"Rasch austreten"
EU-Gründungsstaaten erhöhen Druck auf Briten
Die Außenminister der sechs EU-Gründungsstaaten haben am Samstag Großbritannien zu einem baldigen Austritt aus der Gemeinschaft aufgefordert. "Es muss uns jetzt die Möglichkeit gegeben werden, dass wir uns mit der Zukunft Europas beschäftigen", sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Frankreich, Italien und den Beneluxstaaten in Berlin.
Man respektiere das Ergebnis der Volksabstimmung in Großbritannien für ein Verlassen der Europäischen Union. Jetzt müssten die übrigen EU-Staaten die Möglichkeit erhalten, sich auf ihre Zukunft zu konzentrieren. Dazu müsse das Austrittsverfahren schnell in Gang kommen. Das sei eine Botschaft, die man nach London schicke. "Dieser Prozess sollte sobald wie möglich losgehen", verlangte Steinmeier.
"Cameron muss jetzt mit den Konsequenzen leben"
Auch der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault nannte die rasche Einleitung des Austrittsverfahrens dringlich, um eine Phase der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheit zu vermeiden. "Wir beginnen sofort", sagte er. "Wir erwarten jetzt, dass das Verfahren nach dem im Lissabon-Vertrag festgelegten Artikel 50 (Mechanismus zum Austritt, Anm.) ausgelöst wird." Der britische Premierminister David Cameron habe den Referendumsprozess in Großbritannien eingeleitet, "er muss jetzt auch mit den Konsequenzen leben". Gemeinsam wollten die Außenminister der sechs europäischen Gründerstaaten das Signal aussenden, "dass Europa lebt", sagte Ayrault weiter.
"Kein Katz- und Mausspiel, hier muss Klarheit sein"
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte mit Blick auf London: "Ich hoffe, dass wir hier kein Katz- und Mausspiel machen." Das passe weder zur EU noch zu Großbritannien. "Hier muss Klarheit sein. Das Volk hat gesprochen. Und wir müssen diese Entscheidung umsetzen." Großbritannien müsse nun sehr schnell den Mechanismus zum Austritt in Gang setzen. "Wenn das nicht geschieht, kann es geschehen, dass eine Periode von vier Monaten, vielleicht noch mehr, eine Periode der Unsicherheit ist", so Asselborn. Rasches Handeln sei wichtig für die Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien und damit verknüpft auch für soziale Fragen in der EU.
In einer gemeinsamen Erklärung äußerten die Außenminister ihr Bedauern über das Votum der Briten. "Die Europäische Union verliert nicht bloß einen Mitgliedsstaat, sondern auch Geschichte, Tradition und Erfahrung." Sie stellten zugleich klar, dass die Zugeständnisse vom Februar, mit denen die Partnerstaaten Großbritannien eine Entscheidung zum Verbleib in der EU erleichtern wollten, nun "keinen Bestand mehr haben".
Konkrete Aufgaben für die EU genannt
Der belgische Ressortchef Didier Reynders benannte auch konkrete Aufgaben für die EU: "Wir müssen der Bevölkerung eine Antwort geben, was die Migrationskrise anbelangt", es gehe um Sicherheit nach den Terroranschlägen der vergangenen Monate, und "wir müssen gemeinsam versuchen, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und mehr Wachstum zu bekommen".
EU-Gipfel steht voll im Zeichen des Brexit
Steinmeier plant in den kommenden Tagen weitere Konsultationen, so am Sonntag und Montag mit den Außenministern der Slowakei und Tschechiens sowie den Regierungen der baltischen Staaten. Die jetzige Lage erlaube "weder Hysterie noch Schockstarre", sagte er. Am Dienstag und Mittwoch berät der EU-Gipfel in Brüssel über die Folgen des britischen Ausstiegs.
Britischer EU-Finanzkommissar tritt zurück
Noch während des Treffens der EU-Außenminister hat der britische EU-Finanzkommissar Jonathan Hill nach dem Brexit-Votum seiner Landsleute seinen Rücktritt angekündigt. Er sei sehr enttäuscht über den Ausgang der Volksabstimmung in Großbritannien, sagte er am Samstag in Brüssel. Es solle einen geordneten Übergang geben - er wolle gemeinsam mit Kommissionschef Jean-Claude Juncker in den kommenden Wochen daran arbeiten. Seine Agenden übernimmt vorerst der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis.
Lord Hill war bisher in der Kommission für Finanzmärkte und Finanzdienstleistungen zuständig. Nach den Regeln des EU-Vertrags muss London nun einen neuen Vertreter für das Brüsseler Spitzengremium benennen. Juncker stellte klar, dass er bereit sei, ein neues britisches Mitglied in der Kommission aufzunehmen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.