"Bestellfernsehen"

Wirbel um Wutauftritt des Vizekanzlers in “ZiB 2”

Österreich
10.03.2016 13:28

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wird am Sonntag in der ORF-Reihe "Im Zentrum" zur Flüchtlingskrise Stellung nehmen - und zwar solo und die komplette Sendezeit lang. In der "ZiB 2" kam es deshalb am Mittwochabend zum Eklat: ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner nannte den ORF vor laufender Kamera "Bestellfernsehen" (siehe Video oben). Auf Twitter erntete der Vizekanzler für seinen Auftritt viel Kritik - doch auch die Tatsache, dass der SPÖ-Kanzler in einem Diskussionsformat alleine interviewt wird, stößt manchen sauer auf.

"Wenn schon der Herr Bundeskanzler eine ganze Sendung hat, seine Linie zu erklären, geben Sie mir auch die Zeit. Das ist doch Bestellfernsehen. Ich wünsche mir dasselbe, was der Herr Bundeskanzler wünscht. Ich wünsche mir, dass der ORF reagiert", polterte Reinhold Mitterlehner im Gespräch mit "ZiB 2"-Moderator Tarek Leitner am Mittwochabend.

Moderator Tarek Leitner (li.) beim Interview mit Reinhold Mitterlehner (Bild: tvthek.orf.at)
Moderator Tarek Leitner (li.) beim Interview mit Reinhold Mitterlehner

Lopatka: "Der ORF gehört gestoppt"
Zuvor war bereits ÖVP-Klubomann Reinhold Lopatka mit schweren Geschützen gegen den öffentlich-rechtlichen Sender und seinen Generaldirektor Alexander Wrabetz aufgefahren. "Der ORF gehört gestoppt, das widerspricht völlig dem ORF-Gesetz. Wrabetz hat seine Karriere als Wahlkampfhelfer von Josef Cap begonnen. Wenn er jetzt glaubt, sie als Wahlkampfhelfer von Faymann beenden zu müssen, dann schadet er dem Unternehmen", meinte Lopatka in "Standard" und "Kurier". Das "Bestellfernsehen" der SPÖ müsse ein Ende haben. "Herr Wrabetz hat bis Sonntag Zeit, seine Schlüsse zu ziehen", so Lopatka.

ORF: "Einladungen können nicht eingefordert werden"
Der ORF reagierte bereits auf die Vorwürfe der Volkspartei: "Die Einladung in ORF-Sendungen sind journalistische Entscheidungen und diese werden ausschließlich von den Journalistinnen und Journalisten des ORF getroffen", erklärte Fernsehchefredakteur Fritz Dittlbacher am Donnerstag. "Einladungen können angenommen oder abgelehnt werden, was ja öfter einmal vorkommt. Sie können aber auf keinen Fall von der Politik eingefordert werden."

Solo-Interview "journalistisch notwendig"
Zum aktuellen Fall meinte Dittlbacher, dass es "sowohl legitim als auch journalistisch notwendig" sei, den Bundeskanzler zur Position Österreichs in der Flüchtlingspolitik zu befragen. "Es geht hier um ein gewaltiges europäisches Problem und nicht um heimische Innenpolitik. In der aktuellen Situation, zwischen zwei so entscheidenden EU-Gipfeln, den Bundeskanzler nicht einzuladen, wäre ein journalistischer Fehler", so der TV-Chefredakteur. Die öffentlich-rechtliche ARD habe zuletzt "bewiesen, wie aufschlussreich eine solche Konzentration auf einen Gesprächspartner sein kann: Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Anne Will war beispielhafte Aufklärung."

Redakteursrat: "Kritik an und Wunsch nach 'Bestellfernsehen'"
Kritik am wütenden "ZiB 2"-Auftritt Mitterlehners kam am Donnerstag vom Vorsitzenden des ORF-Redakteursrats Dieter Bornemann. "Es ist ein seltsames Medienverständnis der ÖVP, wenn Vizekanzler Mitterlehner als Gast in der 'ZiB 2' das angebliche 'Bestellfernsehen' des ORF kritisiert und im selben Atemzug sagt: 'Ich wünsche mir das auch!'."

Spott auf Twitter: "Geht. Gar. Nicht."
Auch auf Twitter sorgte das Interview des Vizekanzlers für einige Häme: "Ein #zib2-Livegespräch, über das man noch länger sprechen wird", kommentierte etwa ORF-Politikchef Hans Bürger, andere sprachen gar von "Stronach-Momenten". Doch auch die Tatsache, dass der Bundeskanzler alleine eine ganze Sendung zur Stellungnahme zugesprochen bekommt, wird von einigen kritisch betrachtet.

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