Im "Krone"-Interview

Koller: “Die Sucht nach Toren muss grenzenlos sein”

Fußball
05.10.2011 17:14
Im ersten Zeitungsinterview nach seiner Präsentation zeigt sich der neue ÖFB-Teamchef Marcel Koller gegenüber der "Krone" erstaunlich locker und gesprächig. Er erklärt, was er vom Wiener Schmäh und Ernst Happel hält, aber auch, wie sein Verhältnis zu "Problemkickern" - wie etwa ÖFB-Legionär Marko Arnautovic - ist. Zudem offenbart er, dass eine seiner Aufgaben in Österreich sei, die "grenzenlose Sucht nach Toren" einzuführen.

"Krone": Herr Koller, Deutschlands Teamstar Lukas Podolski sagte einmal über Sie: 'Der beste Trainer, den ich je hatte!' Welche Eigenschaften haben Sie, die ihn zu solchen Aussagen bewegen?
Marcel Koller: Ich bin menschlich, ehrlich, respektvoll gegenüber den Spielern – und ich erwarte mir von ihnen den gleichen Respekt. Vor allem aber liebe ich den Fußball. Das spüren sie, das versuche ich ihnen zu vermitteln.

"Krone": Ein typischer Schweizer, so hört man von Ihren Landsleuten, sollen Sie aber auch sein?
Koller: Wie ist ein typischer Schweizer? Ich glaube, dass wir vor allem korrekt im Umgang mit anderen Menschen sind. Und sicher auch recht perfektionistisch.

"Krone": In Österreich herrscht die Meinung, dass die Schweizer im Vergleich zu uns vor allem eines nicht haben: Schmäh! Können Sie eigentlich über sich selbst lachen?
Koller: Natürlich kann ich über mich selbst lachen. Ich genieße mein Leben, und dabei ist auch das enorm wichtig.

"Krone": Die letzten Teamchefs wurden regelmäßig von Stimmenimitatoren oder Kabarettisten parodiert und durch den Kakao gezogen. Was werden die über Sie zu sagen haben?
Koller: Das warte ich einmal ab – aber ich bin schon sehr gespannt, welcher Schmäh über mich rennt!

"Krone": Weil wir gerade bei Ex-Teamchefs sind: Wer waren für Sie die größten Persönlichkeiten in Österreichs Fußball?
Koller: Ernst Happel und Herbert Prohaska – die beiden haben den Fußball hier am nachhaltigsten geprägt.

"Krone": Unter Prohaska schaffte Österreich 1998 die WM-Qualifikation, seither nicht mehr. Wo ist wirklich der Leistungs-Plafond dieser Mannschaft?
Koller: In der Weltrangliste ist Österreich derzeit auf Platz 77 und meiner Meinung nach klar unter Wert geschlagen. Wir werden uns Schritt für Schritt nach vorne arbeiten. Aber ich muss die Menschen um Geduld bitten: Das wird nicht von heute auf morgen funktionieren. Erst müssen alle wieder voller Selbstvertrauen sein, keine Sekunde an sich zweifeln. Niemand will sich, wenn er zum Klub zurückkommt, den Spott der Kollegen anhören: 'Habt’s schon wieder verloren?' Auch daran müssen sie denken: Meine Spieler sollen selbst die Sprüche klopfen können!

"Krone": Und wie soll das bitteschön funktionieren?
Koller: Auch absolute Weltklasse-Teams spielen oft schlecht. Nur haben sie genug individuelle Klasse, die das ausgleicht. Nehmen Sie nur Deutschland: Dort fällt dann etwa einem Özil der Ball auf den Fuß und geht von dort ins Tor. Bei der Schweiz oder bei Österreich würde er dagegen wahrscheinlich auf dem Pfosten oder daneben landen. Die Sucht, die Gier nach Toren muss auch bei uns grenzenlos sein – so groß, dass der Ball dann eben reingeht. Ich war am Mittwoch beim Rapid-Training, bin nächste Woche beim U-18-Länderspiel Schweiz gegen Österreich: Vielleicht sehe ich ja schon da einen wie Podolski! Aber Talente hat Österreich sowieso genug: Alaba, Arnautovic und so weiter.

"Krone": Arnautovic sorgte aber auch schon für den einen oder anderen Skandal – was können Sie an Spielern gar nicht ausstehen?
Koller: Ich weiß nicht, welche Ideen Arnautovic so hat, aber ich werde diesbezüglich sicher mit ihm sprechen. Man muss sich etwas in die Jugend hineinversetzen: Die laufen ja auch mit Hosen rum, die hinten so weit runterhängen, dass sie sie jede Sekunde verlieren müssen. Auch das versteht man nicht. Aber jedenfalls brauche ich nicht nur Spieler, die sofort mit dem Kopf durch die Wand laufen, weil ich das so verlange. Es muss auch solche geben, die sich wehren.

"Krone": Wehren ist ein gutes Stichwort: In manchen Umfragen sprachen sich 70 Prozent der Österreicher gegen Ihre Bestellung aus., etwa auch Ihr alter Freund und Klubkollege Kurt Jara – enttäuscht?
Koller: Beim Kurt hat mich das schon gewundert. Aber er ist immer noch ein guter Freund, dem ich die Hand schütteln werde. Und was das Volk betrifft, habe ich mich darauf vorbereitet. Aber ich werde viel mit den Menschen sprechen, Fragen beantworten, meine Visionen näherbringen, einfach nahbar sein, ihre Herzen erreichen – und sie so von mir überzeugen.

"Krone": Zum Abschluss erfülle ich noch den Auftrag meines siebenjährigen Sohnes: Er meinte, ich müsse den Teamchef unbedingt fragen, ob Österreich auch Weltmeister werden kann?
Koller: Sagen Sie ihm, er soll bitte etwas Geduld haben und in zwei Jahren wieder fragen: Wenn wir die Qualifikation für die WM 2014 geschafft haben.

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(Bild: KMM)
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