Giftunfall in Ungarn

Alu-Konzern MAL wird verstaatlicht, Boss in Haft

Ausland
11.10.2010 21:41
Die ungarische Polizei sowie die Regierung gehen unter den Augen internationaler Beobachter jetzt mit voller Härte gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen für das Giftschlamm-Desaster beim Aluminium-Konzern MAL vor. Generaldirektor Zoltan Bakonyi (re.) ist am Montag von der Polizei unter Verdacht auf "Umweltschädigung und Massengefährdung mit mehrfacher Todesfolge" festgenommen worden. Die Regierung leitete indes Maßnahmen zur Zwangsverstaatlichung des Konzerns ein.

Für Bakonyi wurde auf Antrag des Nationalen Ermittlungsbüros, des für die Aufklärung schwerer Verbrechen zuständigen Arms der ungarischen Polizei, ein Haftbefehl ausgestellt. Der MAL-Chef, zugleich Sohn eines Miteigentümers des Konzerns, werde nun zu den Verdachtsmomenten verhört, hieß es.

Bakonyi hatte vergangene Woche für Aufregung gesorgt, weil er die Giftschlamm-Katastrophe als unvermeidbaren Unfall darstellte, an dem seine Firma keine Schuld tragen könne. Das geborstene Schlammbecken sei täglich inspiziert worden, nichts habe auf einen bevorstehenden Unfall hingedeutet, sagte er. Berichte von Umwelt-Organisationen wie dem WWF und Greenpeace legten hingegen sehr bald menschliches Versagen und Fahrlässigkeit in Bezug auf die zerbröselnden Schlammreservoirs nahe. 

MAL wird zwangsverstaatlicht
Wenige Stunden nach der Verhaftung billigte das ungarische Parlament nahezu einstimmig eine Gesetzesvorlage der Partei von Regierungschef Viktor Orban zur Zwangsverstaatlichung des Konzerns. Das Gesetz, das ganz allgemein formuliert, dass die Regierung bei derartigen Katastrophen schuldige Unternehmen übernehmen kann, muss nur noch von Staatspräsident Pal Schmitt verkündet werden, danach kann Orban das Unternehmen per Regierungsverordnung unter staatliche Aufsicht stellen und für die Führung der Geschäfte einen Regierungskommissar ernennen. 

Auch sämtliche Vermögenswerte des Unternehmens werden damit eingefroren. "Es handelt sich hier nicht um eine Naturkatastrophe, sondern um von Menschen verursachte Schäden. Und für diese wird sicher nicht der Steuerzahler aufkommen, sondern die Verursacher", sagte Orban vor den ungarischen Abgeordneten. Zudem gelte es, Arbeitsplätze bei MAL zu sichern. Der ehemalige sozialistische Premierminister Ferenc Gyurcsany nannte das Gesetz "verfassungswidrige Willkür" und rief zum Protest auf.

Orbans Feldzug gegen Oligarchen
Orban, der mit seiner rechtskonservativen Partei Fidesz erst im Mai an die Macht gewählt wurde, ist ein erklärter Feind der Besitzer ehemaliger Staatsbetriebe. "Diese Angelegenheit wird nicht einfach ausgebügelt werden, wie das sonst üblich sein mag", hatte Orban am Wochenende bei einem Besuch in Ajka gesagt. "Denn vor ein paar Monaten hat eine neue Zeitrechnung begonnen", fügte er in Anspielung auf den Regierungswechsel hinzu. 

Orban hatte nach seinem Wahltriumph die sozialistische Linke an der Macht abgelöst. Die Eigentümer der MAL, die von den Privatisierungen staatlicher Betriebe in den 90er-Jahren profitiert hatten, werden dem sozialistischen Oligarchen-Milieu zugerechnet.

Stichwort: "Magyar Aluminium"
Die MAL AG ("Magyar Aluminium") ist durch die Umweltkatastrophe vom 4. Oktober, bei der mehrere Ortschaften in Westungarn mit Rotschlamm und Lauge überschwemmt wurden und die bislang acht Todesopfer gefordert hat, international ins Blickfeld geraten. 

1995 im Zuge der Privatisierung der ungarischen Aluminiumindustrie von ungarischen Privatpersonen gegründet, kontrolliert die Aktiengesellschaft das traditionelle Zentrum der Aluminiumindustrie des Landes um die Stadt Ajka nördlich des Plattensees. Nach eigenen Angaben ist MAL der zweitgrößte Aluminiumhersteller Ungarns und heute der einzige Aluminiumoxidproduzent des Landes. Die AG befindet sich zu 100 Prozent in ungarischem Besitz, wobei Generaldirektor Bakonyi der Sohn eines Miteigentümers ist.

1.100 Mitarbeiter, Töchter in Deutschland und  Rumänien
Die Firma beschäftigt 1.100 Mitarbeiter in Ajka und Umgebung. Der Anteil von MAL am europäischen Markt beträgt 12 Prozent; nach eigenen Angaben gehört das Unternehmen zu den Marktführern in Mitteleuropa. MAL ist neben dem von der Rotschlamm-Katastrophe betroffenen Aluminiumoxidwerk in Ajka auch Eigner einer Bauxitmine und eines Aluminiumwerkes in der Region. Weiters besitzt das Unternehmen Mehrheitsbeteiligungen an der auf Silikate und Tonerden spezialisierten slowenischen Firma Silkem und der bosnischen Bauxitminengesellschaft Rudnici Boksita Jajce. 

Zudem besitzt die MAL zwei Tochterfirmen in Deutschland und Rumänien: Die MAL-Deutschland Aluminium HandelsGes.m.b.H. in Düsseldorf ist auf den Vertrieb im deutschen Sprachraum spezialisiert, MAL-Product S.R.L. in Miercurea Ciuc auf die Herstellung und den Vertrieb von Fertigprodukten.

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