"Teil des Problems"

Auch Deutsche fordern nun Junckers Abgang

Ausland
04.07.2016 12:00

Der Druck auf EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wird nach dem EU-Austrittsvotum der Briten immer stärker. Wie die britische "Sunday Times" berichtete, wirft nun die deutsche Regierung Juncker vor, sich an dem Brexit-Votum "zu ergötzen" und dies als Chance für mehr EU-Integration zu sehen. Ein nicht namentlich genannter Minister aus dem Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel fordert in einem Interview mit der Zeitung sogar indirekt den Rücktritt des Kommissionschefs.

"Juncker hat immer wieder gegen das gemeinsame Interesse verstoßen, und seine Reaktion auf das britische Referendum war sehr schädlich. Dies ist nicht die Zeit für institutionelle Streitereien, aber der Druck auf ihn, zurückzutreten, wird nur noch größer werden", erklärte der Minister in dem Interview. Merkel betrachte Juncker demnach mittlerweile als "Teil des Problems".

Prag: "Juncker ist nicht der richtige Mann"
Unmittelbar nach dem Brexit-Votum hatte bereits der tschechische Außenminister Lubomir Zaoralek als Konsequenz aus dem britischen Referendum Juncker indirekt zum Rücktritt aufgerufen. "In diesem Moment ist der Kommissionspräsident nicht der richtige Mann an dieser Stelle", sagte Zaoralek.

Wirbel auch um Vorgangsweise bei CETA
Der Wirbel um das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) goss zusätzliches Öl ins Feuer der Kritiker. Besonders Berlin und Wien waren darüber erzürnt, dass Juncker auch ohne Zustimmung der nationalen Parlamente das Abkommen abschließen möchte. Juncker versuchte die Kritik mit einem launigen Spruch zu entschärfen: "Mir ist das persönlich relativ schnurzegal", sagte er. "Ich werde nicht auf dem Altar juristischer Fragen sterben."

Österreichs Bundeskanzler Christian Kern findet absolut keinen Gefallen an Junckers CETA-Alleingang. (Bild: APA/BKA/ANDY WENZEL)
Österreichs Bundeskanzler Christian Kern findet absolut keinen Gefallen an Junckers CETA-Alleingang.

Machtkämpfe zwischen EU-Institutionen
Mittlerweile dringen auch heftige Machtkämpfe zwischen EU-Institionen an die Oberfläche. Dabei geht es darum, wer in erster Linie für die britischen Austrittsverhandlungen zuständig sein soll. Das EU-Parlament wünscht sich, dass die Brexit-Gespräche unter Führung der EU-Kommission stattfinden. Mehrere EU-Staaten dürften dies aber ablehnen und wollen stattdessen den Rat mit dieser Aufgabe betreuen.

Tusk musste am Gipfel Juncker verteidigen
EU-Ratschef Donald Tusk sah sich beim Gipfel in der Vorwoche genötigt, den Kommissionschef öffentlich zu verteidigen: "Jean-Claude Juncker ist die letzte Person, die für den negativen Ausgang des Referendums im Vereinigten Königreich verantwortlich gemacht werden kann." Das war ungewöhnlich, denn Ehrenerklärungen dieser Art sind beim Brüsseler Spitzenpersonal normalerweise nicht üblich.

Ratspräsident Tusk (links) und Kommissionspräsident Juncker (Bild: AFP)
Ratspräsident Tusk (links) und Kommissionspräsident Juncker

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