"Krone"-Interview

Chocolatier Zotter eröffnet “Essbaren Tiergarten”

Steiermark
13.02.2011 18:01
Das ökologische Denken des Chocolatiers Josef Zotter (Bild) aus dem oststeirischen Bergl geht weit über den fairen Kakaohandel hinaus: Er fährt ein Elektroauto, verweigert Handy und Fernsehen, lebt mit seiner Familie autark auf einem Bauernhof. Jetzt erfüllt sich der 49-Jährige mit dem "Essbaren Tiergarten" einen Lebenstraum: Gänse, Rinder und Hasen werden in einem Erlebnisbauernhof zuerst gestreichelt - und dann gegessen. Zotter will damit ein Zeichen gegen die Anonymität der Massentierhaltung und Lebensmittelindustrie setzen. "Krone"-Redakteurin Barbara Winkler traf den Pionier zum Interview.

"Krone": Herr Zotter, am 1. Mai eröffnen Sie den "Essbaren Tiergarten". Was kann man sich darunter vorstellen?
Josef Zotter: Das etwa 27 Hektar große Areal um die Schoko-Manufaktur wird in verschiedene Stationen unterteilt, es soll so eine Art Erlebnisbauernhof werden. Da gibt es zum Beispiel den mobilen Hühnerstall "mobile egg", der über das Gelände wandert und es zugleich düngt. Oder etwa die Bach-Gstättn, wo man in der Hängematte liegen kann und über Lautsprecher das komplette Bach-Werk abgespielt bekommt. Und eben auch meine Hochlandrinder, Enten, Gänse, Hasen, Schweine etc., deren Fleisch die Gäste im Anschluss verzehren können.

"Krone": Was wollen Sie damit bezwecken?
Zotter: Dass die Beziehung zwischen Tier und Mensch wieder vertieft wird. Es soll das absurde Spiel umgekehrt werden, dass man einerseits nicht wissen will, wie das Tier aus dem Supermarktpackerl gelebt hat, und dass man andererseits Tiere, die man streichelt und die ein schönes Leben führen, nicht verspeisen möchte.

"Krone": Für so manchen klingt das sicher makaber, wollen Sie polarisieren?
Zotter: Es gibt zwei Möglichkeiten: Wenn sich einer nix scheißt, dann war er halt bei mir ein bissl spazieren, und das war's. Im Idealfall aber konnten wir den Gast zum Nachdenken anregen. Denn wie es der Kuh gegangen ist, die wir in der Hamburgersemmel essen, ist den meisten ja wurscht.

"Krone": Wollen Sie uns Fleischessen gar abgewöhnen?
Zotter: Sagen wir so: Wenn der Gast als Vegetarier nach Hause geht, ist's mir recht.

"Krone": Glauben Sie, dass sie mit der Idee ankommen?
Zotter: Bislang gab's in erster Linie positive Rückmeldungen. Natürlich aber auch kritische Stimmen. Familienväter und Lehrer fragen mich gerne, wie sie ihren Kindern das Konzept - zuerst die Tiere zu streicheln und dann zu essen - erklären sollen. Aber ich glaub, die Kinder haben da gar kein Problem damit. Es sind vielmehr die Erwachsenen, die sich schwer tun. Ich stell dann halt gern die Gegenfrage, ob das Hendl aus dem Discounter, das man nicht leben und sterben gesehen hat, besser schmeckt.

"Krone": Apropos: Werden die Tiere vor Ort auch geschlachtet?
Zotter: Teilweise ja. Wir haben die Genehmigung für Hochlandrinder und Hirsche, die für Schweine fehlt noch. Ich weiß, das ist hart. Aber wenn wir Fleisch essen, dann müssen wir das aushalten. Allerdings werden die Schlachtungen nicht öffentlich stattfinden.

"Krone": Aus Angst, dies könnte als PR-Gag oder Sensationslust ausgelegt werden?
Zotter: Genau. Sonst gibt's keinen Grund.

"Krone": Sie halten die Fahnen für Bio-Produkte in die Höhe. Für jemanden wie Sie, der finanziell gut dasteht, ein leichtes. Wie soll sich aber eine weniger gut betuchte Familie Qualität leisten können?
Zotter: Meine Familie braucht keine 300 Euro im Monat für Lebensmittel, wir schaffen's einfach nicht, mehr auszugeben. Ein Beispiel: Ein Kilo Roggen kostet aktuell 90 Cent, mit ein bissl Salz und Wasser krieg ich daraus eineinhalb Kilo feinstes Biobrot. Ich bin mir sicher, im Handel gibt's kein so günstiges Brot. Das gleiche gilt für viele andere Speisen auch. Faul darf man halt nicht sein, das ist auch klar.

"Krone": In einer Woche feiern Sie Ihren 50. Geburtstag. Gibt's zu diesem Anlass ein Festessen im Hause Zotter?
Zotter: Selbstverständlich! Da wird der beste Wein aus dem Keller hervorgeholt und ordentlich aufgekocht. Wir sind Allesfresser und richtige Genießer, uns schmeckt ein gut verkochtes Getreide genauso wie eine gebratene Gans.

"Krone": Ihre Schololaden-Manufaktur in Bergl ist nach Mariazell der meist frequentierte Ort in der Steiermark. Täglich kommen etwa 1.000 Besucher zu Ihnen, weltweit werden knapp 9.000 Kunden mit ihrer Schokolade beliefert. Noch Wünsche?
Zotter: Nein. Viele träumen etwa von einem Jaguar, sowas brauch ich nicht. Ich mach dafür jetzt meinen Tiergarten, damit erfülle ich mir einen Lebenstraum. Und die Mariazeller - die pack ma auch noch!

Bild: In der Straßenküche wird es Würstel von Tiergartenbewohnern geben.

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