So viel sei – wenig überraschend - verraten: „The Elder Scrolls V: Skyrim“ ist riesengroß, geschätzte 150 bis 200 Stunden sollen Spieler in der Welt verbringen können, ohne tatsächlich jeden Winkel erkundet zu haben. Und genau in der Weitläufigkeit der Welt und der liebevollen Gestaltung liegt die vielleicht größte Stärke des Games von Bethesda: Egal wohin der Spieler reist, ob er der Hauptquest folgt, eine kleine Hütte untersucht oder sich in eine scheinbar verlassene Höhle wagt – überall finden sich interessante Orte und neue Aufgaben.
Dabei hinterlässt die Spielwelt durchaus einen zwiespältigen Eindruck. An einigen Stellen sieht „Skyrim“ schlicht fantastisch aus – wenn Sonnenstrahlen durch den Wald blitzen oder Wasser durch eine dunstumwaberte Höhle rauscht, verliert man sich in der Welt. Dazu trägt auch die realistische Gestaltung bei: Jedes Land hat eine andere Architektur, jede Hütte und jede Burg einen eigenen Charakter, jedes Volk seine Besonderheiten. Doch andererseits bewegt sich der Spieler zu oft durch düstere Dungeons und Gräber und der Schnee in einigen Gebieten lässt optisch zu wünschen übrig. Ebenfalls zu oft trifft der Spieler auf ähnliche Gegner: Besonders Untoten, Spinnen und Banditen begegnet man einen Tick zu häufig.
Fantastische Drachen
Mehr Unterschiede hätten auch den ansonsten überragenden Drachen gut getan, die sehen einander nämlich alle reichlich ähnlich. Wer nicht gerade einen kaum gepanzerten Schleich- oder Magie-Charakter spielt, hat mit den geflügelten Untieren zudem eher leichtes Spiel. Doch das ist Kritik auf hohem Niveau, denn jeder Auftritt eines Drachen ist ein Highlight: Mal erscheinen sie fern am Horizont, mal brennen sie ohne Vorwarnung ein Dorf nieder, dann wieder attackieren sie mit Feueratem den Dovahkiin. In jedem Fall bewegen sie sich Ehrfurcht gebietend, auch beim x-ten Drachenkampf entfleucht dem Spieler ein „Fantastisch!“. Schließlich sind die Auftritte der Ungeheuer in fast allen Fällen nicht geskriptet, sie tauchen also zufällig in der Welt auf. Ist eines der Untiere gesichtet, gilt es zuerst, es vom Himmel zu holen. Dafür eignen sich Magie oder Pfeil und Bogen sowie Drachenschreie – dazu später mehr. Ist das beeindruckende Monstrum besiegt, nimmt der Dovahkiin seine Seele in sich auf, was ebenso eindrucksvoll durch das Verbrennen des Drachen zum Skelett visualisiert wird.
Drachen kämpfen auch mit Worten
Die Drachenseelen setzt der Drachengeborene ein, um besagte Drachenschreie freizuschalten. Dabei handelt es sich um die Sprache der Drachen, die diese zum Kampf einsetzen. Jeder Drachenschrei ist in drei Stufen verfügbar – je höher, desto mächtiger. Die entsprechenden Worte sind in ganz Himmelsrand verteilt, nur wer also die Welt erkundet, findet sie. Es stehen verschiedenste, sehr nützliche Drachenschreie zur Auswahl, von der Feuerwalze über den Gewittersturm bis zum Eiszauber.
Spannende Quests überall
Beim Erkunden der Welt trifft der Spieler jedoch nicht vorrangig auf Drachen, sondern allerlei Nichtspielercharaktere - ob lebendig oder tot -, Tagebucheinträge, Schriftrollen und vieles mehr, was vor allem eines zur Folge hat: Sehr viele Quests. Und die sind – obwohl zum Teil zufällig generiert – meist gut gelungen und abwechslungsreich, selbst die kleinsten Aufgaben können sich zu tollen Geschichten entwickeln. Mal muss sich der Spieler aus den Fängen eines Geistes des Wahnsinns befreien, mal führt die Spur des Feuertods eines Mädchens und seiner Mutter zu Vampiren, mal entscheidet der Spieler als Barden-Anwärter über die Geschichtsschreibung des Landes mit, ein andermal gilt es, aus den Tagebucheinträgen eines Toten Hinweise auf einen Schatz zu erkennen - die Liste ließe sich schier unendlich fortsetzen.
Unübersichtliches Questlog
So füllt sich die Liste der Quests und Nebenaufgaben in atemberaubenden Tempo. Das Questlog ist hierfür allerdings nicht ideal geeignet. Zwar lassen sich die Aufgaben auf der Karte anzeigen, doch geordnet werden – etwa nach Ort oder Fraktion – können sie nicht. Zudem werden die Nebenaufgaben in einer Übersicht gesammelt angezeigt, was veritables Chaos nach sich zieht. Zumal daraus nicht ersichtlich ist, bei welchen es sich um einfache „Sammle zehn Pflanzen“-Nebenaufgaben handelt und welche sich zu größeren Missionen ausweiten können.
Inventar lässt zu wünschen übrig
Auch das - für Konsolen optimierte, aber alles andere als optimale - Inventar leidet unter der Unmöglichkeit, es vernünftig zu sortieren. Lediglich in grundsätzliche Gruppen wie Waffen, Bekleidung, Zaubertränke, Zutaten, usw. werden die Gegenstände eingeteilt. Beim Einsammeln werden sie einfach in das Listeninventar geworfen - auch nach Gewicht können sie nicht sortiert werden. Dabei wäre das angesichts der begrenzten Tragfähigkeit des Helden, die erst nach und nach erweitert wird, sehr nützlich. Immerhin kann der Spieler seine Lieblingsgegenstände markieren, sodass er schnellen Zugriff hat. Doch auch diese Liste wird schnell unübersichtlich, da sich für unterschiedliche Gegner verschiedene Taktiken und damit Waffen bzw. Zauber empfehlen.
Tastenbelegung auf dem PC ein Flop
Ebenfalls stark verbesserungswürdig ist die Tastenbelegung auf dem PC: Wer die teils unpraktische Verteilung den eigenen Vorlieben anpassen möchte, stößt auf Probleme. So sind viele Tasten zweifach belegt, etwa für eine Aktion im Inventar und und eine im Kampf. Legt man für eine andere Taste fest, kommt es des Öfteren zu Problemen bei der alternativen Verwendung. Zudem wird die neue Verteilung zum Teil im Menü nicht angezeigt. Linkshänder treffen gleich auf mehrere Probleme, Schlösser können etwa nur mit "A" und "D" geknackt werden - so müssen die Spieler ihre Hand von der Maus nehmen. Zudem kann der Nummernblock nicht frei belegt werden. Auch die Mausbewegung irritiert, da X- und Y-Achse nicht gleich schnell reagieren. Auf den Konsolen existiert dieses Problem nicht, generell sind Inventar und Steuerung eindeutig für Konsolen optimiert, was PC-Spielern sauer aufstoßen dürfte. Immerhin fällt das Absuchen der Tausenden interessanten Gegenstände mit der Maus leichter als mit dem Gamepad, das PC-Spieler aber auch anschließen können.
Praktisch und simpel craften
Doch zurück zum Spiel: Eine Möglichkeit, es den eigenen Vorlieben und Bedürfnissen anzupassen, ist das einfache, aber sehr praktische Craftingsystem. Der Spieler kann verschiedenste Erze und Steine abbauen, mit denen sich Waffen und Schmuck schmieden lassen. Waffen können außerdem durch Zauber verbessert werden. Zudem lassen sich selbst zahlreiche Tränke herstellen. Je höher die Fähigkeiten, desto bessere Gegenstände können erstellt werden, was auch den Kontostand aufbessert, schließlich können die Eigenproduktionen an Händler verkauft werden. Das eingenommene Geld wiederum kann zum Beispiel bei Nichtspielercharakteren eingesetzt werden, denn einige von ihnen helfen gegen Bares binnen Sekunden beim Verbessern eines Skills.
Freie Charakterentwicklung gefällt
Wie der Spieler die Kämpfe angeht, steht ihm völlig frei, da es keine festgelegten Klassen gibt. Nur die Rasse, für die er sich anfangs entscheidet, bringt Vor- oder Nachteile für bestimmte Spielweisen. Für Rollenspieler vorerst vielleicht ungewohnt: Beim Stufenanstieg gibt es keine Skillpunkte auf einzelne Fähigkeiten zu verteilen. Diese werden stattdessen mit erfolgreicher Verwendung besser. Wer also viel schleicht, dessen Schleich-Skill besser, wer dagegen viel zaubert, dessen Magieeinsatz wird effizienter. Hat der Spieler genug Talente verbessert, steigt er ein Level auf und erhält einen Punkt, den er in einen Perk investieren kann. Perk bedeutet, dass es sich um eine passive statt einer aktiven Fähigkeit handelt – so verbessert der Spieler etwa seine Fähigkeit, Schlösser zu knacken, Gespräche zu führen, Ein- oder Zweihandwaffen zu benützen, Zauber zu wirken und so weiter. 280 Perks stehen zur Auswahl – je weiter nach oben im Fähigkeitenbaum, desto mächtiger. Der Spielerielstil sinnvollen Talente im Kopf zu behalten. Der einzige Nachteil des Systems: Da es auch für abgeschlossene Quests keine Skillpunkte gibt, sondern lediglich mehr oder weniger gute Gegenstände oder Bezahlung, kommt das Gefühl der Belohnung etwas zu kurz.
Größter Minuspunkt: Null Inszenierung, null Dramatik
Daran ist auch die mangelhafte Inszenierung schuld, der wohl größte Kritikpunkt an „Skyrim“. Wer dramatische Zwischensequenzen oder spannende Entwicklungen à la „The Witcher“ oder „Mass Effect“ erwartet, wird enttäuscht: Rendervideos gibt es nicht und obwohl der Spieler sich in einer zweiten Hauptquest in einem blutigen Bürgerkrieg für eine von zwei Seiten entscheiden muss, bleibt das Spiel gefühlsarm. Selbst das Finale der Hauptquest ist unerfreulich unspektakulär. Dazu trägt auch bei, dass der Spieler in Quests sehr wenig Entscheidungen treffen kann – und wenn, dann haben sie kaum Auswirkungen. Selbst wenn er sich im Krieg einer der beiden gleichermaßen unsympathischen Fraktionen anschließt und – ohne Wahlmöglichkeit, eine friedliche Lösung zu suchen – reihenweise Städte erobert, wirklich spannend und mit Konsequenzen behaftet ist die Entscheidung nicht.
Glaubwürdige Welt voller Bewohner ohne Charakter
Ob Bauer oder König, Revolutionär oder Elfen-Fiesling, Werwolf oder Göttin – sie alle leiden unter der lahmen Erzählweise. Dabei sind sie durch Tagesabläufe und Gespräche, die auf aktuelle Ereignisse in der Welt Bezug nehmen, grundsätzlich sehr glaubwürdig inszeniert. Dennoch wirken sie blutarm, das fällt auch bei jenem Begleiter oder jener Begleiterin auf, die der Spieler im Lauf des Spiels kennenlernt und als Unterstützung im Kampf mitnehmen kann. Die Figur wird dem Spieler nie ans Herz gelegt, sie entwickelt wie alle anderen keinerlei Charakter und Wiedererkennungswert – sie nervt höchstens des Öfteren in Höhlen und im Gebirge durch mangelnde Wegfindungsfähigkeiten. Hier hat Bethesda leider allerhand Potenzial verschenkt.
Fantastischer Soundtrack
Boden macht das Spiel dafür mit dem fantastischen Soundtrack und der gelungenen Geräuschkulisse gut. Auch die Sprecher wissen meist zu überzeugen, auch wenn einige Texte sich zu oft wiederholen. Die englische Sprachausgabe ist der deutschen ein wenig voraus – gut für PC-Spieler, denn diese Version ist vorbildlicherweise multilingual.
Fazit: Viele Aspekte von „The Elder Scrolls V: Skyrim“ begeistern und faszinieren. Die riesengroße, zum Großteil wunderschön gestaltete Welt ist bis ins letzte Eck mit spannenden Entdeckungen vollgepackt. Wohin es das Drachenblut verschlägt, wie der Dovahkiin kämpft, auf welche passiven Fähigkeiten er setzt, welchen Bürgerkriegsfraktionen und Gilden er sich anschließt – unzählige Spielstunden voller spielerischer Freiheit warten. Nicht auszudenken, wie eindrücklich „Skyrim“ die 10-Punkte-Skala gesprengt hätte, wäre die liebevolle Umsetzung nicht nur in Umgebung und Drachen, sondern auch in die PC-Umsetzung, die Inszenierung und die Bevölkerung Himmelsrands geflossen…
Plattform: PC (getestet), Xbox 360, PS3
Publisher: Bethesda
krone.at-Wertung: 9/10
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