IS-Anschlag
Blutbad in Brüssel: Rache-Terror im Herzen Europas
Am Dienstag ist die belgische Hauptstadt Brüssel zum Schauplatz von zwei Terroranschlägen geworden. Gegen 8 Uhr früh erschütterten zwei Explosionen den Flughafen Zaventem. Knapp eine Stunde später kam es auch in der Metro unweit der EU-Amtsgebäude zu einer Detonation. Bei den Anschlägen starben mindestens 34 Menschen, über 200 Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Die Terrormiliz Islamischer Staat bekannte sich zu den Angriffen. Ein Verdächtiger ist offenbar auf der Flucht, nach ihm wird fieberhaft gefahndet.
Die Behörden vermuten, dass es sich um Racheakte für die Verhaftung des Paris-Attentäters Salah Abdeslam handelt. Für offizielle Angaben sei es aber "noch zu früh", sagte Staatsanwalt Frederic Van Leeuw am Dienstagabend bei einer Pressekonferenz. Bei Hausdurchsuchungen in Brüssel hätten Fahnder eine IS-Flagge, einen Sprengsatz und chemische Substanzen gefunden.
IS: "Macht euch auf mehr Bomben gefasst"
Auf Twitter droht der IS mit weiteren blutigen Terrorakten. "Macht euch auf mehr Bomben gefasst - auch in Deutschland!" Wie die dem IS nahestehende Nachrichtenagentur Amaq im Internet berichtet, verübten Kämpfer des Islamischen Staates eine Serie von Bombenangriffen mit Sprenggürteln und -sätzen. Angegriffen worden seien der Flughafen und die zentrale Metrostation Brüssels, hieß es.
Bild zeigt flüchtigen Verdächtigen am Flughafen
Die belgische Polizei veröffentlichte am Dienstagabend ein Bild, das offenbar einen Verdächtigen zeigt. Der Mann trägt eine helle Hose, eine helle Jacke und einen Hut. Auf dem Foto schiebt er einen Gepäckwagen mit einer schwarzen Tasche durch den Flughafen. Die beiden dunkel gekleideten Männer neben ihm sind vermutlich die Selbstmordattentäter, die sich im Flughafen in die Luft sprengten. Der Flüchtige hat seinen Sprengsatz laut offiziellen Angaben nicht gezündet, sondern das Gebäude wieder verlassen. Die Bombe wurde später von der Polizei entdeckt und kontrolliert zur Detonation gebracht. Die Behörden riefen die Bevölkerung zur Hilfe auf. Wer die Täter auf Fotos wiedererkenne, solle dies der Polizei melden.
Züge, U-Bahnen und Busse fahren wieder
Brüssel befindet sich nach den verheerenden Attentaten im Ausnahmezustand. Die Regierung berief einen Krisenstab ein, die Krankenhäuser versorgen unzählige Verletzte. Die Bürger der Stadt wurden aufgerufen, Blut zu spenden. Da der öffentliche Verkehr vorübergehend lahmgelegt war, fuhren die Taxis umsonst. Mittlerweile ist der öffentliche Verkehr wieder freigegeben, Züge, U-Bahnen und Busse fahren wieder. Die belgische Regierung ordnete eine dreitägige Staatstrauer an.
Betreiber von AKW Tihange beruhigt
Am frühen Dienstagnachmittag wurde die Information über Nachrichtenagenturen verbreitet, dass mit der Evakuierung des rund 90 Kilometer südöstlich von Brüssel stehenden Atomkraftwerks Tihange begonnen worden sei. Wenig später dementierte aber der AKW-Betreiber Electrabel und meinte, es gebe keine Evakuierung. Es hätte lediglich ein Teil des Personals als Folge der Terrorwarnstufe 4 Tihange verlassen. Diese Teilevakuierung gelte auch für das zweite belgische Kernkraftwerk Doel nahe Antwerpen. Mit dieser Maßnahme würden Sicherheitsanordnungen der Behörden umgesetzt.
Erhöhte Alarmstufe in NATO-Hauptquartier
Auch im NATO-Hauptquartier in Brüssel wurde die Sicherheitsstufe erhöht. "Wir bleiben wachsam und verfolgen die Lage weiterhin genau", erklärte Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Einwohner Brüssels boten nach den Terroranschlägen über das Internet Hilfe für Menschen an, die wegen des Stopps öffentlicher Verkehrsmittel in der Stadt feststecken. Unter dem Schlagwort "#OpenHouse" kündigten zahlreiche Twitter-Nutzer an, dass sie Betroffene bei sich zu Hause unterbringen würden. Eine ähnliche Entwicklung hatte es schon im November in der Terror-Nacht von Paris unter dem Hashtag "#PorteOuverte" gegeben.
"Es war ein unbeschreibliches Chaos"
Augenzeugen schilderten nach den Anschlägen dramatische Szenen bei den Explosionen am Brüsseler Flughafen Zaventem. "Alles stürzte herunter, Glas, es war ein unbeschreibliches Chaos", sagte der 40-jährige Belgier Jef Versele aus Gent der Nachrichtenagentur PA. "Die Bombe kam von unten und ging durch das Dach, es war gewaltig. Ungefähr 15 Fenster in der Eingangshalle wurden einfach rausgesprengt."
Jordy van Overmeir war aus Bangkok nach Brüssel geflogen und holte gerade sein Gepäck, als er einen Knall hörte. "Ich dachte erst, da sei ein Koffer runtergefallen", sagte er dem britischen Sender Sky News. In der Ankunftshalle habe er Rauch gerochen und Glas und Blut gesehen. "Dann ging ich aus dem Flughafen auf den Parkplatz - und da sah ich Menschen mit Kopfverletzungen, weinende Menschen, mehr Blut und auf der Straße überall Glas."
Nach den Worten eines weiteren Augenzeugen wurden die Beine einiger Opfer der Explosionen förmlich zerschmettert. "Ich habe geholfen, fünf Tote rauszutragen", sagte der Flughafenmitarbeiter Alphonse Youla. "Ihre Beine waren kaputt, als wenn eine Bombe in einem Gepäckstück explodiert ist", so der 40-Jährige zu Reportern. Seine Hände waren blutverschmiert, "von den Leuten, die ich rausgetragen habe". Er habe vor der ersten Explosion einen Mann etwas auf Arabisch rufen hören. "Dann brach die Decke des Flughafens ein."
Feuerwehrsprecher: "Das ist Krieg"
Entsetzt und fassungslos zeigte sich der Sprecher der Brüsseler Feuerwehr, Pierre Meys: "Das ist Krieg. Das ist unbeschreiblich. Bei der Metro-Station Maelbeek sei alles zerstört und liege "in Stücken". Er habe in 40 Jahren Berufsleben "noch nie so was Schreckliches gesehen". Die Verletzungen seien "Kriegsverletzungen". Die Explosion in der Metro selbst habe sich in einem Waggon etwa in der Mitte des Zuges ereignet und sei extrem stark gewesen, sagte Meys.
Angeblich Waffen in Flughafen gefunden
Im Flughafen sind unterdessen nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Belga auch Waffen gefunden worden. Belga verwies auf eine gut informierte Quelle, eine offizielle Bestätigung gebe es aber nicht.
Ein Zusammenhang mit der Festnahme des Paris-Attentäters Salah Abdeslam wird nicht ausgeschlossen. Nach seinen Komplizen wird nach wie vor gefahndet. In Brüssel gilt seit den Pariser Anschlägen im November eine erhöhte Terrorwarnstufe. Mehrere der islamistischen Attentäter stammten aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek, der seitdem im Visier der Ermittler steht.
krone.at hat am Dienstag von Beginn an live für Sie berichtet. Den Ticker gibt es hier zum Nachlesen.
- 13.03 Uhr: Mittlerweile gibt es eine erste Opferzahl. Nach offiziellen Angaben wurden bei den Explosionen auf dem Flughafen und in der Metro mindestens 30 Menschen getötet. Nach Angaben der Verkehrsbetrieben wurden allein in der U-Bahn-Station mindestens 15 getötet und 55 verletzt. Die Rettungsarbeiten gestalten sich besonders am Flughafen schwierig. "Es gibt viele Trümmerteile", sagte Feuerwehrsprecher Pierre Meys. "Es kann deshalb noch weitere Opfer geben."
- 12.38 Uhr: Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil betonte, dass Österreichs Sicherheitsorgane nach den Anschlägen von Brüssel eng zusammenarbeiten, um die Sicherheitsvorkehrungen zu erhöhen: "Terrorismusabwehr ist die große sicherheitspolitische Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen müssen." Der Minister versicherte Brüssel, dass "wir in Europa gegen Terror, Gewalt und Hass eng zusammenstehen". Belgien könne sich in dieser schweren Stunde auf die Solidarität Österreichs verlassen.
- 12.34 Uhr: Der französische Premier Francois Hollande betonte in einem Statement in Paris, dass Europa und seine Werte das Ziel der Terroristen gewesen seien: "Wir sind hier mit einer globalen Attacke konfrontiert. Ich habe der belgischen Regierung jede Unterstützung zugesichert. Der Kampf gegen den Terrorismus muss überall in Europa geführt werden, auch von den Geheimdiensten." Der Krieg gegen den Terror erfordere "alle erdenkliche Wachsamheit".
- 12.26 Uhr: Die Online-Agentur "Terror Monitor" vermeldet, dass es im Zusammenhang mit den Anschlägen bereits zwei Verhaftungen gegeben haben soll.
Mikl-Leitner betont, dass man die Sicherheitsmaßnahmen an den Flughäfen verstärkt habe. Zudem gebe es mehr polizeiliche Präsenz bei internationalen Organisationen, an den Bahnhöfen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Ministerin erklärte, dass seit den Anschlägen in Paris auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" ohnehin von einer erhöhten Terrorgefährdung ausgegangen werde. Es handle sich derzeit für Österreich um eine "abstrakte Gefährdung".
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