Auflage erhöht
“Charlie Hebdo”-Ausgabe nach Minuten ausverkauft
Bereits in den frühen Morgenstunden hatten sich vor Zeitungsständen und Trafiken in ganz Frankreich lange Schlangen gebildet. Die "Ausgabe der Überlebenden" war in einer für das Magazin bisher einzigartigen Auflage erschienen, die erste Million ausgelieferter Exemplare ist bereits in allen 27.000 Kiosken Frankreichs vergriffen. Insgesamt sollen bis Samstag drei Millionen Zeitungen an die Kioske gehen, die restlichen zwei Millionen bis kommenden Mittwoch, teilte der Zulieferer am Mittwochvormittag mit. Normalerweise erscheint "Charlie Hebdo" mit einer Auflage von 60.000 Exemplaren.
Bereits wenige Minuten nach der Öffnung der Kioske in Paris twitterten einige Bewohner der französischen Hauptstadt, dass es an manchen Zeitungsständen keinen "Charlie Hebdo" mehr zu kaufen gebe. Viele Stammkunden hätten sich schon im Vorfeld Exemplare reserviert, berichteten auch Verkäufer aus Rennes, Nizza und anderen französischen Städten. Vielerorts hingen Schilder, auf denen "Kein Charlie Hebdo mehr" zu lesen war. Am Nachmittag sollen weitere Exemplare ausgeliefert werden.
Ob die aktuelle Ausgabe von "Charlie Hebdo" auch in Österreich erhältlich sein wird, ist noch nicht ganz sicher. Aus dem Kundendienst des Vertriebes vom Wiener Buchhändler Morawa hieß es am Mittwoch, der Titel könnte eventuell nächste Woche erhältlich sein. Normalerweise führt der Verlag "Charlie Hebdo" nicht im Angebot.
Zeichner Luz: "Ich habe angefangen zu weinen"
Das im Voraus veröffentlichte Titelbild der "Charlie-Hebdo"-Ausgabe zeigt erneut eine Mohammed-Karikatur. Über der Zeichnung steht "Tout est pardonné" (Alles ist vergeben). Zeichner Luz (Renald Luzier), der seit 20 Jahren für das Magazin arbeitet, hatte das Cover gestaltet. Bei der Pressekonferenz am Dienstag brach er in Tränen aus: "Ich habe geschrieben 'Alles ist vergeben' und ich habe angefangen zu weinen", erzählte der Zeichner. "Das war die Titelseite."
Der Zeitung Libération, in deren Räumen die "Charlie Hebdo"-Mitarbeiter an der Ausgabe arbeiteten, sagte Luz zudem: "Es war sehr schwer. Ich habe am Donnerstagabend eine erste Version des Titels gezeichnet. Aber da ging es noch viel mehr um das Attentat an sich." Darauf seien die Hintern der Leichen der Kollegen am Boden zu sehen gewesen, zusammen mit dem Titel "Liberté d'expression, mon cul!" - Meinungsfreiheit, für'n Arsch! Der jetzige Titel sei das Ergebnis einer Katharsis. Es hätte mehrere andere Versionen gegeben, bevor sich die Redaktion für das Titelbild entschieden hätte.
Terroristen als minderbemittelte Idioten dargestellt
In der jüngsten Ausgabe des Magazins machen sich die noch lebenden Macher von "Charlie Hebdo" unter anderem über die beiden islamistischen Terroristen lustig, die bei dem Anschlag auf die Zeitung zwölf Menschen erschossen hatten. In Karikaturen werden sie als geistig minderbemittelte Idioten der Lächerlichkeit preisgegeben.
In einer Zeichnung wird beispielsweise darauf angespielt, dass einer der Attentäter bei einem Entsorgungsbetrieb arbeitete. In der Karikatur steht der Abfallsortierer ratlos vor zwei Mülltonnen, von denen eine die Aufschrift "Gut" und die andere die Aufschrift "Böse" trägt. "Das ist zu kompliziert", steht dazu in der Sprechblase. In einer anderen Karikatur fragen die von der Polizei getöteten Attentäter im Himmel nach Jungfrauen, die sie von Gott als Belohnung für ihren Terrorangriff erwarten. Die seien alle beim Team von "Charlie", wird ihnen aus einer Wolke zugerufen, in der eine wilde Party steigt.
Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) verurteilte das Cover der neuen Ausgabe. Die Veröffentlichung neuer Mohammed-Karikaturen sei "extrem dumm", hieß es am Mittwoch in einer Erklärung im Radiosender Al-Bayan, den der IS in von ihm kontrollierten Gebieten in Syrien und im Irak ausstrahlt. Damit werde der Prophet erneut beleidigt.
Vier "Charlie Hebdo"-Seiten erscheinen auch in der Türkei
Eine deutsche Fassung von "Charlie Hebdo" ist zunächst nicht geplant. Der Inhalt wird lediglich ins Englische, Arabische und in einige weitere Sprachen übersetzt - darunter auch ins Türkische. Vier Seiten der Ausgabe wurden in türkischer Sprache der renommierten Tageszeitung "Cumhuriyet" beigelegt, sagte "Charlie Hebdo"-Chefredakteur Gerard Biard. Die türkische Ausgabe sei demnach "die wichtigste" überhaupt.
"Cumhuriyet" nannte den Nachdruck, der mit türkischen Texten erschien, "ein Beispiel der Solidarität". Auf der Titelseite schrieb das Blatt: "Wir wollen den Kampf der Meinungsfreiheit in der Welt unterstützen." Chefredakteur Utku Cakirözer erklärte, man habe auf Religionsfreiheit ebenso wie auf religiöse Empfindlichkeiten geachtet.
Die ultrakonservative Zeitung "Yeni Akit" hingegen kritisierte den Nachdruck als "große Provokation". Der oberste islamische Geistliche der Türkei, Mehmet Görmez, hatte vergangene Woche den Anschlag auf "Charlie Hebdo" verurteilt - gleichzeitig sprach er sich aber gegen die Verunglimpfung von islamischen Werten "im Namen der Meinungsfreiheit" aus.
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