haben sie aus Ungarn gerettet."

Und die drei Hasen da oben auf dem Glasständer, ist das eine vergessene Oster-Deko? "Das ist ein Kunstwerk von Adalbert Wazek", erklärt Strache, und zeigt das polarisierte Land. "Rechts der blaue Hase, das ist die eine Hälfte, die FPÖ wählt. Ihm gegenüber sitzen ein roter und ein schwarzer Hase, das ist die andere Hälfte." Mit spitzem Lächeln zeigt Strache auf ihre Blumen - so heißen bei Hasen die Schwänze. Pink und grün! Ein politisches Farbenspiel, vor dem Strache gerne warnt.

Siegerlächeln und Parteihasen im Büro des FPÖ-Chefs (Bild: Zwefo)
Siegerlächeln und Parteihasen im Büro des FPÖ-Chefs

"Krone": Wie geht es Norbert Hofer?
Heinz-Christian Strache: Er braucht Abstand und hat sich mit seiner Familie in eine ungarische Therme zurückgezogen. Nach einem so anstrengenden Wahlkampf muss man herunterkommen, seine Mitte wiederfinden. Wir sehen uns dann am Montag wieder.

"Krone": 2.223.458 Menschen haben Norbert Hofer bei der Stichwahl am letzten Sonntag das Vertrauen geschenkt, nur 31.026 weniger als Alexander Van der Bellen. Wie schwer war es für Sie als Parteichef, diese Niederlage einzugestehen?
Strache: Niederlage? Wenn man ex aequo durchs Ziel geht, dann ist das quasi ein Sieg. Das als Niederlage zu bezeichnen hieße, das Wahlergebnis völlig falsch zu interpretieren. Aber ja, man ist natürlich traurig, dass es so knapp nicht gereicht hat. Der deutliche Vorsprung von 56,5 Prozent bei der ersten Hochrechnung und 65,5 Prozent der ausgezählten Stimmen ist einfach dahingeschmolzen. Aber natürlich ist man traurig, um Millimeter eines Fotofinishs hinten zu sein, aber man ist nicht verzagt!

"Krone": Seither posten Sie auf Facebook täglich Verfehlungen bei der Auszählung der Wahlkarten. Erkennen Sie das Wahlergebnis nicht an?
Strache: Es ist noch zu früh, das zu beurteilen. Es gibt viele Hinweise vonseiten der Bevölkerung und bis dato fünf Anzeigen, wo es offensichtlich zum Gesetzesbruch gekommen ist. Da wurden am Sonntag, als die Wahlbeisitzer schon weg waren, Briefwahlkuverts geöffnet. Dann gab es in Waidhofen an der Ybbs eine Wahlbeteiligung von 147 Prozent. Wir haben auch konkrete Hinweise, dass ein Wiener Wähler seine Stimme doppelt abgeben hätte können. Das alles ist zumindest kritisch zu hinterfragen und wird von einer unabhängigen und neutralen Stelle geprüft.

"Krone": Wittern Sie wirklich Wahlbetrug?
Strache: Das Gesetz ist klar formuliert, da gibt es keine andere Interpretationsmöglichkeit. Warum das so gehandhabt wurde, werden dann Gerichte zu bewerten haben.

"Krone": Wird die FPÖ die Wahl anfechten?
Strache: Wir werden die unzähligen Hinweise von einer unabhängigen, neutralen Stelle prüfen lassen und dann eine Entscheidung treffen.

"Krone": Aber es würde doch am Ergebnis nichts ändern...
Strache: Das ist genau die Frage. Denn wenn die Unregelmäßigkeiten über 30.000 Stimmen betreffen, dann kann sich am Endergebnis sehr wohl etwas ändern.

"Krone": Herr Strache, könnte es sein, dass Sie Alexander Van der Bellen den Sieg nicht gönnen und einfach ein schlechter Verlierer sind?
Strache: Mit Sicherheit nicht! Demokratische Wahlen sind zu respektieren, aber sie müssen auf dem Boden des Rechtsstaates und der demokratischen Spielregeln basieren. Und wenn es Verfehlungen gegeben hat, dann muss die Motivation dahinter bewertet werden.

Strache hat sich noch nicht entschieden, ob seine Partei die Hofburg-Wahl anfechten wird. (Bild: Zwefo)
Strache hat sich noch nicht entschieden, ob seine Partei die Hofburg-Wahl anfechten wird.

"Krone": "Glock geladen", "Hofburg niederbrennen!" "Die weiblichen VdB-Wähler sollen sich gefälligst von den Asylanten vergewaltigen und erschlagen lassen" - die Kommentare zum Sieg von Alexander Van der Bellen im Netz sind erschreckend. Warum steht so etwas immer wieder auf FPÖ-Facebook-Seiten?
Strache: Solche Kommentare sind natürlich zutiefst abzulehnen. Aber so etwas steht überall, auch bei "Standard Online" und auf Seiten politischer Mitbewerber.

"Krone": Aber dort wird es gelöscht.
Strache: Auch ich habe die unflätigen Hasspostings von anonymen Personen auf meiner Seite umgehend gelöscht und zu Mäßigung, Ruhe und Respekt aufgerufen.

"Krone": "Hetze gegen Menschen und Minderheiten" sei ein Ausschließungsgrund, meinte der neue Bundeskanzler Christian Kern in Anspielung auf das Verhältnis zur FPÖ.
Strache: Eine platte und unverantwortliche Unterstellung und Diffamierung. Wir hetzen nicht, sondern zeigen Fehlentwicklungen auf und unsere inhaltlichen Antworten darauf.

"Krone": Auch der Kardinal hat zu echtem Mitleid für Flüchtlinge aufgerufen, Sie reden aber immer nur von Wirtschaftsmigranten, die bei uns nichts verloren haben.
Strache: Mitleid mit Menschen, die um Leib und Leben fürchten, die auf der Flucht sind, hat jeder und das habe ich auch. Nur handelt es sich bei den Leuten, die zu uns gekommen sind, zu einem hohen, überwiegenden Anteil nicht um Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention. Da hat es Missbrauch gegeben, da gab es weder Grenzkontrollen noch Registrierungen. Wir bekennen uns zum europäischen Abendland, aber wir sind kritisch gegenüber dem Verein der Europäischen Union, der ein Versagen nach dem anderen provoziert hat.

"Krone": Kern nennt ein klares Bekenntnis zu Europa als Grundvoraussetzung für jede Zusammenarbeit mit der FPÖ.
Strache: Man will uns offenbar als europafeindlich hinstellen, weil wir für positive Veränderungen eintreten. Das ist unredlich. Auch von Van der Bellen, der im ARD-Interview erklärt hat, er würde die FPÖ, sollte sie stimmenstärkste Partei werden, nicht mit der Regierungsbildung beauftragen.

"Krone": "Die FPÖ spielt mit dem Feuer", sagte Van der Bellen mit Blick auf Ihren EU-Kurs.
Strache: Weil wir diesen Irrweg anprangern, den die EU da geht? Würde man heute eine Volksabstimmung machen, dann wäre eine Mehrheit gegen den zentralistischen Kurs und für eine stärkere Einbindung der Bürger, da bin ich mir ganz sicher.

"Krone": Bleiben Sie dabei, dass der designierte Bundespräsident ein "grüner Diktator" ist?
Strache: Wenn jemand demokratische Wahlergebnisse nicht respektiert und autoritär außer Kraft setzt, dann wäre das ein Weg in Richtung Diktatur.

Philippa Beck, Moderatorin bei FPÖ-TV, ist seit Jänner die Frau an der Seite der Parteichefs. (Bild: Zwefo)
Philippa Beck, Moderatorin bei FPÖ-TV, ist seit Jänner die Frau an der Seite der Parteichefs.

"Krone": Ist es nicht in Wahrheit so, dass die SPÖ Ihnen mit neuem Team und neuen Ansagen den Wind aus den Segeln genommen hat?
Strache: Seit 2013 sind 16 Regierungsmitglieder ausgetauscht worden, das kann man nicht anders als Chaos-Management bezeichnen. Kern setzt fort, was schon Faymann gemacht hat: unseren Nachbarn Ungarn zu beschimpfen und zu beleidigen. Das ist ein Affront. Im Übrigen gibt es viele Überschriften ohne Inhalte, reine Marketingluftblasen. In Wahrheit hat in der SPÖ unter Kern nur ein Linksrutsch mit einer unverantwortlichen Willkommenspolitik stattgefunden. Kern will den Arbeitsmarkt für Asylwerber möglichst rasch öffnen, bei einer Rekordarbeitslosigkeit von 500.000 Menschen. Das zeigt, dass er es noch immer nicht verstanden hat.

"Krone": Was genau?
Strache: Das gesamte verkrustete Politsystem - von Faymann bis Kern, ehemalige ÖVP-Chefs, Grüne, NEOS, Frau Griss bis hin zur EU-Bürokratie - hat sich ins Zeug geschmissen gegen Norbert Hofer und trotzdem sind fast 50 Prozent für eine Veränderung eingetreten. Das sind keine Protestwähler, das sind Menschen, die ganz klare Hoffnungen haben. Es ist ungeheuerlich, wenn diese Menschen beschimpft, als dumm oder gar als Antidemokraten bezeichnet werden.

"Krone": Werden Sie Christian Kern das sagen?
Strache: Selbstverständlich. Aber er hat sich noch nicht bei mir gemeldet.

"Krone": Ist es von der Langzeitstrategie vielleicht sogar besser, dass Hofer jetzt verloren hat?
Eine möglicherweise unerwünschte FPÖ-Doppelspitze in Hofburg und Kanzleramt hätte nach der nächsten Wahl vielleicht viele abgeschreckt.
Strache: Ich sage nein. Denn in diesen zwei Jahren geht dem Land viel verloren. Nobert Hofer hätte TTIP zum Beispiel nicht unterzeichnet. Wir werden erleben, dass man das jetzt leider anders handhaben wird.

"Krone": Könnte es sein, dass der nächste Kanzler, sollte die FPÖ wirklich stimmenstärkste Partei werden, Norbert Hofer heißt?
Strache: Ich finde es witzig, dass jetzt immer wieder versucht wird, eine Obmanndebatte in Gang zu setzen, die es nicht gibt. Im Gegenteil. Ich bin seit elf Jahren Obmann der freiheitlichen Partei, die ich am Boden liegend mit drei Prozent übernommen und zu einer Größe von über 30 Prozent geführt habe. Aber selbstverständlich wird Nobert Hofer mich als erster Stellvertreter und enger Freund und Mitstreiter im Wahlkampf begleiten. Ein starker Obmann lässt starke Persönlichkeiten neben sich zu.

"Krone": Welches Ressort würden Sie ihm gerne geben?
Strache: Norbert Hofer hat Qualitäten in ganz vielen Bereichen - von Umwelt bis Soziales. Da nehme ich eigentlich nur das Frauenressort aus. Das sollte nach Möglichkeit schon eine Frau besetzen.

"Krone": Herr Strache, wenn Norbert Hofer "das freundliche Gesicht der FPÖ" ist, was sind dann Sie?
Strache: (kleine Nachdenkpause) Ich bin der Kanzler der Herzen. (lacht) Als Frontmann muss ich Dinge manchmal halt ein bisschen stärker zuspitzen.

Heinz-Christian Strache mit Freundin Philippa Beck beim Interview mit Conny Bischofberger (Bild: Zwefo)
Heinz-Christian Strache mit Freundin Philippa Beck beim Interview mit Conny Bischofberger

Zur Person
Geboren am 12.6.1969 in Wien. Internat in Strebersdorf, Unternehmer und selbstständiger Zahntechniker bereits mit 23 Jahren, 1993 wird er FPÖ-Bezirksobmann, 1996 Landtagsabgeordneter in Wien, 2004 FPÖ-Landesobmann, 2005 FPÖ-Bundesobmann, seit 2006 FPÖ-Klubobmann im Parlament.

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